Kleine Fluchten: Die Jugendherberge Neuharlingersiel verfügt auf 32.000 Quadratmetern über 398 Gästebetten und ist komfortabel wie ein Hotel

Um die wichtigsten Fragen gleich zu beantworten: Nein, wir mussten die Betten nicht selbst beziehen. Nein, Tischdienst gab es auch nicht. Doch, es ist eine Jugendherberge. Man braucht auch einen Jugendherbergsausweis, aber den kann man vor Ort erwerben. Das Essen? Alles andere als Kantine, ganz bestimmt. Und die Zimmer? Könnten im Hotel nicht viel besser sein.

Am 15. März 2013 hat das Deutsche Jugendherbergswerk das DJH Resort Neuharlingersiel in einer ehemaligen Reha-Klinik eröffnet. Die „erste Club-Jugendherberge der Welt“ besteht aus einem guten Dutzend Bauten und liegt inmitten grüner Wiesen, rund einen Kilometer hinterm Nordseedeich. Zum Hafen und zum Strand von Neuharlingersiel sind es zu Fuß etwa 20 Minuten.

Morgens um 10 Uhr begrüßt Hausleiter Ralf Eisenbarth die Neuankömmlinge im Teehuus Kluntje, einem Glaspavillon. Viel Informatives hält er bereit: Insgesamt 32.000 Quadratmeter Fläche hat die Anlage, 398 Betten verteilen sich auf 78 Apartments, sechs Bungalows und das Friesenhaus, ein Hotel im Hotel mit 14 Doppelzimmern. Aktuell kümmern sich 47 Mitarbeiter um das Wohl der Gäste.

An diesem Wochenende geht es ruhig zu, nur knapp jedes vierte Bett ist belegt. Schüler und Tagungsgäste sind nicht da, aber sonst sind alle anvisierten Zielgruppen vertreten, vor allem Familien und Sportler. Mit gleich 70 Gästen ist der Düsseldorfer Hockey Club angereist. Die Rheinländer sind zufällig auf die Jugendherberge gestoßen, haben angesichts der Preise erst „geschluckt“, dann aber doch gebucht. Nun sorgt sich eine Mutter, dass ihre Kinder, wenn es mit der Schulklasse in eine andere Jugendherberge geht, zu hohe Erwartungen haben könnten.

Das vielseitige Programm wird lediglich von den Mahlzeiten unterbrochen

Auch Gerd, 76, und Brigitte Mohr, 75, sind angenehm überrascht. Seit rund 35 Jahren besitzt das Ehepaar aus Lüneburg den Jugendherbergsausweis. Meist buchen sie ein Vierbettzimmer gegen Aufschlag, hier haben sie ein Doppelzimmer mit eigenem Bad und Balkon. Morgens drehen sie ihre Runde durch die Wiesen, „nur zum Wasser ist es ein bisschen weit“, sagt Gerd Mohr.

Für das Marketing des Hauses ist Doreen Ramthun zuständig. Angebote wie Familien-Rallyes oder Stranderkundungen mögen nicht weiter ungewöhnlich sein für eine Jugendherberge. Aber ein Kinderhaus mit Snoozle-Raum und Kreativ-Ecke? Oder ein Wattlabor, in dem Kinder Strandfunde unter die Lupe nehmen können? Er möchte die Annehmlichkeiten eines Clubs koppeln mit dem pädagogischen Gedanken der Jugendherbergen, sagt Eisenbarth. Die „School of Rock“ ist ein gutes Beispiel. Hier hocken Tom und Matthis auf Cajóns und demonstrieren zunächst ein paar Grundschläge. Dann dürfen die Kinder mit Schlagzeug, E-Gitarre und Bass mal so richtig Krach machen ...

Über kurz oder lang begegnet man auch Marion Ammermann. Sie kommt aus der Region, ist also bestens qualifiziert für die Vermittlung von Elementarwissen in Sachen Teetrinken. Gäbe es nicht die Teezeremonie, man könnte glatt vergessen, dass man in Ostfriesland ist. Ammermann ist zugleich Sporttrainerin, und es hat seinen Reiz, wenn sie die Figuren eines neuseeländischen Kriegstanzes in lupenreinem Platt erklärt. „Ein wunderbares Herz-Kreislauf-Training“, sagt sie, „da kommt man so richtig in Wallung.“

Mit Muskelkater begibt man sich am besten zu Ines Schönbohm. Ihre Massagen gehören zu den kostenpflichtigen Angeboten. „Rücken und Nacken“ sind besonders gefragt. Die Heilpraktikerin diagnostiziert die Auswirkungen sitzender Tätigkeit: „Voll verspannt.“

Unterbrochen wird das Programm nur von den Mahlzeiten. Verantwortlich dafür ist Heino K. Meyer. Er hat schon auf der „AIDA“ und der MS „Arkona“ gekocht. Hier muss er allerdings auch rechnen können. „Der Preisrahmen lässt keine Dorade zu“, aber Dorschfilet in Currysahne oder Lachsfilet mit Pistazienkruste tun es ja auch.

22 Uhr. Die Kinder liegen im Bett, die Eltern sitzen im Seecafé. Bis 23 Uhr kann man unter stuckverzierter Decke am Riesling nippen. Zu später Stunde greift Tom noch mal zur Gitarre – da ist es wieder, das Jugendherbergs-Gefühl.