Mit kreativer Energie lockt Tristan Niewisch Gäste in seine Goslarer Kleinkunstbühne

Ein ausgedientes Kraftwerk in bester Lage, mit dem der frühere Betreiber nichts mehr anzufangen weiß; ein ideenreicher und gut vernetzter Veranstalter von Kleinkunst-Festivals, die seit Jahren ein begeistertes Publikum weit über Goslar hinaus anziehen - das passt doch bestens zusammen. Wenn dann noch eine Truppe unterschiedlicher Talente ehrenamtlich bereit ist, das alte E-Werk in eine witzige Powerstation umzubauen, ohne das Industriedenkmal äußerlich zu verändern, dann liegt wohl ein Glücksfall vor.

Der Mann, der das alles vor zehn Jahren angeschoben hat, heißt Tristan Niewisch. Sein Vater war, wie sich denken lässt, Richard-Wagner-Fan. Tristan allerdings, von Haus aus Mess- und Regeltechniker und von Beruf selbstständiger IT-Manager, steht weniger auf große Oper, viel mehr für geniale Kleinkunst. Hauseigentümer Harz-Energie, großzügiger Förderer von Sport und Kultur in der Region, stellt noch immer das Gebäude mietfrei zur Verfügung, in dem Tristan und seine 20 aktiven Helfer äußerlich wie inhaltlich immer aufs Neue für Überraschungen sorgen.

So zum Beispiel mit einem Kassenhäuschen, das sie aus einem alten Kino gerettet haben, mit drei ausgedienten Orgelpfeifen aus der Goslarer Marktkirche, die nun im Kulturprogramm den Pausenton geben, und mit Toiletten, die man den totalen Wahnsinn nennen oder auch als Erlebniszentren bezeichnen könnte. Sie sind mit Hunderten Kleinanzeigen solcher Art tapeziert: "Elastische Gummi-Crepe-Leibbinde nach Dr. Kaiser, kgl. Hoflieferant" (im Damen-WC) und der Anpreisung des "Wohlmuth'schen elektro-galvanischen Apparats zur Erhaltung der Lebenskraft" in der Männer-Abteilung.

Viel Spaß also und vor allem ein Programm mit Künstlern aus der Ersten Liga der norddeutschen Comedians. Tristan Niewisch, ein Hamburg-Fan, holt sich regelmäßig Anregungen bei Alma Hoppe und in den Fliegenden Bauten. Seine Kontakte sind so gut, dass zum Beispiel ein Stefan Gwildis gerne nach Goslar kommt. Und Detlev Wutschik alias "Herr Momsen, der Klappmaul-Komiker" redet im Kulturkraftwerk über "die Widrigkeiten, die das Leben als Mensch und Puppe mit ständigem Begleiter" so mit sich bringen.

Das Angebot reicht von Oldie- und Rock-Nächten mit der Hamburger Kult-Band "Boerney und die Trip Tops" über Jazz-Events und Kabarett vom Feinsten bis hin zu Klassik-Abenden (mit Tristan, aber ohne Wagner). Höhepunkt sind jedes Jahr die Goslarer Tage der Kleinkunst, die immer am Freitag nach Pfingsten beginnen und zehn Tage dauern. Tristan Niewisch, ein Kraftpaket, das ständig unter Strom steht, hat längst einen Teil der Familie in den freiwilligen Dienst am Frohsinn eingespannt: Frau Ute hilft im Büro, Sohn Lutz, 15, betreut die "Kulturkraft-Zwerge" und Tochter Rosemarie, 21, ist mit ihrem Studienfach Mediendesign auch schon in der richtigen Spur.

Das Niveau und die Atmosphäre des Kulturkraftwerks von Goslar haben sich bis Braunschweig, Hildesheim und Hannover herumgesprochen. Niewisch und seine fröhliche Power-Truppe sind dennoch auf dem Teppich geblieben: "Die Provinz hat Charme", sagen sie - und Preise, von denen Hamburg nur träumen kann: ein Glas Wein an der Bar oder ein halber Liter Gose-Bier, das Traditionsbräu aus Goslar, kosten jeweils drei Euro. Und wenn mal wieder jemandem vor Begeisterung, zum Beispiel über Till Reimers und seine "Wuttankstelle für aggressiv Gehemmte", die Frisur aus der Fasson gerät, hilft eventuell eine Anregung aus der Annoncen-Sammlung im Klo weiter: "Onduliere dich selbst - mit Thalysia-Edelformen."

Informationen: www.kulturkraftwerk.de