Im Flensburger Hafen treffen sich vom 12. bis 14. Juli zwei Dutzend Schiffs-Oldtimer. Ein Spaktakel zum Gucken, Mitfahren und Mitmachen, das alle zwei Jahre stattfindet.

Ungewohnte Töne erfüllen den Hafen. Der heisere Sound entzückt Kinder und ruft bei manch Älterem wehmütige Erinnerungen hervor. Es sind Dampfpfeifen historischer Schiffe, die sich alle zwei Jahre in Flensburg zum „Dampf-Rundum“ einfinden. Die Schiffsschau findet vom 12. bis 14. Juli zum elften Mal statt.

Hunderttausende strömten zum letzten Dampf-Rundum, um Maschinen und Schiffe zu erleben, die mit Feuer und Wasserdampf betrieben werden. Das Faszinierende: Dampfzylinder, Pleuelstangen und Kurbelwelle liegen offen. Man sieht, wie die Maschine arbeitet. Zudem sind die Maschinen eine Augenweide, ihre Konstrukteure legten Wert auf Ästhetik. Und die Begleitmusik liefert der Klang der Dampfstöße, mit denen einstmals die industrielle Revolution begann.

Zum Dampf-Rundum machen etwa zwei Dutzend Schiffe im Hafen von Flensburg fest: Salondampfer, Eisbrecher, Schlepper, ein Tonnenleger und kleine Dampfboote, die einen extra Liegeplatz haben. Zu den Highlights gehört dieses Jahr die „Nordstjernen“ (Polarstern) von der berühmten Hurtig-Route Norwegens. Sie lief 1955 bei Blohm & Voss in Hamburg vom Stapel und kreuzte noch im letzten Jahr bis Spitzbergen.

Los geht es am Freitag, den 12. Juli um 19 Uhr mit einer Dampferparade. Anschließend liefern sich die großen Traditionsschiffe ein Wettrennen auf der Flensburger Förde, ein Spektakel, das auf der Welt einmalig ist. Die kleinen Dampfboote kämpfen in einem weiteren Rennen um 20.15 Uhr um den Sieg. Zum würdigen Abschluss findet um 23 Uhr ein Feuerwerk statt.

Von den großen Traditionsschiffen werden nur noch vier mit Kohle befeuert: Die „Alexandra“, ein Salonschiff, die „Schaarhörn“, ehemalige Hamburger Senatsyacht, die „Bussard“, ein 1979 ausgemusterter Tonnenleger, und die „Skjelskjör“, ein dänisches Fahrgastschiff. Daneben gibt es Dampf-Eisbrecher, Dampf-Schlepper, Küstenmotorschiffe, die Feuerschiffe „Elbe 1“ und „3“, um nur einige zu nennen, und mehr als ein halbes Dutzend Dampfboote.

Alle Viertelstunde legt eins der großen Schiffe ab und lädt zum Mitfahren ein. Im Maschinenraum darf man sich als Heizer bewähren. Überraschend leise geht es dort unten zu, fast geräuschlos erledigen Dampfzylinder, Pleuelstangen und Kurbelwelle ihre Arbeit. An Deck spürt man kein Vibrieren wie bei Dieselmotoren. Es ist, als gleite das Schiff mühelos durch die See. Und ab und zu zieht der Käpt’n zur Freude der Fahrgäste die Dampfpfeife.

Das Heizen mit Kohle ist übrigens gar nicht so einfach. Es geht nicht darum, möglichst viel Kohle in den Kessel zu schaufeln, um gehörig Dampf zu erzeugen. Soll das Schiff langsame Fahrt machen oder stoppen, heißt es Innehalten mit Schippen, das Feuer muss gedrosselt werden. Sonst entsteht überschüssiger Druck, der über das Sicherheitsventil abgelassen werden muss, was Energievergeudung wäre.

Dafür, dass die Traditionsschiffe sicher sind, sorgen ein Prüfzertifikat der Berufsgenossenschaft für Traditionsschiffe und die jährliche TÜV-Prüfung. Dieses Jahr gab es beim Prüfungsdruck von 14 Bar auf der „Alexandra“ lange Gesichter. Ein Leck offenbarte sich zwischen Kessel und Dampfdom, dort, wo der komprimierte Wasserdampf gesammelt wird. Kapitän Wolfgang Weyhausen: „Bei so einem alten Dampfer kann man nicht alles wegschmeißen und neu machen, das kann kein Mensch bezahlen. Die jungen Ingenieure haben keine Erfahrung mit alten Kesseln. Schließlich machte ich zum Glück einen Kesselfachmann ausfindig, der uns die nötigen Tipps gab. Wäre ein Jammer gewesen, in diesem Jahr bei der Dampf-Rundum nicht dabei zu sein.“ Weyhausen und seine Mitstreiter im Verein Dampfschiff Alexandra e.V. riefen 1993 das Dampf-Rundum ins Leben. Nach ihrem Vorbild gründeten sich Vereine für andere Traditionsschiffe. Ohne die Enthusiasten, die sich dieser technischen Dinosaurier angenommen haben, könnten die wieder seetüchtigen Oldtimer nicht bewundert werden.

Der Tonnenleger „Bussard“ lag zum Beispiel jahrelang als Museumsschiff im Kieler Hafen. Die abgesägte Schraube war als Schaustück an Deck verzurrt. Auch die Schraubenwelle entfernte man und flanschte auf das Loch einen Deckel. Jetzt konnte das Schiff nicht mehr absaufen, und man konnte die Anfragen der Meyer-Werft aus Papenburg abwehren, bei denen der Tonnenleger 1906 vom Stapel gelaufen war. Die hätten die „Bussard“ gern bei sich gehabt – als Kontrast zu den riesigen Kreuzfahrtschiffen, die sie dort heute bauen.

2001 tat sich Marco Josefus mit einigen Dampfschiff-Enthusiasten zusammen. Sie begannen, den Tonnenleger wieder aufzumöbeln. „Nach 50.000 Arbeitsstunden haben wir aufgehört zu zählen“, sagt Josefus, „dann zog endlich das Land Schleswig-Holstein mit.“ Eine neue Schraubenwelle durfte gedreht werden, und die Schraube nahm wieder ihren ursprünglichen Platz ein. 2006 war die „Bussard“ wieder fahrtauglich.

Die kleinen Dampfboote sind Liebhaberstücke von Tüftlern. Jeder Eigner hat seine eigenen technischen Lösungen gefunden, die man so nicht im Lehrbuch findet. Aus Platzgründen nutzen sie Diesel oder Schweröl als Brennstoff, doch der Antrieb der Schraube erfolgt auch hier mit Wasserdampf. Bei ihnen gibt es keine festen Abfahrtszeiten. Sie laufen je nach Andrang aus.

An Land bietet das Dampf-Rundum ebenfalls Altehrwürdiges. Den Besucher erwarten Lokomotiven, Trecker, Steinhauer und eine Dampfwalze. Auch hier ist alles in Bewegung, arbeitet, schafft, qualmt und pufft. Beim Dampf-Rundum in Flensburg lässt sich die Urkraft von Feuer und Dampf erleben. Jeder kann mitmachen, Fragen sind erwünscht. Die Mitwirkenden haben viele Geschichten zu erzählen.