Kleine Fluchten: Der Wasserturm in Waren steht oben auf dem Nesselberg. Vom Rundumbalkon haben die Gäste einen tollen Blick auf die Müritz.

Eigentlich sollte es nur eine Datsche werden. "Wir wollten für unseren Freundeskreis ein schönes Plätzchen im Grünen", sagt Christian Thommes. Als eines Morgens seine Partnerin eine Immobilien-Anzeige mit dem Wasserturm an der Mecklenburgischen Seenplatte sah, war der junge Architekt sofort wie elektrisiert.

Hoch auf dem Nesselberg in Waren an der Müritz stand der runde, denkmalgeschützte Turm, keine 400 Meter vom größten deutschen Binnensee entfernt und direkt am Eingang zum Müritz-Nationalpark. Allerdings hatte keiner im Freundeskreis allein so viel Geld, um den Turm zu kaufen. Aber was einem nicht gelingt, dass klappt oft gemeinsam. Nachdem die Stadt Waren sich zwischen fünf Mitbewerbern für das Konzept der Berliner entschieden hatte, gründeten die Freunde 2009 eine Genossenschaft, die sie "Bewahren Ferienhaus eG" nannten.

Jörg Leerahn aus Waren macht die Turmbetreuung vor Ort und zeigt voller Stolz die vier Ferienwohnungen. Sie kommen ganz ohne das muffige Flair aus, das vielen Urlaubsunterkünften sonst so anhaftet. Über eine Außentreppe steigt man bis in den vierten Stock. Hier gibt es einen Rundumbalkon mit einem fantastischen Blick auf die Müritz und auf die Feisneck, einen kleinen See. Die Wohnungen Pankow, Güstrow, Hagenow und Kargow sind alle individuell gestaltet, mit Dusche oder Bad, Balkon oder Terrasse. Platz ist für zwei bis sechs Personen. Man kann aber auch den ganzen Turm mieten, mit bis zu 14 Gästen. In jeder Wohnung gibt es eine moderne Küche, im vierten Stock ist sie besonders groß, sodass alle Turmbewohner an einem großen Tisch gemeinsam essen können. Die Wohnung im Erdgeschoss ist behindertengerecht.

Bis 1963 versorgte der 1897 in Betrieb genommene Wasserturm die Stadt Waren mit dem richtigen Wasserdruck. "Noch Anfang der 1990er-Jahre wohnte hier der letzte Wassermeister", sagt Jörg Leerahn, "der hatte Wohnrecht auf Lebenszeit, danach verfiel das Ganze." Erst zehn Jahre später hat die Stadt Waren das Dach saniert, den Rest übernahmen weitere sieben Jahre später die Freunde. Im Inneren des Turms war ein großer Wasserkessel, der mit einer Flex zersägt werden musste. "Das ging nicht anders", sagt Christian Thommes. Im Turm durfte wegen der Brandgefahr nicht geschweißt werden. Der Kesselboden wurde als Gestaltungselement gelassen, aus den Eisenteilen fantasievolle Lampen gebaut. Einfallsreich ist auch die Rundumheizung, die unten an den fast ein Meter dicken Turmwänden verläuft. Es gibt in jeder Wohnung WLAN, aber keinen Fernseher. Genosse Jörg hat aber ein paar historische Radiokassettenrekorder spendiert. Den Namen "Genosse" findet er gut: "Das klingt heute witzig, gerade weil ich ja früher kein SED-Genosse war, die Bonzen sich aber immer untereinander mit Genosse anredeten."

Es ist außergewöhnlich, im Winter hier zu übernachten. Der Wind pfeift ums Haus, und inmitten des Stadtwaldes ist es ein wenig unheimlich. Doch die Genossen haben einen Korb mit Holzscheiten neben den Kaminofen gestellt. Auch der Weinkeller mit der Kasse des Vertrauens ist aufgefüllt.

Am Morgen strahlt die Sonne durch sechs Fenster. Frische Brötchen gibt es fünf Minuten die Straße hinunter beim Bäcker Lebzien. Während die Kaffeemaschine gluckert, kann man schon mal einen Blick auf die Müritz werfen. Ist der See zugefroren, geht es raus zum Schlittschuhlaufen. Besser ist nur die Warener Sole. Neben dem Wasserturm liegt das nagelneue Kurzentrum. Und nach der Kurbehandlung geht es zurück in den Turm - zum Mittagsschlaf.