Kürzlich war ich in Berlin. Ich besuchte Barbie. Ja, die Puppe. In der Nähe des Alexanderplatzes hat sie derzeit ihre Zelte aufgeschlagen. Als Dame von Welt bewohnt sie läppische 2500 Quadratmeter, die Miete zahlt sie wahrscheinlich von einem ihrer zahlreichen Jobs als Astronautin, Schauspielerin oder Ärztin. Geld war nie Barbies Problem, nur ihr Image könnte besser sein. Zur Eröffnung der „Barbie Dreamhouse Experience“ gab es zahlreiche Proteste inklusive brennender Barbie-Kreuze und nackter Brüste von Femen-Aktivistinnen, auf denen geschrieben stand: „Life in plastic is not fantastic.“ Die Gruppe „Occupy Barbie Dreamhouse“ hat auf Facebook inzwischen 2900 Freunde.

Was so viel Aufsehen erregt, muss frauenfeindlicher sein als Afghanistan. Dachte ich. Doch ein Rundgang durch die „einzigartige, lebensgroße und interaktive Installation, die das weltberühmte Barbie Spielzeughaus zum Leben erweckt“ (Eigenwerbung) macht klar: alles ganz harmlos und süß. Wie Barbie eben. Die Empörungs-Fraktion versteht einfach keinen Spaß. Junge Mädchen schon. Neben mir stolzierte eine kleine Prinzessin umher, die ungefragt ihre Frisur präsentierte: „Guck mal, ich trage eine Glitzerspange.“ Derlei Herausforderungen sind ein Klacks für mich. „Ich habe Glitzersteine am Handy und gehe nachher mit Ken aus“, antwortete ich. Das Mädchen wich fortan nicht von meiner Seite. In Barbies Küche (ja, die Frau isst!) buken wir gemeinsam virtuelle Cupcakes. Wir wunderten uns über die Toilette, aus der beim Abspülen ein Delfin kam, schrieben in ein Poesiealbum, betrachteten verträumt die Wolken über Barbies Himmelbett und ließen uns nicht täuschen vom Fahrstuhl, der so tat, als würde er ein Stockwerk höher fahren, dabei verläuft die in einem Zelt untergebrachte Ausstellung ebenerdig. In Barbies riesigem begehbaren Kleiderschrank verloren die Kleine und ich uns zwar aus den Augen, bei der Fashionshow später sangen wir aber wieder gemeinsam den Ohrwurm „Everybody needs a Ken“. Zum Abschied musste Glitzer-Prinzessin mir versprechen, nie Feministin zu werden und gegen Dinge zu protestieren, von denen sie keine Ahnung hat.

Was ist falsch daran, Mädchen eine Traumwelt zu bauen? Will man sich unbedingt empören, dann doch besser über Dinge, die tatsächlich gesellschaftliche Relevanz vorweisen: Syrien. Ägypten. Der Abhör-Skandal. Hier geht es nur um ein pink angemaltes Zelt. Jeder Protest überfrachtet die simple Rechnung der Ausstellung (Mädchen + rosa Puppen = glückliche Mädchen) mit Bedeutungen, die in der Zielgruppe niemand sieht. Wer sagt, dass Barbies Welt eine oberflächliche sei, mag recht haben, sollte aber die Konsequenz daraus erkennen: Oberflächlichkeit beinhaltet, dass dahinter nichts steckt – auch keine böse Absicht. Also: Lasst die Puppe tanzen.