Andreas Peters hat die Tragödie der „deutschen Titanic“ erforscht wie kein Zweiter. Sein Ziel: das Wrack finden

24. Mai 2007, Sonnenschein, glatte, ruhige See. Mit der „Venus“, einem Kriegsfischkutter, war Andreas Peters mit zwei Freunden acht Stunden von Büsum aus an die berechnete Position gefahren: 53 Grad 53 Minuten Nord, 6 Grad 24 Minuten Ost, 18 Seemeilen nordwestlich von Borkum. Sie waren mit gutem technischen Equipment ausgestattet. Als sie auf dem Echolot einen deutlichen Ausschlag sahen, wussten sie: Hier muss sie liegen.

Von der „Cimbria“ hatte Andreas Peters 1998 erfahren. Im Wrackmuseum in Cuxhaven hingen Fotos mit Informationen. Dass sie ein Dampfschiff der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft und 1868 in Schottland gebaut worden war. 3037 Bruttoregistertonnen. Die Dampfmaschine lieferte 1500 PS. Dazu hatte das Schiff zwei Masten mit Rah- und Stagsegeln. 94-mal war die „Cimbria“ von Hamburg nach New York gefahren bis zu dem unglückseligen Tag, dem 17. Januar 1883, als das Schiff nach einer Kollision sank und 427 Menschen ihr Leben verloren.

Es war 124 Jahre später, als die drei Freunde ihr Glück versuchten. Es ist nicht ganz ungefährlich, so nahe am Fahrwasser der großen Pötte zu tauchen. Gekappte Fischernetze, in denen man sich verfangen kann, sind eine Gefahr, und die Sicht in der Nordsee ist generell nicht gut. Manchmal sieht man kaum die Hand vor Augen. Die Fischer nennen das „dickes Wasser“. Fünf bis zehn Meter Sicht sind gut, mehr als 15Meter hat man praktisch nie.

Allein in der Deutschen Bucht liegen etwa 4000 Schiffswracks

Andreas Peters, Jahrgang 1973, lebt in Kaltenkirchen; er ist nautischer Offizier mit Kapitänspatent in der nationalen Fahrt und selbstständiger Schatztaucher. „Ich war schon als Kind ein Wasserverrückter. Als Steppke durfte ich in Hamburg zum Hafen, wenn mein Onkel Ernst-Otto von großer Fahrt zurückkam. Ernst-Otto, das war ein Lebemann, lustig, kernig, wie man sich einen Matrosen vorstellt. Als Teenager war für mich klar: Ich will zur See fahren.“ Doch zunächst machte er ein anderes Hobby, das Tauchen, zum Beruf und eröffnete einen Tauchladen. Eines Tages stand ein Mann vor ihm und sagte: „Ich habe gehört, du bist der beste Taucher hier – ich habe einen Silberschatz gefunden.“ Auf Seekarten war ein Haufen Wracks eingezeichnet. Darunter, zehn Seemeilen westlich von Amrum, das Wrack der „Amstelland“, auf der ein 6,5-Tonnen-Silberschatz liegen sollte.

Mit einem acht Meter langen Schlauchboot ging es auf die Suche. Zum Tauchen war die Nordsee für Peters damals noch unbekanntes Terrain. Sie fanden viele Wracks, aber um an die lukrativen Objekte zu kommen, brauchten sie ein größeres Schiff: 16 Meter lang, dicke Dieselmotoren. Den Silberschatz der „Amstelland“ fanden sie nicht. Aus Archiven auf Sylt erfuhren sie, dass das Schiff geplündert und die Mannschaft erschlagen worden war.

Mit der „Venus“ hat Andreas Peters Zugriff auf Schätze der Nordsee. Allein in der Deutschen Bucht liegen etwa 4000 Wracks. In der gesamten Nordsee sind es wohl 50.000. Da liegen für Milliarden Rohstoffe wie Kupfer und Messing, die in den Schiffen verbaut wurden, Maschinenteile, Bronze, Silber, Gold, Porzellan. In einem Schiff kann man zehn Tonnen Kupfer finden, eine Tonne Kupfer bringt etwa 6800 Euro.

Von der „Cimbria“ brachten Peters und seine Kameraden Hunderte historische Fundstücke nach oben: Porzellanpuppen, Weinflaschen, Hummerschalen. Die Investoren wollten alles verkaufen – eine Gewissensfrage. Weil sie die Geschichte am Leben erhalten wollten, verkauften die drei nichts, sondern konzipierten eine Ausstellung, die demnächst ins Auswanderermuseum BallinStadt kommt.

Der (gekürzte) Text entstammt dem Buch „Inselstolz. Zwischen Strandkorb und Sturmflut. 25 Leben in der Nordsee“, Verlag Ankerherz, 230 S., 29,90 Euro