Ich habe in Seoul mit dem Rauchen aufgehört, und das nicht, weil im Sommer die Luftfeuchtigkeit so hoch ist, dass sich Streichhölzer nicht mehr anzünden lassen – sondern vor allem, weil die koreanische Hauptstadt einen zum Nichtrauchen geradezu verführt. Diese Stadt – kann man das so sagen? – „leidet“ unter Gesundheitswahn. Wer einen ganzen Tag in Myeongdong, dem Einkaufsviertel im Zentrum, verbringt, kann die Anzahl dicker Koreaner an einer Hand abzählen.

Schon am ersten Tag in Seoul fielen mir die Nichtraucherzonen auf. Das heißt, erst findet man sie nicht, denn die Hinweisschilder sind sehr klein und stehen in 100 Meter Abstand. Als ich mir eine Zigarette anzündete, kam sofort eine ältere Frau auf mich zu und wackelte belehrend mit dem Finger. Im Konfuzianismus ist der Körper von den Eltern gegeben, darum sollte man ihn achten. Diese älteren Damen – sie heißen Ajumma – haben ein hohes Ansehen, denn sie erinnern die Jugend an solche Regeln. Als ich bei einem zweiten Treffen mit einer von ihnen noch einen Zug von der Zigarette nahm, zischte die Ajumma etwas auf Koreanisch, von dem ich froh bin, es nicht verstanden zu haben.

Ajummas tragen Marken-Jogginghosen und Wanderhüte aus Outdoor-Material in Neonfarben. Ich hielt das erst für eine Art Gesundheitspolizei-Uniform, bis ich merkte, dass es ein Trend ist, so auszusehen, als könne man jederzeit einen Berg besteigen. Das hat den Vorteil für junge Leute, dass sie gesellschaftskonform figurbetonte Kleidung wählen können. Seouler lieben (sehr) kurze Hosen, obenrum sollte es (sehr, sehr) luftig sein.

Mittags isst der Seouler in einem der Keller-Restaurants, wo an der Wand eine Küchen-Grundregel steht: „Hauptsache, gesund“. In der Tat besteht das Essen vor allem aus Gemüse. Nehmen wir das Traditionsgericht Bibimbap: Bambussprossen, Möhre, Salat, Reis, Kohl, ein rohes Ei und gaaaaanz wenig Rindfleisch. Das Ganze wird im glühend heißen Steintopf serviert und erst dann durchgerührt. Es macht satt, ist nicht stark gewürzt, und durch die Stäbchen wird ein Herunterschlingen verhindert. Dazu gibt es Kimchi – koreanisches Sauerkraut mit viel Chili und vor allem: Vitaminen A, B und C.

Am vergangenen Wochenende fand in Seoul die Asienmeisterschaft von Crossfit statt, einer Art Extrem-Zirkeltraining. In einem Fitnesscenter mit dem originellen Namen Body & Seoul wollte ich mich auch darin versuchen. Nach einer Runde Crossfit war ich so außer Puste, dass ich beschloss, sofort mit dem Rauchen aufzuhören. Auf dem Rückweg kaufte ich mir mein neues Accessoire: einen Outdoor-Rucksack in Neon-Orange.

Jetzt habe ich wie viele Koreaner den Atem eines jungen Rehs, lutsche jeden Tag mehrere Bonbons Anytime (ein Mix aus Milch und Minze), und das Einzige, was mich rückfällig werden lassen könnte, ist das Erlebnis mit einer Taxifahrerin. Sie sah aus wie eine Ajumma, nur ohne Outdoor-Hütchen, zündete sich eine Zigarette an und sagte dass der Smog in Seoul schlimmer sei als alle Zigaretten...