Sobald ein neuer Donna-Leon-Krimi erscheint, macht sich ein Filmteam auf in die Lagunenstadt, um ihn an Originalschauplätzen fürs TV zu drehen

„Glühende Sommerhitze ‚ferragosto‘ soll laut Romanvorlage in Venedig herrschen“, sagt Regisseur Sigi Rothemund. Er bleibt gelassen, auch wenn die Dreharbeiten für Donna Leons „Auf Treu und Glauben“ kurzfristig vom ‚aqua alta‘ verzögert werden, dem berüchtigten venezianischen Hochwasser. Die Boote mit der Filmausrüstung passen an diesem Tag teilweise nicht mehr unter den Brücken hindurch. Und bis das nasse Kabel, das beim Dreh einen Kurzschluss verursacht hat, endlich gefunden ist, braucht es fast zwei Stunden. Produzenten, Produktionsleiter, Kamera- und Lichttechniker wie auch die Schauspieler drehen nicht etwa durch – nein. Sie sind geübt in Sachen Geduld, bewahren gute Laune, nehmen einen Espresso, lesen, stricken, machen Yoga oder ein Nickerchen. Schon am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne. „Wir haben Glück“, freut sich der Regisseur.

Unerledigte Gerichtsakten, dazu die etwas nervige Tante von Sergente Vianello und eine Leiche vereiteln des Commissarios Sommerfrische in den Alpen. „Auf Treu und Glauben“ ist Donna Leons respektive Brunettis 19. Fall. Schauspieler Uwe Kockisch gibt diese unaufdringliche, nachdenkliche Figur charmant und alterslos. Auch Karl Fischer, sein treuer Sergente Vianello, genießt, wie alle Mitwirkenden und Darsteller dieser TV-Produktionen, die Dreh-Aufenthalte in der Lagunenstadt. Eindeutiges Credo: Möge Donna Leon noch viele Brunetti-Krimis schreiben.

Auch Produktionsleiter Jürgen Schott ist die Ruhe selbst. Lange vor dem Drehstart ist er vor Ort, kennt jeden Winkel der sechs „sestieri“, der Stadtteile. Weiß die schnellsten Verbindungen mit Vaporetti, Traghetti und Gondeln. Kennt als Feinschmecker viele authentische Restaurants, denn ein opulentes venezianisches Mahl gehört beim Team zu den Höhepunkten der gemeinsamen Arbeit. Im La Cantina zum Beispiel stellt Küchenchef Francesco Zorretto spontan opulente, knackfrische Menüs zusammen. „Sarde in saor con polenta“, die typisch venezianischen, süßsauren Sardinen mit Sultaninen, Pinienkernen und Polenta, werden besonders gern geordert von TeamWorx-Produzent Benjamin Benedict. Auch der Commissario hat Lieblingsgerichte, vor allem wenn Gattin Paola kocht. Eines davon sind Fusilli mit grünen Oliven, gereicht mit Parmesan und ganzen Basilikumblättern. Das jedenfalls behauptet Donna Leon in ihrem Kochbuch, das sie gemeinsam mit Roberta Pianaro schrieb: „Bei den Brunettis zu Gast“. Und Donna Leon muss es ja schließlich wissen.

La Serenissima! Die schönen Filmmotive machen auch den Brunetti-Tifosi Lust auf einen Venedigbesuch. Sie durchkämmen die Stadt vorrangig auf der Suche nach den im Roman genannten Originalschauplätzen, um sie mit den Filmbildern abzugleichen, heften sich an die Fersen der Protagonisten. Unerschrockene sollen schon mal bei den ahnungslosen Vianellos in Cannaregio geklingelt haben.

Uwe Kockisch gibt die unaufdringliche Hauptfigur – charmant und alterslos

Es ist aber auch verwirrend. Im Roman ist das Polizeipräsidium, die „Questura“ am Fondamente die San Lorenzo. Im Film befindet sie sich am Campo della Confraternità – dem Platz mit den Säulen, den Brunetti vielfach, mal in Eile, mal gemächlich, überquert. Die echten venezianischen Cops haben ihr Domizil aber ganz unspektakulär an der Calle Carmelitani. Für Filmszenen in „Fulgonis Bank“ muss das Ehepaar Fulgoni, das heißt die Schauspieler Stipe Erceq und Jeanette Hain, zum Palazzo Della Regione an der Fondamente Santa Lucia. Die Bar Ancora und die Bar Rialto im Stadtteil San Polo am Campo San Giacomo di Rialto geben die Kulisse für „Homo“-Kneipen, die in der neuen Folge eine Rolle spielen. In den Räumen des ehrwürdigen Conservatoria di Musica Benedetto Marcello im Stadtteil San Marco erklingt üblicherweise Musik. In „Treu und Glauben“ dagegen wird hier Recht gesprochen. Was würden Brunetti-Sympathisanten wohl darum geben, mit ihm einmal auf dessen Dachterrasse mit einem Sprizz anzustoßen. Doch nur vom Wasser aus ist ein Blick hinauf möglich. An der Stelle, wo Rio di San Polo mit Rielo de le Erbe auf den Canal Grande treffen.

Tatsächlich gibt es noch Bezirke, Piazze und Campi mit überraschenden Duftnuancen und Geräuschimpressionen, die nicht überlaufen sind, man muss sich nur in die Seitengassen wagen. Wo die Einwohner in kleinen Gärten spazieren oder zum „chiacchiare“, zum Plauschen, auf einer Bank sitzen. Ganz sicher sprechen sie nicht über den Commissario, sie wissen gar nichts von seiner Existenz. Auf ausdrücklichen Wunsch von Donna Leon gibt es keine Übersetzungen ins Italienische.

Auf der Wasserterrasse des Hotelrestaurants La Calcina im Stadtteil Dorsoduro trafen sich Guido Brunetti und seine Frau schon, als sie frisch ineinander verliebt waren. Beim Lunch oder Dinner ziehen hier täglich Kreuzfahrtschiffe und die Fähre nach La Giudecca vorbei. Wer weiß, möglicherweise guckt der Commissario nebst Gattin auf einen „Ombra“, ein Glas Wein, vorbei...

Commissario Brunettis 19. Fall „Auf Treu und Glauben“ sendet die ARD an diesem Sonnabend um 20.15 Uhr.