Mein morgendlicher Arbeitsweg führt über zwei Hauptbahnhöfe. Vom Haupteingang in Lübeck zum Gleis sieben, in Hamburg wieder ab Gleis sieben durch die Wandelhalle zur U-Bahn. Auf den etwa 250 Metern Strecke zweimal abrupt gestoppt, ein beherzter Rösselsprung auf High Heels, einige kurzfristige Schlenker - das ist der Teil des Pendleralltags, der auf mich wirkt wie ein doppelter Espresso, danach bin ich wach.

Deshalb gilt mein Dank an dieser Stelle dem US-Piloten Robert Plath. Er soll 1987 den Trolley, den Koffer auf Rollen, erfunden haben. Zumindest trieb er als Erster Produktion und Vermarktung dieses nützlichen Utensils voran. Ob der Mann ahnte, dass im heutigen Jahrzehnt auf Flughäfen und Bahnhöfen alle völlig auf der Rolle sein würden und der durchschnittliche Reisende sich um etwa einszehn nach hinten verlängern sollte? Den meisten von denen ist selbst nicht bewusst, dass sie von einer Stolperfalle verfolgt werden. Sie queren meine Wege, als hätten sie gar kein Anhängsel. Immerhin kündigt es sich durch vibrierendes Dröhnen an - der Passant passiert, das Gepäck lässt mich a) abstoppen oder b) beiseitehüpfen. Na klar, einige Blessuren gab es schon, aber Schlimmeres als blaue Flecken oder Kratzer von Rollen auf meinen Stiefeletten war zum Glück noch nicht dabei.

Vorbei die Zeiten, da Reisekoffer noch am Mann getragen wurden. Das Tragen gehörte ehemals zum Reisen wie Ken zu Barbie. Besonders schwere oder viele Lasten wurden auf einen Gepäckwagen geladen, die umgerechnet 50 Cent Kleingeld fürs Münzpfandsystem hatte man parat. Heute sieht man die Kofferkulis kaum noch, sie wurden wie Karl der Käfer aus ihrem natürlichen Umfeld verdrängt. Jetzt rollt alles wie von selbst. Hochgewachsene Geschäftsleute im Anzug ziehen Businesscases an langen Teleskopstangen nach sich. Letztens hatte einer sogar an jeder Hand einen fest im Griff. Selten habe ich etwas gesehen, das noch unsexyer aussah! Jede Wette, der durchtrainierte Ken trägt immer noch Barbies Gepäck. Die Rücken- und Bauchmuskulatur der Durchschnittsstädter aber ist so degeneriert, dass Kofferheben gleich einen Bandscheibenvorfall verursacht. Trolleys scheinen unverzichtbar zu sein.

Und so tummeln sich mehr als 300 Hersteller auf dem äußerst lukrativen Markt, dessen Zukunft gesichert ist: kaum ein Vierjähriger, der noch keinen Rolltoffer sein Eigen nennt! Schulkinder tragen Ranzen längst nicht mehr auf dem Rücken. Diese Generation wird wohl bald den Trolley "hop!" benutzen, einen selbst fahrenden, sensorgesteuerten Koffer, den der Spanier Rodrigo Garcia Gonzalez bisher nur als Prototyp vorgestellt hat.

Lustige Gegenbewegung wäre ein Koffer zum Anziehen, kürzlich von Reporter Markus Pönitz ausprobiert. Die "Jaktogo" mit 13 Taschen wurde entwickelt, um Gepäckgebühren zu umgehen - hat auch geklappt, aber nach dem Selbsttest, schreibt der Autor, hätten seine Schultern und sein Rücken geschrien. Nach Feierabend in der Wandelhalle könnte niemand dieses Schreien hören. Donnergrollen erfüllt das Gebäude - geschätzte drei Teenie-Schulklassen mit Rollgepäck schwärmen zu den Gleisen, ich folge in gemessenem Sicherheitsabstand. Da fällt mir in der Gruppe ein langhaariges Mädchen auf. Mit lässig-aufrechter Haltung trägt es seine Segeltuchreisetasche geschultert und sieht irgendwie aus wie die Tochter von Barbie und Ken aus der Abenteuer-Edition. Hach - wie schön!