Kleine Fluchten: Der Seehof hat eine lange Tradition in Ratzeburg. Nach einer Durststrecke wird die Perle wieder poliert – gerade hat das Vier-Sterne-Haus neu eröffnet

Schilf wiegt sich rhythmisch im Wind von links nach rechts, wie ein Pendel, das zur Meditation verführen soll. Sonnenstrahlen glitzern auf dem Wasser des Küchensees, der nur ab und zu von ein paar strammen Ruderern in Vierern und Achtern auf der Regattastrecke durchpflügt wird. Nebenan schaukeln zwei kleine Boote am Steg. Man könnte es also den Ruderern gleichmachen und zum gegenüberliegenden Strand paddeln, um dort zu picknicken. Muss man aber nicht. Zu schön ist es, die Szenerie vom Hotel-Strandkorb aus bei einem Sundowner zu betrachten – „unserem Logenplatz“, sagt Karl Schlichting stolz.

Dass ein Haus am See glücklich macht, davon hat schon Peter Fox ein Lied gesungen. Auch den neuen Besitzer des Seehofs macht sein Projekt sichtlich Spaß: „Jeden Tag passiert hier etwas, man kann förmlich dabei zusehen, wie die Perle wieder zu glänzen beginnt.“ Für 1,5 Millionen Euro hat Schlichting das Ratzeburger Traditionshotel im vergangenen Jahr gekauft, ca. 1,7 Millionen Euro steckt er noch einmal in Umbau- und Modernisierungsarbeiten. „Jeder Stein wird angefasst. Natürlich ist das auch anstrengend, aber es muss sein.“

Zu lange hatte im Vier-Sterne-Haus die Zeit stillgestanden. Es fehlte an Investition und Führung, langsam bröckelte die schöne Fassade. Zuletzt waren die Zimmer nur noch zu 50 Prozent belegt, es hagelte schlechte Kritiken im Internet; die Lage sei top, aber, aber, aber. Auch Schlichting kannte „das Hotel im See“, wie es wegen seines direkten Zugangs zum Küchensee und der zentralen Position im Naturschutzgebiet Lauenburgische Seenplatte genannt wird, schon von früher. „Vor über 15 Jahren war ich Gast auf einer Hochzeit. Die Location gefiel mir, aber als Profi habe ich natürlich gesehen, dass das Haus Investitionen benötigte.“

Über 20 Jahre arbeitete er als Direktor in verschiedenen Steigenberger-Hotels, darunter lange Zeit in Hamburg. Seit Kurzem ist er zusammen mit seiner Frau Bettina selbstständig, betreibt drei Hotels: neben dem Seehof noch das Hotel Engel und das Hotel Fürst Bismarck in Hamburg. Mit nach Ratzeburg hat der 55-Jährige seinen damaligen Souschef Dennie Zurmöhle sowie Hoteldirektorin Wiebke Ortmann genommen. Während der eine die Restaurant-Gäste mit Pannfisch aus der Maräne (einem lokalen Süßwasserfisch) und Ratzeburger Dom-Platte beglückt, kümmert sich die ehemalige Auszubildende darum, dass alles rundläuft, alle zufrieden sind – „sie sind mit der bestehenden Mannschaft meine Säulen“, sagt Schlichting.

In den Sommermonaten ruhen die meisten Arbeiten. Die Atmosphäre soll nicht durch Baulärm beeinträchtigt, die Hochsaison voll mitgenommen werden. Ein Großteil der Zimmer ist schon renoviert. Die helle und freundliche Inneneinrichtung, die die Hamburger Firma Joi-Design übernommen hat, ist der maritimen Umgebung angepasst: Für den Ausbau diente lackierte Eiche, in der Wirkung ähnlich wie Schwemmholz. Sand- und Brauntöne wurden kombiniert mit Himmelblau und Schilfgrün – beide Farben findet man in unmittelbarer Hotelnähe (zumindest bei gutem Wetter). Die Leuchten, die Lobby, Restaurant und Zimmerflure illuminieren, sollen an Quellwolken erinnern. Die Muster von Stoffen und Teppichen wurden von sanften Wellenbewegungen des Küchensees inspiriert.

Möglicherweise sieht der Gast hier und da große Teppichrollen in den Fluren lagern – noch sind nicht alle Teppichböden ausgetauscht. Ebenso wie bei der holzvertäfelten Außenfassade kommt hier noch der 70er-Jahre-Muff durch. Die Fassade wird gegenwärtig in hellem Stahlgrau und Weiß gestrichen. Ganz bewusst erhalten möchte Schlichting die ursprüngliche Atmosphäre in den Seestuben. Anders als der helle, luftige Wintergarten oder das feine A-la-carte-Restaurant, in denen die Hotelgäste Frühstück, Kaffee und Kuchen sowie ihr Abendessen mit Seeblick genießen können, herrscht in den Seestuben Rustikalität mit gepolsterten Sitzbänken und viel dunklem Holz am Kamin vor.

Das Dekor mag noch so geschmackvoll, der Obstkuchen aus einer kleinen Konditorei vom Lande noch so köstlich, das Personal noch so bemüht sein – es ist und bleibt die Lage am Küchensee, die das Hotel ausmacht. Finden übrigens nicht nur Gäste, die über einen kleinen Rasen vom Zimmer direkt ins Wasser hüpfen können. Hochzeitsgesellschaften und Familien aus der Umgebung feiern gern im Seehof. Und auch für Tagungen und Incentive-Reisen steht das Haus offen.

Wer diesen schönen Platz doch einmal verlassen möchte, dem sei eine Bootsfahrt auf dem Ratzeburger See ans Herz gelegt. Rund herum werden Tret-, Kanu- und Paddelboote verliehen. Die Bootsvermietung Peter Morgenroth (Am Jägerdenkmal 1) bietet kombinierte Boots- und Radtouren bis hoch zum Schaalsee an. Radfahren ist in Lauenburg sowieso wunderschön. Die charmante Hansestadt Lübeck ist mit dem Auto eine Dreiviertelstunde entfernt. Sehr beliebt sind auch Drei-Muskel-Fahrten auf der Draisine (Vorsicht Junggesellenabschiede!) oder Spaziergänge zum Dom. Man kann sich natürlich auch einfach im Eispavillon Pelz an der Schlosswiese niederlassen und anderen bei der Ertüchtigung zuschauen, vor sich ein riesiges Spaghetti-Eis. Von Ratzeburgs kleinem Zentrum darf der Gast allerdings nicht zu viel erwarten, wenn er etwa über den Marktplatz schlendert: Ebenso wie einst das Hotel bräuchte es dringend mal eine Politur.