Vom Strandverkäufer zum Museumsbesitzer: Agung Rai folgte dem Rat seiner Ahnen, gründete erfolgreich eine Galerie und bringt heute Dorfkindern die Kultur nahe

Agung Rai, Bauernsohn aus Bali, hatte vor vielen Jahren einen Traum. Als er etwa 20 war und die meisten seiner Freunde davon träumten, als Künstler berühmt zu werden, da erschien ihm im Schlaf einer seiner Ahnen – vermutlich eine Art Alter Ego – und riet ihm von einer solchen Karriere ab. Dafür, so erzählt Agung Rai, der heute als bekanntester Vermittler einheimischer Kunst auf der Insel der Götter und Dämonen gilt, dafür reiche sein Talent nicht aus. Seine Stärken, so sagte ihm der Weise im Traum, lägen viel mehr im Handel, in der Kommunikation, in der Kontaktpflege.

Das leuchtete dem jungen Mann, der schon als Zehnjähriger damit begonnen hatte, an den Stränden von Kuta und Sanur Bilder balinesischer Maler an die Touristen zu verkaufen, durchaus ein. Von dem Erlös dieses ambulanten Kunsthandels kaufte er sich schließlich ein gebrauchtes Moped, mit dem er über die ganze Insel fuhr, wiederum neue Bilder kaufte und so 1978 den Grundstock für seine erste Galerie in Ubud, dem Zentrum balinesischer Kultur und dem Lieblingsort der Individualreisenden, legen konnte.

Agung Rai, der Visionär, war da gerade erst 23 Jahre alt. Aber er hatte seinen Plan, und er hatte sich bereits Kenntnisse angeeignet, die seine Kunden beeindruckten. Besonders intensiv hatte er sich mit der Künstlerkolonie der Europäer beschäftigt, die in den 20er- und 30er-Jahren auf Bali das Paradies gesucht und den „Himmel betreten“ hatten, wie es Vicki Baum, die Schriftstellerin und Musikerin aus Wien, formulierte. Sie gehörte damals zum Kreis um den Deutschen Walter Spies, der zum Entdecker und Förderer balinesischer Kunst wurde. Er verstand als erster Westler die Einheit von überirdisch schöner Kulturlandschaft, tiefer Religiosität sowie der Musikalität und Malerei der Einheimischen, die ihren Alltag und ihre Glaubenswelt spiegelte.

Das war Jahrzehnte später auch der Ansatz von Agung Rai. Sein Vater stammt zwar aus einer hochkastigen Adelsfamilie, deren Stammbaum in neunter Generation auf eines der vielen kleinen balinesischen Königshäuser zurückgeht. Aber so sehr der Senior bis heute in Peliatan, einem Vorort von Ubud, verehrt wird, so hoch sein Ansehen in der Dorfgemeinschaft und im Tempel auch immer noch ist, so einfach und arm war doch die Umgebung, in der Agung Rai aufwuchs: ein typisch balinesisches Bauerngehöft, im Innern auf die kosmische Ordnung der Hindus ausgerichtet, rundherum Reisfelder, Enten, Hühner, Kühe.

In dieser Welt, einem sorgsam austarierten Treffpunkt von Himmlischem und Irdischem, findet Agung Rai, der längst erfolgreiche Hotelier, Museumsbesitzer und Geschäftsmann, nach wie vor seine Mitte. Über seine Galerie, die heute einer seiner vier Söhne leitet, kam er zu Geld und Ehren, wurde Mitglied und Vorsitzender zahlreicher Kulturgesellschaften in Indonesien und weit darüber hinaus. Auszeichnungen renommierter Institutionen in Tokio, Singapur, Peking und San Francisco machten ihn stolz, aber ließen ihn seine Wurzeln nicht vergessen.

Weil „Kunst lebendig bleiben und sich weiterentwickeln muss“, lädt er Dorfkinder zu Schnitz-, Tanz- und Musikkursen in sein Museum ein: „Wir heben dabei Schätze, und das auf spielerische Art.“ Auch die Hotelgäste im Arma-Resort (www.armabali.com), zu dem ein park- und dschungelartiger Garten mit Wasserfall gehört, können sich in balinesischer Volks- und Kochkunst üben oder die Grundlagen des Bali-Hinduismus und der Astrologie kennenlernen.

In der „goldenen Stunde“, zwischen 6 und 7 Uhr, wird gewandert

Mit solchen Aktivitäten, hierzulande vom Asien-Spezialveranstalter Lotus Travel (www.lotus-travel.com) angeboten, lebt der Prinz aus Peliatan seinen Traum aus: „Alles kommt, alles geht, alles fließt, so wie das Wasser auf den Reisterrassen, das unser Korn zum Wachsen bringt.“

Um auch seinen interessierten Gästen etwas von der Seele Balis näherzubringen, wandert er fast jeden Tag mit ihnen zum Hof des Vaters, morgens zwischen sechs und sieben. Man beobachtet in dieser „goldenen Stunde“ gemeinsam, wie sich der Tag aus der Nacht schält und das Dorf erwacht. Zum Abschluss treffen die Spaziergänger bei einer Tasse Tee auf der Veranda von Agung Rais Elternhaus den 92-jährigen Vater, der um diese Zeit schon den ersten Rundgang übers Reisfeld hinter sich gebracht hat.