B&B steht hier einmal nicht für Bed & Breakfast, sondern für Bristol und Bath. Die beiden verbindet mehr als britischer Humor, Pubs und Neid

Jesus als Breakdancer, auf einem Arm balancierend und nur mit einem Lendentuch bekleidet, von einem Künstler namens Cosmo Sarson riesig auf eine Hauswand platziert. Ganz schön gewagt! „Street Art will provozieren“, erklärt Rob Dean, der entsprechende Touren durch das alternative Viertel Stokes Croft organisiert. „Die Stadt unterstützt das Projekt, sie hat den Künstlern ganze Straßenzüge von insgesamt zweieinhalb Kilometer Länge zur Verfügung gestellt, wo sie sich austoben können.“ Für manche sind es Graffiti, für andere moderne Kunst – für Gesprächsstoff sorgen die bunt bemalten Flächen, die Köpfe, Figuren, die philosophischen und politischen Statements allemal. „Die Hausbesitzer lieben es“, beteuert Ron. Viele tragen den „tag“, also die Unterschrift von Banksy, der 1974 in Bristol geboren wurde und es zu internationaler Anerkennung schaffte. Wer sich höchstoffiziell gern selber mal als Graffiti-Sprayer versuchen möchte, hat unter Anleitung auf einer Übungswand dazu Gelegenheit.

Schnell entwickeln sich in beiden Städten Gespräche am Tresen

Seit Frühjahr 2013 verbindet die Fluggesellschaft bmi regional in einer Stunde 40 Minuten elfmal wöchentlich Hamburg mit Bristol. „Der Bedarf entstand durch Unternehmen wie Airbus und Imperial Tobacco“, sagt Marketing Manager Frank Mertens. „Aber auch für einen interessanten Städtetrip bietet Bristol großes Potenzial.“

Denn experimentierfreudig ist die einstige Industriestadt in der Grafschaft Somerset im Südwesten Englands nicht erst seit Street Art. Obwohl die meisten sie allenfalls vom süßen Sherry Bristol Cream her kennen, der hier nicht einmal mehr hergestellt wird. Doch das heute 428.000 Einwohner zählende Bristol machte schon von sich reden, als sich 1864 die 412 Meter lange Clifton-Kettenbrücke 76 Meter hoch über den Avon schwang. Eine Meisterleistung der Brückenarchitektur des Konstrukteurs Isambard Kingdom Brunel! Am 1. April 1979 geriet die Suspension Bridge wieder in die Schlagzeilen, als vier Mitglieder des Oxford University Dangerous Sports Clubs den ersten Bungee-Sprung der Welt ausführten – und prompt verhaftet wurden.

Brückenbauer Brunel war es auch, der die „SS Great Britain“ baute. Der weltweit erste Ozeandampfer, der 1845 seine Jungfernfahrt antrat, mutierte im Laufe der Zeit vom Dampfschiff über eine Emigrantenfähre zum Truppentransporter, wurde zum Windjammer umgebaut und liegt heute als Museumsschiff wieder im original Baudock.

Gleich um die Ecke zieht die Waterfront der Neuzeit mit Fischrestaurants und Bars eine schicke junge Szene an, und wie es sich für eine ordentliche englische Stadt gehört, hat sich in Bristol auch eine lebendige Pub-Kultur entwickelt. Mit großer Sorgfalt schenkt Luke Daniels deutsches Bier im Bag o’ Nails ein – eines von 85 Biersorten. Dazu bekommen die maximal 35 Gäste, die in den hutzeligen Pub passen, guten, alten Rock ’n’ Roll von Vinylplatten serviert.

Schnell entwickeln sich auch Gespräche am Tresen von The Raven im nahen Bath, der bereits mehrere Auszeichnungen erhielt. „Nein, wir verspüren keine Rivalität zur Nachbarstadt Bristol“, sagt John, der Computerprogramme fürs Militär entwickelt und mit seinem Kumpel Tony ein paar „goldene Ravens“ kippt. Nur dass der Tenor Paul Potts, berühmt geworden dank einer Castingshow, aus Bristol stammt, wurmt die beiden ein wenig. „Dafür ist Bristol neidisch auf uns, weil wir das bessere Rugby-Team haben“, sagt John grinsend. Die interessantere Altstadt, deren Gebäude aus der georgianischen Epoche in hellem Bath-Stone an die palladischen Villen in der Toskana erinnern, hat sie allemal. Obwohl das Meer meilenweit entfernt liegt, kreisen riesige Silbermöwen über den Prachthäusern mit den zahlreichen Schornsteinen in der Great Pultney Street, die als Filmkulisse für „Mary Poppins“ dienten. Einen königlichen Halbmond aus 30 Häusern, den Royal Crescent, formte John Wood der Jüngere im 18. Jahrhundert, auch der Circus seines Vaters trug dazu bei, dass Bath Unesco-Weltkulturerbe wurde.

Besonders stolz sind die Männer im Pub auf das Thermae Bath Spa mitten in der Stadt. Drei warme Quellen aus 2000 Meter Tiefe sprudeln in Britanniens einzigem natürlichen Thermalbad. Wo bereits Kelten und Römer Zipperlein kurierten, gönnen auch sie sich ab und zu eine Auszeit. Besten Überblick über das mittelalterliche Bath verschafft die Turmbesteigung der Abbey.

20 Kilometer, doch Lichtjahre entfernt scheint das halb so große Bath von Bristol. Während man sich im feinen The Macdonald Bath Spa Hotel zum Dinner begibt, führt abends in Bristol irgendwie doch kein Weg am Sherry vorbei, der mit Windjammern vom spanischen Jerez nach England verschifft und seit 1796 von der Familie Harvey aus Fino-, Amontillado-, Oloroso- und Pedro-Ximénez-Weinen zu Harveys Bristol Cream Sherry gemixt wurde, bis Großfirmen vor neun Jahren dem kleinen Produzenten den Garaus machten.

Das Bristol Blue Glass für die Flaschen wird nach wie vor in Bristol hergestellt. In den einstigen Harvey-Kellergewölben hat Claire Judd ein stylisches Lokal eröffnet, mit Tapas-Menü und Sherryverkostung. Bevor sie den historischen Standort bezog, hatte Claire vom Ältestenrat der großen jamaikanischen Gemeinde in Bristol, Nachfahren einstiger Sklaven, die „moralische Zustimmung“ für gute Nachbarschaft eingeholt. Es sei okay, hatten die Ältesten gesagt, das Blatt in Bristol habe sich ja ohnehin gewendet.