Nahe Schloss Kalmar im schwedischen Småland befindet sich das Glasriket. Dort produzieren 13 Handwerksbetriebe Kunst für den täglichen Gebrauch. Auf Öland bieten Insulaner regionale Produkte an.

Hier, in einem dieser typischen schwedenroten Häuser, müssen Pettersson und Findus wohnen. Man würde sich nicht wundern, würde sich eine Tür öffnen und der alte Mann und sein vorwitziger Kater erschienen auf der Bildfläche. Doch aus der Tür im kleinen småländischen Ort Transjö tritt keine der Figuren aus den erfolgreichen schwedischen Kinderbüchern, sondern Lars Skulberg. Sein Bart ähnelt dem von Pettersson, sein Leben ist ähnlich beschaulich, doch der gebürtige Norweger ist ein junger Mann, der hier im Glasriket (Glasreich) mit seinen 13 Glashütten zwischen Nybro und Växjö beschäftigt ist und in der Abgeschiedenheit sein Glück gefunden hat.

Der 33-Jährige, der sich selbst als „Lehrling“ bezeichnet, arbeitet seit sechs Jahren mit den zwei Meistern Jan-Erik Ritzman und Sven-Åke Carlson und einem weiteren jungen Mann in einer kleinen Glashütte, die es seit 1982 gibt. „Früher haben die beiden junge, talentierte Leute aus aller Welt geholt und sie die Glaskunst gelehrt, denn es gibt nicht mehr so viele Glasschulen. Und Glasbläserei ist in Schweden kein Lehrberuf“, sagt Lars Skulberg. Inzwischen gehören er und sein Kollege, ein Däne, zum Inventar.

Die Ausstellungsstücke in der kleinen Transjö Hytta sind farbenfroh und unglaublich vielfältig, haben aber auch ihren Preis. Glasschalen kosten ab 50 Euro aufwärts, Vasen auch mal 300 Euro und deutlich mehr. Das Geld müssen die vier Glaskünstler in den Sommermonaten bis zum Herbst verdienen, denn vom Internet-Vertrieb halten sie hier nichts („Glas muss man sehen und in der Hand halten können“), und „von November bis März kommt kaum jemand vorbei“. Den Winter brauchten sie, um neue Ideen zu kreieren.

Er könne sich gut vorstellen, in Transjö alt zu werden, sagt Lars Skulberg und deutet auf das Idyll rundherum. Als hätte es auf das Sprichwort gewartet, heult in der Nähe ein Tier laut auf. „Ist nur der Hund“, sagt der Glaskünstler, aber möglicherweise ist es doch ein Wolf ist, der da in den umliegenden Wäldern herumstreift, und er will seine Besucher nur beruhigen.

Nur ein paar Kilometer weiter in Kosta steht die älteste Glashütte Schwedens. Die Region verdankt ihre jahrhundertealte Tradition der Glasbläserei den weitreichenden Wäldern Smålands. „Es gab genug Holz, um die Öfen am Brennen zu halten, und genug Sand“, sagt Ann Hanssen im Schauraum der Glashütte Kosta Boda, wo seit 1742 mundgeblasenes Glas hergestellt wird. Sie zeigt auf eine grobe grünliche Glasscheibe, ein Relikt aus den Anfängen.

Die Arbeit in der Glasbläserei wirkt ähnlich archaisch, wie sie damals gewesen sein muss. Es ist warm in der Hütte. Bei etwa 1100 Grad wird das Granulat geschmolzen, bei 700 bis 800 Grad verarbeitet. Immer wieder müssen die Werkstücke erwärmt werden, denn unter 500 Grad lässt sich das Material nicht mehr bearbeiten. Die Glasbläser, alle sind nur leicht bekleidet, pusten durch lange Metallstäbe, die Glasmacherpfeife, auf denen vorne die Masse „hängt“, und halten die Stäbe permanent in Bewegung. Während Wein- und Sektgläser in einer Form enstehen, modellieren sie die Vasen per Hand. Und dabei traut man seinen Augen kaum. Die Glasbläser tauchen eine dicke Lage Zeitungspapier in ein Wasserbecken und wischen damit immer wieder über das Objekt, um die Oberfläche zu glätten – ohne Handschuhe. Dabei zischt es, und Qualm steigt von der Zeitung, die pechschwarz wird, auf. Trügen sie Handschuhe, hätten sie nicht genügend Gefühl für die Materie in den Fingern, erklärt einer der Männer. Frauen sind bei dieser anstrengenden und schweißtreibenden Arbeit nicht zu sehen.

Unweit der Glashütte ist vor ein paar Jahren das Kosta Boda Art Hotel eröffnet worden – von Schwedens bekanntesten Glaskünstlern in Szene gesetzt. Sogar die Waschbecken in den Hotelzimmern sind aus Glas. Besonders reizvoll sind die eingearbeiteten Fische, die scheinbar im Becken schwimmen, die meisten Glasobjekte in den Zimmern kann man kaufen. Abends treffen sich die Hotelgäste an der kobaltblauen, beleuchteten Glasbar.

Rustikaler geht es an den traditionellen Hyttsill-(„Hüttenhering“)-Abenden zu. Dieses Essen hat seine Wurzeln in früheren Jahrhunderten. „Damals kamen Landstreicher abends in die Glashütten, denn hier war es warm. Sie spielten Harmonika, erzählten Geschichten, dafür bekamen sie zu essen", sagt Anders Setting, ein örtlicher Hotelier, der bei Kosta Boda regelmäßig Hyttsill-Abende veranstaltet. Es gibt Hering in Sahnesoße, knusprig gebratenen Speck, småländische Isterband-Wurst und Ofenkartoffeln. Dazu reichlich zu trinken, denn die deftigen Speisen sind allesamt recht salzig. Zum Nachtisch schmeckt der Ostkaka, småländischer Käsekuchen mit Sahne und Kompott. Auch keine Diätkost.

Inzwischen hat Niclas Fröjd angefangen, seine Kunstfertigkeit als Glasbläser zu beweisen. Vor dem Ofen ist es so glühend heiß, dass die Wimperntusche schmilzt und man das Gefühl hat, dass die Tränenflüssigkeit in den Augen verdampft. Niclas bläst und modelliert vor den Augen der staunenden Zuschauer eine formvollendete mundgeblasene Schale mit grünem Muster. Dann dürfen auch die Gäste ran. Glasbläserei sieht wesentlich leichter aus, als es ist. Man muss die Glasmacherpfeife permanent bewegen, damit die glühende Masse nicht einfach abrutscht, und dabei muss man auch noch pusten. Die Blase, die entsteht, sieht aus wie ein großer Luftballon, findet vor Niclas Augen aber keine Gnade. Er lässt den Ballon in eine Kiste fallen, wo er in Tausende kleine Scherben zerbricht. Wer etwas ernsthafter in die Kunst der mundgeblasenen Glaserzeugung hineinschnuppern will, für den gibt es im Glasreich unterschiedliche Kurse (Buchung auf www.glasriket.se).

Seit eine Brücke Kalmar und Öland verbindet, ist die Anreise viel einfacher

Wer von Wäldern und Glas genug hat, sollte sich auf den Weg nach Kalmar machen. Die Stadt mit ihrem trutzigen Schloss ist bei Seglern und Wassersportlern sehr beliebt, weil der Gästehafen im Stadtzentrum liegt, ein Besuch lohnt aber auch ohne Boot.

Das Schloss, dessen Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, gilt als der am besten erhaltene Renaissance-Palast in Nordeuropa. Früher lag hier beim Schloss die Gamla Stan, die Altstadt, die bei einem Brand im Jahr 1647 komplett zerstört wurde. „Danach durfte die Fläche nicht mehr bebaut werden“, erzählt die Gästeführerin Babette Lindström. Stattdessen wurde Kalmar etwas nördlicher auf der Insel Kvarnholmen neu aufgebaut. Etliche der Straßen in der Innenstadt sind für den Verkehr gesperrt, es gibt Cafés und viele kleine Läden. In der Markthalle, dem ehemaligen Postgebäude, werden Lebensmittelprodukte regionaler Produzenten verkauft oder gleich im Restaurant serviert. Hier wird auch Angöl ausgeschenkt, ein Bier, das in Kalmar in einer kleinen Wohnstraße produziert wird. Johan Håkansson, 39, hat sich die neue Liebe seiner Landsleute zu besonderen Bieren zunutze gemacht und vor drei Jahren mit einem Kollegen die Angöl Kvartiersbryggerie gegründet. In einer ehemaligen Fassmacherei brauen sie 100.000 Liter Bier pro Jahr.

Jeder Småland-Besucher sollte einen Besuch auf Öland einplanen. Seit eine sechs Kilometer lange Brücke Kalmar mit der Ostseeinsel verbindet, geht die Anreise sehr viel schneller, jedenfalls im Herbst, wenn die Touristenströme langsam versiegen. Öland lebt vom Kalksteinabbau, vom Tourismus und von der Landwirtschaft. „Auf Öland gibt es zweimal so viele Kühe wie Menschen“, sagt Gästeführerin Lotta Håkansson van Luijn. 25 Campingplätze befinden sich auf der Insel, dazu 8000 Ferienhäuser, Hotels und Pensionen. Auch die schwedische Königsfamilie macht regelmäßig auf Öland Sommerurlaub – auf Schloss Solliden. Die fast 300 Kilometer langen Strände, die Kalksteinformationen, das Heideland der Stora Alvaret, das zum Weltkulturerbe zählt, und die 400 historischen Windmühlen machten die Beliebtheit Ölands aus, sagt Lotta.

An diesem Wochenende (bis 29. September) gesellen sich zu den 25.000 Insulanern noch einmal an die 250.000 Besucher, die zum Skördefesten, dem traditionellen Erntefest, auf die Insel kommen. „Jeder bietet an, was er herstellt.“ Bosse Olsson in Köpingsvik hat sich vor neun Jahren auf die Produktion von Kroppkakor verlegt. Die Kartoffelklöße mit Schweinefleischfüllung sind eine Öländer Spezialität. Bosse serviert die Klöße mit flüssiger Sahne und Preiselbeerkompott – klingt exotisch, man kann die Sahne auch weglassen, dann schmeckt es wie bayerische Knödel.

Dem deutschen Gaumen vertrauter als Kroppkakor sind jedenfalls die Fischgerichte, die Tomas Isaksson in Kårehamn auftischt. Der 57-Jährige ist eine Art „Gosch von Öland“. Er betreibt einen Fischhandel und ein Fischrestaurant in dem kleinen Hafen im Nordosten der Insel, jetzt will er noch einen alten Speicher zum Hotel ausbauen. Der ehemalige Dekorateur und Messebauer hat mit seiner Frau ganz klein angefangen, mittlerweile hat er 16 Angestellte und bewirtet während des Erntefestes 10.000 Gäste. Am Tag unseres Besuchs ist es in Kårehamns Fisk + Havskök dagegen angenehm ruhig, der Wintergarten bietet einen beschaulichen Blick auf die See. „Lustig, dass gerade ich mich auf Fisch spezialisiert habe“, sagt Tomas und lacht, „ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Fisch gefangen.“ Zubereiten kann er sie hervorragend.

Einer, der seine Sommerferien auch immer auf Öland verbrachte, ist der schwedische Autor Johan Theorin. Er hat der Insel mit seinem Krimi „Ödland“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Der Plot ist nicht ganz so heiter wie die Geschichten von Pettersson und Findus, aber spannend bis zur letzten Seite.