Regelmäßig liest die pensionierte Lehrerin Susanne Dircks in einer Kirche der Halbinsel plattdeutsche Geschichten vor

„Selbst wenn der Teufel mich zum Tanzen auffordern sollte, so schlüge ich es ihm nicht ab!“ – das junge Mädchen auf Eiderstedt war übermütig, die Mutter warnte es. War es doch die flinkste und beste Tänzerin weit und breit und tanzte die Männer schwindelig auf so manchem Fest. So geschehen vor 100 und 100 Jahren im Herrenhaus Hoyerswort, als sie dort einst eine große Hochzeit feierten; damals auf Eiderstedt.

Susanne Dircks erzählt Geschichten. Kerzen brennen auf dem Altar der St.-Stephanus-Kirche in Westerhever, hart am Rand der Halbinsel Eiderstedt. Längst hat sich die Nacht über das Land gelegt, der Wind drückt aufs Gotteshaus und schüttelt die Bäume auf dem alten Friedhof. Dicht an dicht sitzen die Gäste im dunklen Kirchenschiff und lauschen den alten Geschichten, vorgetragen mal auf Platt, mal auf Hochdeutsch. Märchenstunde in Nordfriesland.

Dass die Geschichte von dem Mädchen kein gutes Ende nimmt, ist klar. Gebannt zuhören tun die Leute trotzdem. Susanne Dircks kann das; spannend erzählen und die Zuhörer fesseln. In den Bann schlagen, mit Eiderstedter Sagen und Märchen. Diese wundersame Atmosphäre mit Kirche und Kerze, ihre schöne Tracht, die sie trägt. Die leise, doch eindringliche und akzentuierte Stimme, mit der sie auf das unaufhaltsame Ende zusteuert. Halt, mag man rufen, Mädchen, hör auf zu tanzen! Doch Susanne Dircks erzählt weiter. Draußen heult der Wind. Geisterstunde.

Das Mädchen tanzte und tanzte. Plötzlich schlug die Tür auf, und ein Fremder trat ein. Forderte das Mädchen zum Tanzen auf, just in dem Augenblick, als es der Mutter frech erklärte, dass es selbst mit dem Teufel tanzen würde. Das Mädchen, das keine Aufforderung ausschlug und so gern tanzte. Der Fremde aber, das war der Teufel. Er schwenkte das Mädchen herum und herum, und es musste tanzen, tanzen, tanzen – bis ihm das Blut aus dem Mund schoss und es tot umfiel. Blutspuren im Saal sieht man noch heute. Und das Mädchen, das so gern tanzte, das hat noch immer keine Ruh.

„Jede Nacht, Punkt Mitternacht, muss sie aus dem Grab in den Tanzsaal. Dann bricht Musik los, und jeden...“, Susanne Dircks hebt die Stimme und blickt ins dunkle Kirchenschiff, wo die Leute ganz still sitzen, „...jeden, der zufällig eine Nacht in dem Saal schläft, fordert sie zum Tanz auf. Tut es ein Christenmensch, so ist sie erlöst.“

Sie glauben das nicht? Fahren Sie hin nach Hoyerswort, das einzige Herrenhaus auf Eiderstedt ist eine Sehenswürdigkeit und allemal einen Besuch wert. Mit Café, Museum, Töpferei, den vielen Tieren. Gehen Sie hinauf in den Tanzsaal mit dem knarrenden Holzfußboden, am weißen Mauerwerk hängen Wandteppiche. Fragen Sie nach der „Tänzerin und dem Teufel“. Vielleicht wird jemand den einen, den bestimmten Wandbehang zu Seite heben. Darunter ist ein Blutfleck – wie lange schon, weiß man nicht. Wie oft schon haben sie ihn überstrichen – verschwinden tut er nicht. Wer traut sich, bis Mitternacht zu bleiben? Selbst hartgesottenen Burschen, die es darauf haben ankommen lassen, ist die Lust auf einen Tanz zur Geisterstunde vergangen, als der Nachtwind die leisen Klänge einer Violine herantrug.

In Hamburg geboren, zog Susanne Dircks 1965 von der Hansestadt hinter den Deich und kam als junge Lehrerin an die Volksschule nach Uelvesbüll, dann nach Hemmerdeich und später an die Grund- und Hauptschule in Oldenswort. Auf Eiderstedt war Susanne Dircks genau richtig gelandet, „...mich fasziniert die Weite der Landschaft, der unverbaute Blick in die Ferne – und jeden Tag erlebst du an der Nordsee eine andere Stimmung!“ Auf der Halbinsel lernte sie den Landwirt Jann Dircks kennen und lieben: „Wir heirateten im Juni 1968 in der kleinen Kirche hinter dem Deich, Standesamt war die beste Stuuv des Bürgermeisters.“

Jeden ersten Montag im Monat liest Susanne Dircks in Zusammenarbeit mit der Messe Husum Kindern vor (Erwachsene sind auch willkommen) – und zwar auf Platt. „Versöök dat mol“ heißt die Reihe, in der plattdeutsche Geschichten erzählt und gespielt werden. Dann ist wieder Märchenstunde.