Beim Törn auf der Nordland-Route mit einem Kreuzfahrtschiff der MSC-Flotte wechseln sich stille Momente in beeindruckender Natur mit mediterraner Partystimmung an Bord ab

Eine blonde Animateurin mit rosa Hasenohren bringt einen Rentner auf dem Sonnendeck dazu, mit ihr zu „YMCA“ von den Village People zu tanzen, während die „MSC Magnifica“ in die Ostsee gleitet. Dem älteren Herrn wird so heiß, dass er sich bis auf das Unterhemd auszieht. Was für den einen Zuschauer Grund zum Fremdschämen ist, ist für andere einfach nur Spaß. Denn darum geht es den 2600 Passagieren an Bord des ausgebuchten Kreuzfahrtschiffes. Animation, Musik, Showprogramme und erstklassiges Essen gehören auf der siebentätigen Nordeuropatour mit Stationen in Norwegen und Dänemark dazu. Dann ist es auch nicht so schlimm, wenn es an vier von sieben Reisetagen regnet.

Das Klischee trifft zu: Der typische Kreuzfahrer hat das Berufsleben meistens schon hinter sich. So wie Wolfgang Pasternak und seine Frau Angela, beide 65, aus München. Mehr als 100 Übernachtungen haben sie schon auf Kreuzfahrtschiffen der italienischen Reederei MSC verbracht, und für jede Übernachtung gibt es einen Punkt. Wer 100 Punkte erreicht hat, wird zum Captains Dinner eingeladen. Für die Pasternaks ist das eine große Ehre. Zum Dinner im Quattro Venti, einem von fünf Restaurants, gibt es unter anderem eine gemischte Fisch-Grillplatte oder Pasta mit Meeresfrüchten. Wie es das Bordprogramm für diesen Abend empfohlen hat, ist elegante Kleidung erwünscht. Der Kapitän lässt sich an diesem ersten von zwei Captains Dinners allerdings von einem seiner italienischen Offiziere vertreten, weil das Navigieren in Norwegens Fjorden schwierig ist und der Captain auf der Brücke sein muss.

„Wir sind süchtig nach Kreuzfahrten“, sagt Herr Pasternak. Man sei jeden Tag woanders, aber müsse keinen Koffer schleppen. Das Gepäck bleibt schließlich immer an Bord. Man habe ein sehr gutes Hotel, gutes Essen und ein schönes Abendprogramm. Landurlaube kommen für die beiden gar nicht mehr infrage.

An Land gehen die Pasternaks aber wie die meisten anderen Passagiere dann doch, nämlich an den Ausflugstagen. Am dritten Tag der Seereise tauchen beim Blick aus der Balkonkabine morgens kurz nach Sonnenaufgang die Fjorde Norwegens auf. An den Hängen sind die typischen Holzhäuschen in Weiß und Rot zu sehen. Meistens mit eigenem Bootssteg. 15 Prozent aller Norweger haben mindestens ein Boot. Ganz irreal erscheinen die Berge in der Morgendämmerung nach einem ganzen Tag auf See, ganz ruhig gleitet das 293 Meter lange und 32 Meter breite Schiff durch die grüne Fjordlandschaft.

Das erste Ziel der Reise ist Flåm. Der Ort mit 450 Einwohnen liegt im innersten Teil des Aurlandsfjords, eines Seitenarmes des 204 Kilometer langen und bis zu 1308 Meter tiefen Sognefjord. Nach einer Fahrt mit der Flåmsbahn hoch oben im Gebirge an der Bahnlinie Oslo–Bergen geht es mit dem norwegischen Tourguide Gudmund, was übersetzt „Gottes Mund“ heißt, auf eine mehrstündige Wanderung hinab ins Tal. Gudmund spricht fast perfekt Deutsch, obwohl er niemals in Deutschland war. Er erzählt, dass der Fjord im Sommer nicht wärmer als 15 Grad wird und die Norweger dennoch darin baden. Weil von Mitte November bis Mitte Februar kaum Sonne in das Tal scheint, sagt er noch: „Wir existieren im Winter und leben im Sommer.“ Er selbst übrigens wird nach Saisonende im November nach Gran Canaria fliegen.

Zurück auf dem Schiff wärmt ein Sauna-Besuch im Wellness-Bereich wieder auf, eine Massage lockert die verspannten Rückenmuskeln. Wie so häufig auf dieser Reise wirkt alles seltsam surreal. Draußen ist raues Norwegen, drinnen der liebliche Süden. Die höheren Ränge der 959 Crew-Mitglieder kommen aus Italien, der Rest der Mannschaft stammt aus 43 weiteren Nationen. Auf dem Programm steht ein italienischer Abend mit der Wahl des „Mister Made in Italy“ in einer der Lounges, die mal im Tigerlook gestaltet sind, mal Ametista Lounge heißen und mit lila Farbgebung an einen Amethysten erinnern sollen. Im Royal Theatre kündigt Kreuzfahrtdirektor Sandro Pistolesi die Show „Allegro“ an. Bis zu sieben verschiedene Shows führen die Künstler auf, jeden Tag zweimal. 20 erstklassige Tänzer, Akrobaten und Sänger aus aller Welt stehen dann auf der Bühne. Das sind die lebhaften, lauten Momente an Bord.

Und dann sind da die stillen, sehr beeindruckenden Augenblicke, wenn das Schiff auf dem Weg von den Fjorden aus Bergen, Stavanger und Oslo zurück ins offene Meer navigiert. Wer die Fahrt aus den großen Panoramafenstern verfolgen will, sollte auf das À-la-carteMenü in den feineren Restaurants verzichten und das Naturschauspiel lieber vom 13. Deck im Büfettrestaurant betrachten. Dort werden abends keine Vorhänge zugezogen. Und beim Abendessen mit Helga und Rainer aus dem niedersächsischen Gifhorn, die ihre Amateurfunkfreunde Karsten und Gunda auf der Kreuzfahrt begleiten, sind sogar Delphine zu sehen, die neben dem Schiff schwimmen.

Dass Bergen zu den regenreichsten Städten Europas zählt, zeigt die zweitgrößte Stadt Norwegens am nächsten Tag. Mit Fremdenführerin Beate, die eine Stimme hat wie die norwegische Sängerin Wencke Myrrhe, geht es auf eine Trekkingtour. So nennt sich der organisierte Ausflug im Programmheft der „MSC Magnifica“ etwas hochtrabend. In Wahrheit ist es eine gemütliche Wanderung, die mit der Fahrt der Fløibanen beginnt und etwas oberhalb der Stadt durch einen Wald führt – Nieselregen und kalter Wind inklusive. An einem See bleibt die Gruppe stehen. Beate erklärt: „Hier lernen schon Kindergartenkinder Kanu fahren.“ „Naturkinder“, sagt eine deutsche Rentnerin, „die werden bestimmt 100 Jahre alt.“

Für den achtjährigen Elias aus Berlin ist der Spaziergang durch den Wald mit seiner Großmutter eine schöne Abwechslung zum Leben an Bord. Auch, wenn es dort ein Kinderunterhaltungsprogramm für alle Altersstufen zwischen drei und elf Jahren gibt, ist es doch etwas anderes, durch den Wald toben zu können, Stöcke aufzusammeln, in Pfützen zu laufen.

Auch Kreuzfahrtneulinge wie die Schwestern Nina, 18, und Vivien, 14, aus dem bayrischen Memmingen sind begeistert: Sie waren am dritten Abend in der Borddisco und hatten ihren Spaß. Für sie ist die Reise nach Norwegen etwas ganz Besonderes: „Unser Vater kommt aus Norwegen, wir waren aber noch nie hier“, sagt Nina. Die Eltern seien längst getrennt, die Mädchen reisen zusammen mit ihrer Mutter. „Es ist so schön, mit dem Schiff zwischen den Fjorden zu fahren“, sagt die Ältere. Das sei ein Gefühl wie damals, als sie mit 13 Jahren das erste Mal in Paris mit ihrem Koffer die Straßen entlanglief. Ein Abenteuer eben.

Ein Abenteuer, das sich aber vielmehr wie ein Kuraufenthalt anfühlt. An Bord muss sich der Gast um fast nichts kümmern. Weder um das gemachte Bett und frische Handtücher in der Kabine, noch ums Kochen. Langweile kann hier eigentlich nicht aufkommen. Immer ist etwas los. Bingo-Nachmittag, Aerobic am Pool, Tanzstunden, Quizspiele, Karaoke. Tennis, Basketball, sogar Joggen ist an Bord möglich. Oder man zieht sich mit einem Buch in die eigene Kabine zurück. Einfach mal allein sein, das ist auch ganz schön.

Dass es beim Landausflug in Stavanger schon wieder regnet, ist weniger schön. Immerhin ist der Vormittag trocken und ideal für einen Stadtbummel durch das kleine Städtchen mit den bunten Holzhäusern, den Designerläden und Cafés. Sympathisch ist dieser Ort, in dem Menschen aus 171 verschiedenen Ländern leben, selbst dann noch, als es Stunden später beim Besuch des einzigen Klosters in Norwegen, Utstein, außerhalb der Stadt in Strömen gießt. Fremdenführerin Ingfrid versucht zu trösten: „Der liebe Gott findet, dass Stavanger gewaschen werde muss.“

In der größten Stadt Norwegens, die gleichzeitig Hauptstadt ist, scheint endlich die Sonne. Oslo empfängt die „Magnifica“ sowie andere Kreuzfahrtschiffe mit blauem Himmel, Sonne und Wärme. Und welch ein Luxus, im Bett liegen zu können, während das Schiff in den Kreuzfahrtterminal „einparkt“, dabei vibriert und schließlich festmacht. Der Kreuzfahrtterminal ist zentral gelegen, gleich neben der Hafencity von Oslo. Genau wie in Hamburg entstehen auch dort am Wasser neue Quartiere. Der wesentliche Unterschied ist wohl das Wasser: Während in der Hansestadt trübes Elbwasser fließt, ist das Fjordwasser hier glasklar. In einem Teil des neu errichteten Hafengebietes, das Aker Brygge heißt, gibt es sogar eine Bucht, wo man die Füße ins Wasser halten kann. Nina und Vivien aus Memmingen haben für ihren Aufenthalt in Oslo ein Tagesticket für Bus und Bahn gekauft. Damit sind sie bis zur Skisprunganlage auf dem Berg Holmenkollen oberhalb der Stadt gefahren. Außerdem können Touristen in Oslo auf Citybikes die Stadt erkunden.

Ebenso in Kopenhagen, was zu empfehlen ist. Denn der Fußweg ins Zentrum, vorbei an der Kleinen Meerjungfrau aus dem Märchen von Hans Christian Andersen, erscheint länger als gedacht. Helga und Rainer aus Gifhorn hat der Stadtbummel in Kopenhagen angestrengt. Die Reise mit der „MSC Magnifica“ war ihre vierte Kreuzfahrt in diesem Jahr. Im Dezember bleiben die beiden ausnahmsweise an Land. Es geht in ein Hotel auf Madeira: „Zum Erholen“, wie sie sagen.