Vor Ort in Chinas Hauptstadt kann man sich auf der Suche nach der leckersten Spezialität durch alle berühmten Restaurants schlemmen – und ist am Ende auch nicht schlauer

Zunächst überwiegt die Skepsis. „Glauben Sie mir, der schmeckt gut“, ermutigt mich Han Zhiyuan, der uns im Pekinger Entenrestaurant Da Dong gegenübersitzt. Ja, aber wie soll ich den zweigeteilten, gebratenen Entenkopf essen, der zwar schön angerichtet ist, aber bis auf die Augen komplett vor mir liegt? Der Chinese macht es vor. Mit Stäbchen greift er nach einer Hälfte, die kurz darauf komplett im Mund verschwindet. So elegant wie unauffällig nagt er sie ab, bis nur einige kleine Knochen auf dem Teller landen und bei mir kulinar-abenteuerlustige Neugier siegt.

Viel dran ist nicht, aber das, was dran ist, schmeckt nach der Marinade, ein bisschen sogar nach Lebkuchen. Die Entenköpfe sind aber ohnehin nur Nebensache. Exotisches Amuse-Bouche vor dem Hauptgang, von dem normalerweise viel zu viel übrig bleibt: der Pekingente, bei der sich alles nur um die ultraknusprige Haut und das zarte Brustfleisch darunter dreht. Von der „Ente süß-sauer“, bei der das Fleisch bisweilen etwas zu zäh, die Fettschicht zu dick ist und die Haut zu unknusprig gerät, könnte die Pekingente nicht weiter entfernt sein. Seit der Ming-Dynastie, also seit einigen Jahrhunderten, ist sie eine immer weiter verfeinerte Delikatesse. Einst war sie einer der Gänge am kaiserlichen Hof. Heute wird das aufwendige Gericht in mehreren Restaurants in der chinesischen Hauptstadt angeboten – in unterschiedlichen Varianten. „Auch für Chinesen ist es kein alltägliches Gericht, sondern wird zu besonderen Anlässen verzehrt“, sagt Touristenführer Han, der uns auf der kleinen Tour-de-Pekingente begleitet.

Unter den Restaurants der Stadt gibt es zwei Klassiker. Die älteste Kette, Bianyifang, wurde bereits 1416 gegründet. Die bekanntere ist allerdings die vor knapp 150 Jahren gegründete Quanjude. Helmut Kohl hat da schon Pekingente gegessen. Fidel Castro auch. Und an der Filiale, die wir in der Qianmen-Straße ansteuern, lacht uns von den Fotos auf den Bildschirmen noch eine Reihe weiterer prominenter Besucher entgegen. Berühmtheiten laufen uns heute nicht über den Weg, und auch sonst ist kurz vor der Mittagszeit noch nicht so viel los. Die Kapazitäten im klassischen China-Ambiente sind beeindruckend: Etwa 1000 Enten landen hier für Massenspeisung pro Tag erst am Haken, dann mit einem Schwung im Ofen und schließlich auf einem kleinen Wägelchen. Das schiebt ein Entenkoch zum Tisch des Gastes, wo er das rotbraun geröstete Tier mit scharfen Messern präzise zerlegt.

Deutlich intimer ist das Peking Duck Private Kitchen. Etwas versteckt befindet sich das Restaurant im Business-Distrikt Chaoyang, im Erdgeschoss eines der zahlreichen Bürohochhäuser. Die Einrichtung ist modern, aber rustikal, mit viel Holz und kleinen Vogelkäfigen, die als Lampen von der Decke hängen. Vorn haben wir durch große Fenster freien Blick auf die Küche und den Ofen, in dem am Tag nur rund 70 Enten geröstet werden. Die aufwendige Vor- und Zubereitung zieht sich über mindestens einen Tag. „Die Enten werden durch ein kleines Loch ausgenommen, das wieder verschlossen wird“, erklärt Koch Ma Yong Li die einzelnen Schritte. „Dann werden sie durch ein weiteres kleines Loch im Hals aufgeblasen, damit sich die Haut vom Fleisch löst und ganz knusprig wird.“ Nach dem Einpinseln mit einer Malz-Zucker-Honig-Marinade kommen sie einen Tag in die Kühlung und hängen dann mit Wasser gefüllt für eine Stunde bei penibel kontrollierter Temperatur von etwa 300 Grad im Ofen.

Auch das Verspeisen des Mahls findet in mehreren Schritten statt. Vorweg reicht uns der Kellner einige Hautstücke, die wir in Zucker dippen und die, knusprig süß, fast auf der Zunge zergehen. Dann folgt der Hauptgang mit feinem, saftigem Brustfleisch und noch mehr Haut. Statt Reis als Beilage bekommen wir Crêpes-dünne Pfannkuchen, in die die Ententeile mit fein geschnittenem Gemüse wie Gurke und Frühlingszwiebel und einer süßlichen Sojasoße eingewickelt werden. „Die Soße gehört zu den entscheidenden Komponenten“, sagt Wang Li, die zum Finale noch die Suppe aus den Enten-Überbleibseln bringt. „Dafür hat jedes Restaurant eine eigene, geheime Rezeptur.“

Im Hilton in Peking, der nächsten Enten-Tour-Station, wird sie beispielsweise mit Austernsoße kredenzt. Auch sonst ist das traditionelle Enten-Ritual dort etwas aufgebrochen. „Wir haben die drei Gänge um zwei Variationen erweitert“, sagt Executive Chef Jeffery Siew, während er zusammen mit Cocu HuYu, dem Entenspezialisten des Hotels, die Gerichte in der offenen Küche zubereitet. Als Viertes richten sie frittiertes Brustfleisch mit Erdnusskrumen auf Salat an. Schließlich folgt noch Entenfleisch im Burrito-Style, also eingerollt in feste Weizentortillas.

Zurück im Enten-Tempel Da Dong, in dessen Chic-Interieur nur kleine Details wie die Stäbchenhalter auf ein Entenrestaurant schließen lassen. Auch dort können wir beim Essen die Öfen beobachten, in denen sich die Flammen am Dattel- oder Birnenholz hochzüngeln. Die Enten werden hier als „super lean duck“, also besonders magere Ente, angekündigt. „Die Haut verliert durch den Fettgehalt oft Knusprigkeit“, sagt Chefkoch Chang Huabing, der die Zubereitung wie für Enten-Köche üblich drei Jahre lang gelernt hat.

Aber welche Ente in Peking die beste ist? Das ist nach dieser Tour schwer zu sagen. „Darüber gibt es auch sehr unterschiedliche Ansichten“, sagt Han, während er sich mit seinen Stäbchen noch einen letzten Entenfuß angelt.