Auf der Isla Mujeres im Golf von Mexiko gibt es keinen Platz für Massentourismus. Aber türkises Meer, viel weißen Strand, bunte Häuser und farbenprächtige Fische.

„Ja, ja, die Frauen. Sie haben unserer Insel den Namen gegeben: Isla Mujeres – Insel der Frauen. Und sie haben für allerlei Verwirrungen gesorgt.“ Weymar lächelt. Der Mexikaner kennt die Geschichten seiner Heimat nur zu gut. Er ist auf dieser Karibik-Insel geboren. Nein, winkt er ab, der Name habe nichts mit gefangenen Frauen aus uralten Seeräuberzeiten zu tun, rein gar nichts. Der Name stamme wohl vom Seefahrer Francisco Hernándes de Cordoba, der 1517 hier an Land ging und in einem Tempel Tonfiguren weiblicher Gottheiten entdeckte. Ein Heiligtum der Fruchtbarkeitsgöttin Ixchel, welches die Maya auf ihren Pilgerfahrten regelmäßig besuchten. Der Tempel an der Südspitze der Insel ist auch heute noch zu besichtigen. Leider wurde er vor ein paar Jahren vom Hurrikan Wilma teilweise zerstört.

Wir sitzen auf der Terrasse von Brisas Grill beim Tequila. Ohne dieses Teufelszeug geht auf der Insel gar nichts. Also runter damit. Der 39-jährige Weymar Maldonado Silva, so sein vollständiger Name, betreibt das kleine Restaurant am Hafen, das sich langsam füllt. „Die meisten Gäste sind Urlauber aus Cancún. Sie bleiben einen Tag. Viele von ihnen jedoch kommen wieder und mieten sich in einem Hotel ein“, sagt Weymar. Und stolz fügt er hinzu: „Isla Mujeres hat viel zu bieten.“

Die Insel, so schwärmte ein Besucher, sei ein auf die Erde gefallenes Stück Himmel. Das sieben Kilometer lange und etwa 600 Meter breite Eiland liegt wie ein großer Schutzwall vor der Küste Cancúns. Felsen, feiner, weißer Sand, Palmen und das üppige Gewächs einer Meerestraube, die direkt am Wasser gedeiht, bestimmen das Bild.

Wir schauen hinaus aufs Meer. In der Ferne glitzert die Skyline der Hotelpaläste von Cancún. Der Badeort an der mexikanischen Karibikküste auf der Halbinsel Yucatan hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der beliebtesten Ferienziele entwickelt. Leider aber auch mit ein paar negativen Begleiterscheinungen. Nach einem Überfall der Drogenmafia vor drei Jahren auf eine Bar mit mehreren Toten scheint sich die Lage jedoch wieder beruhigt zu haben. Die Halbinsel Yukatan gilt heute als sicheres Reiseziel.

„Auf Mujeres sind Sie absolut sicher. Hier gibt es keine Kriminalität“, versichert Weymar. Auch Sarah Martinache fühlt sich hier wohl. Isla Mujeres gehört zu ihren Lieblingsinseln. Sarah begleitet mich auf meinem Ausflug. Die 31-Jährige aus Offenburg lebt seit 2006 in Cancún, sie arbeitet in der Marketingabteilung des Hotelkonzerns RIU. Ihr Freund ist Mexikaner. „Du musst hier hart arbeiten, aber Meer, Strand und Sonne bieten idealen Ausgleich.“

Knapp 20 Minuten braucht die Fähre von Cancún zur Insel. 17 Dollar kostet die Hin- und Rückfahrt in dem gelben Boot, das sich auch bei bewegter See sicher von einer Welle zur anderen bewegt. Das Meer schimmert in verschiedenen Farbtönen, in Türkis und Tiefblau. Bei der Ankunft im Hafen von Mujeres Stadt, dem einzigen Ort, präsentiert sich die Insel mit ihren 17.000 Einwohnern wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten.

Als beliebteste Verkehrsmittel gelten hier der umweltfreundliche Golfwagen und das Fahrrad, mit denen sich Einheimische und Touristen fortbewegen. „Wenn wir uns einen ersten schnellen Überblick von der Insel verschaffen wollen, nehmen wir am besten ein Taxi“, sagt Sarah. Gesagt, getan. Wir steigen ein, und ab geht die Fahrt rund um die Insel. Zuerst durch die schmalen Gassen am Hafen entlang. Die ein- oder zweistöckigen Häuser erinnern mit ihrem farbenfrohen Anstrich in Rot, Grün oder Gelb an Pippi Langstrumpfs Heimat Schweden. Es gilt unter den Verantwortlichen von Mujeres als abgemacht, dass ihre kleine Welt auch in Zukunft so bleibt, wie sie ist. Es gibt keinen Platz für Massentourismus. Die Zahl der knapp 50 Hotels und Pensionen soll nicht weiter erhöht werden. Auch ein Ausbau des Mini-Flugplatzes ist nicht geplant. Nur eine schmale Straße, die wir gemächlich entlangtuckern, verbindet die beiden Enden des Eilands. Der Fahrer ist freundlich, spricht ein wenig Englisch und erklärt uns die Vorzüge seiner Insel.

Die Hauptattraktion von Isla Mujeres ist das Tauchen. Jedes Jahr Ende Mai beginnt das sogenannte Festival der Walhaie. Im 25 Grad warmen Wasser des Meeres rund um die Insel treffen sie sich zu Tausenden, meistens bleiben sie bis Ende September. „Sie kommen, um sich hier bei uns zu paaren. Es ist ihre Hochzeitsreise“, hatte uns Weymar erzählt. Es seien friedliche zwölf bis 14 Meter große Tiere. Die bis zu zwölf Tonnen schweren Meeresriesen ernähren sich ausschließlich von Plankton. Sie sind für den Menschen völlig ungefährlich. Weymar fährt die Taucher mit seinem Boot „Lizardo“ hinaus aufs Meer. Auf seiner Tagestour nimmt er bis zu zehn Leute mit. Essen und Getränke gibt es an Bord. 130 Dollar kostet eine Tour.

„Das ist ein einmaliges Naturschauspiel“, berichtet begeistert der Berliner Unterwasserfotograf Adrian Schöne. Er hatte mich bereits vorher auf meine Reise eingestimmt. Drei Wochen war er mit dem deutschen Spezialveranstalter „Tauchertraum“ auf der Insel gewesen. „Den ganzen Tag sind wir mit den Walhaien um die Wette getaucht, sie aus nächster Nähe beobachtet, fotografiert und gefilmt. Bis zu 200 Tiere treffen sich auf engstem Raum und schwimmen dicht unter der Wasseroberfläche. Ein Erlebnis, das die Insel bietet, bei dem man Zeit und Raum vergisst.“

„Eine Destination für Schwimmer und Taucher bieten die Riffs des Nationalparks Garrafon“, erzählt unser Taxichauffeur. Dort tummeln sich große Schwärme von farbenprächtigen karibischen Fischen. Doch die Könige des Meeres sind die Delfine. Elegant und pfeilschnell jagen sie durch das Wasser. Wer das Verhalten der Tiere und den Umgang mit ihnen vorher kennenlernen möchte, kann an der Laguna Makax erste Erfahrungen machen. In der Dolphindiscovery überwachen ausgebildete Schwimmlehrer die Annäherungsversuche der Touristen mit dressierten Delfinen. Man kann die Tiere streicheln, sich durchs Wasser ziehen lassen und sogar küssen. Erinnerungen an Flippers Fernsehabenteuer werden wach. Umweltschützer sehen diese Art der Begegnungen jedoch skeptisch. Kein Problem haben sie dagegen mit den Windsurfern und Seglern, die vor der Küste über die Wellen jagen.

Draußen an der Punta Sur, an der südlichsten Spitze, präsentiert die Insel ihre historische Vergangenheit: Überreste eines alten Maya-Tempels, der früher sogar als Leuchtturm genutzt wurde. Das damalige Navigations-Prinzip war einfach: Im Inneren des Gebäudes wurden Fackeln angezündet. Das Licht drang durch die Löcher der Steinmauern nach außen und gab den Schiffen Orientierung.

Historisch mutet auch die Hacienda Mundaca an. Der Legende nach soll in dem schlichten Gebäude ein gewisser Femin Mundaca sein abenteuerliches Leben als Pirat aufgegeben und sich dauerhaft niedergelassen haben. Er hatte sich in eine schöne Insulanerin verliebt. Leider endete die rührende Lovestory ohne Happy End. Die Schöne verliebte sich in einen anderen und ließ ihren Piraten sitzen. Doch der blieb, verdiente seinen Lebensunterhalt als Sklavenhändler und verbrachte seinen Lebensabend auf der Insel. Hier wurde er auch begraben.

Ein alljährliches Spektakel bietet im Spätsommer die Schildkrötenfarm Tortugranja. Sie war von den Fischern vor mehr als 30 Jahren gegründet worden. Zum Schutz der Meeresschildkröten. Denn obwohl sie unter Artenschutz stehen, werden sie immer noch gejagt. Sie gelten als Delikatesse. Jedes Jahr lassen sich die Tiere pünktlich zwischen Mai und Juli an den Strand spülen und legen ihre Eier in den Sand. Die kleinen Schildkröten, die nach 30 Tagen schlüpfen, waren eine hilflose Beute für die Jäger. Heute dagegen sammeln die Tierfreunde von der Farm ihre Schützlinge rechtzeitig ein und ziehen sie groß. Die Jäger haben keine Chance mehr. Wenn die Jungtiere kräftig genug sind, bekommen alle Kinder auf der Insel schulfrei und helfen den Schildkröten wieder zurück ins Meer.

Wir fahren zum Strand. Zur Playa Norte, dem schönsten Küstenabschnitt der Insel. Das Wasser ist kristallklar. Der feine, weiche Sand eine Wohltat für die Füße. Ein paar Liegen und Sonnenschirme stehen in der kleinen Badebucht. Eine Holzbrücke führt zu einem Hotel, das hier auf einer Landzunge gebaut ist. Etwas abseits dümpeln ein paar Yachten im Wasser, auf dem Strand liegen verlassen bunte Fischerboote. In den Restaurants wird gespeist. „Hier gibt es den besten Fisch weit und breit“, sagt Sarah. Langusten, Snapper, fangfrischen Fisch mit Shrimpssalat gefüllt oder mit einer scharfen, knoblauchhaltigen Chilipaste bestrichen, in Bananenblätter gewickelt und gegrillt. Um den empfindlichen europäischen Magen gleich zu beruhigen, nehmen wir – warum nicht – doch noch einen kleinen Tequila. Na denn, Salut.