Wer keine Lust hat, alleine Urlaub zu machen, kann sich mit Gleichgesinnten verbünden. Spezialveranstalter helfen dabei.

Das Leben eines Singles ist nicht immer ein leichtes. Insbesondere dann nicht, wenn er die schönsten Tage im Jahr - den Urlaub - am Katzentisch verbringt, damit er nicht die Familienidylle oder das Liebesglück seiner Mitreisenden stört.

Wer eine Reise für Alleinstehende bucht, muss keine Angst haben, als Aussätziger zu enden. Einige Reiseveranstalter haben sich bereits auf Singlereisen spezialisiert. "Unser Motto lautet: Nichts muss, alles kann", sagt Steffen Butzko, der mit einem Freund im März 2008 das Unternehmen Adamare gründete, das sein Angebot auf die Bedürfnisse von Alleinstehenden abgestimmt hat. Er verspricht einen ungezwungenen Urlaub mit anderen Singles im gleichen Alter. Immerhin leben in Deutschland elf Millionen Singles.

17 von ihnen treffen sich nun am Flughafen im spanischen Málaga, um gemeinsam Andalusien zu entdecken. Dort wartet bereits Reiseleiterin Kordula. Sie verteilt Schlüsselbänder mit den jeweiligen Vornamen, so soll das Kennenlernen leichter fallen. Sich beim Vornamen nennen schafft Nähe. Die Reisenden, alle zwischen 35 und 55 Jahre alt, duzen sich auch gleich. Das Schild mag trotzdem keiner öffentlich zur Schau tragen. Ein wenig verschämt hängen die Touristen sich diese um den Hals, denn auf den Schlüsselbändern ist gedruckt, wofür Adamare steht: Singlereisen. Das Wort hinterlässt einen komischen Beigeschmack. Niemand möchte bedürftig wirken.

Doch Außenstehenden bleibt kaum Zeit, einen Blick auf das Schild zu erhaschen, denn die Gruppe geht schon zum Bus. Da sind die Singles unter sich und der Anhänger schnell vergessen. Auf dem Weg ins Hotel nach Novo Sancti Petri an der Costa de la Luz nehmen auch die Gespräche schnell Fahrt auf, nachdem Kordula Sekt ausgeschenkt hat. Die Stimmung ist gut, der Urlaub kann beginnen. Schnell wird klar, die Teilnehmer sind sich sympathisch. Und noch etwas zeichnet sich deutlich ab: Niemand kam mit der Erwartung, hier die große Liebe zu finden. Für die rosarote Brille haben alle schon zu viel erlebt. Einige sind geschieden, manche verwitwet, viele haben Kinder.
Andere sind beruflich stark eingespannt und geschäftlich viel unterwegs. So wie Stefanie aus Berlin. "Ich suche nicht aktiv", sagt die 40-Jährige. Sie ist sonst immer mit Freunden verreist. Diesmal wollte sie unabhängiger sein. Sie sah einen Reisebericht über Adamare. "Dort wurde betont, dass es sich nicht um eine Ballermann-Reise mit Verkupplungsspielen handelt", sagt Stefanie, die im Business Consulting arbeitet. Ein Punkt, der ihr sehr wichtig war. Im Job muss sie viel leisten. "Da möchte ich mich wenigstens im Urlaub einmal entspannt zurücklehnen und anderen die Organisation überlassen", sagt Stefanie. Im vergangenen Sommer war sie mit dem Reiseveranstalter bereits in Portugal. Hotel und Programm haben sie damals überzeugt, sodass sie zur "Wiederholungstäterin" wurde. In der Gruppe gibt es davon einige. Das spricht vielleicht nicht für eine erfolgreiche Verkupplungsquote, aber dafür, dass das Reisekonzept bei Singles gut ankommt.

Urlaub unter Gleichgesinnten hat sich auch Dieter erhofft. Ein Freund überredete den 48 Jahre alten Polizisten aus Weinheim, die Reise zu buchen. "Der ist vor zwei Jahren mit Adamare verreist und war begeistert", sagt Dieter. Er selbst hätte sich wohl von dem Begriff "Singlereisen" eher abschrecken lassen. "Das hat so einen Touch von Verkuppeln und peinlichen Kennenlernspielchen", sagt der sympathische Mann. Das ist etwas, worauf er gut verzichten kann. Was er aber auch nicht noch mal braucht: sich im Urlaub wie das fünfte Rad am Wagen fühlen, weil man als einziger Single im Hotel an den Tisch einer Familie gesetzt wird. Das hat er vor Jahren auf einer USA-Reise erlebt.
Ähnliche Erfahrungen hat Gabi aus Koblenz gemacht, die ihren letzten Urlaub in einem Wellness-Tempel verbrachte. Was sie bei der Buchung überlesen hatte, war der Zusatz Romantikhotel. Die hübsche Frau verbrachte den Urlaub allein unter Frischverliebten. "Der Höhepunkt war ein Pärchenabend, den ich als einzige Singlefrau mit lauter turtelnden Paaren verbringen musste", sagt sie.

Das kann ihr in diesem Urlaub nicht passieren. Beim gemeinsamen Abendessen im Hotel sitzen alle an einem Tisch. Schnell kristallisiert sich ein Thema heraus: das komplizierte Beziehungsgeflecht von Mann und Frau. Ein Thema, zu dem jeder was beisteuern kann. So manches Klischee kommt auf den Tisch und sorgt für herzhafte Lacher. Es bleibt von der Damenwelt nicht unbemerkt, dass sich die Herren zusammengesetzt haben. "Wir rotten uns zur Verteidigung zusammen", sagt Gerd aus Chemnitz. Das starke Geschlecht ist mit sechs Vertretern wie auf den meisten Singlereisen etwas unterrepräsentiert. Nur Christian aus Leidersbach scheint darin einen Vorteil zu erkennen. Er hat sich unter die Damen gemischt. "Christian, das finde ich toll", sagt Erika anerkennend. "Ich auch", antwortet er trocken. An diesem Abend bleibt das nicht der letzte Lacher.

Am nächsten Tag steht ein Strandspaziergang auf dem Programm. Die Teilnahme ist freiwillig - alle sind dabei. Nur die Namensschilder bleiben im Hotel. Barfuß über Sand, die Sonne scheint, der Atlantik rauscht, und die Singles tauschen Informationen aus: woher man kommt, was man so macht. Programmierer, Werbefachfrau, Unternehmer, Polizist, Sachbearbeiter beim Arbeitsamt - die Gruppe ist bunt gemischt. Mittags in der Taverne teilen sich alle Tapas.
Wer will, kann jetzt noch Ganztagsausflüge nach Sevilla und zu den Pueblos blancos, den weißen Dörfern, dazubuchen. So kann jeder entscheiden: Schließe ich mich der Gruppe an oder unternehme ich etwas auf eigene Faust und treffe die anderen erst zum gemeinsamen Abendessen im Hotel wieder?

Anscheinend haben die wenigsten das Bedürfnis, allein zu sein. Am nächsten Tag ist der Bus voll besetzt. Auf dem Weg zum weißen Dorf fährt der Bus an Salzwiesen mit Flamingos und einzelnen Muschelsuchern vorbei. Zahara de la Sierra liegt direkt an schroffen Felsen und stahlt schon von Weitem wie eine Braut am Hochzeitstag. Die Gruppe bummelt durch mit Orangenbäumen gesäumte Gassen. Schattige Cafés laden zum Verweilen ein. Doch der Weg führt in der Mittagshitze hinauf zu einer maurischen Festung. Links und rechts des Weges säumen fleischige Kakteen den Weg. In einige Blätter haben Paare ihre Namen geritzt.
Die Zeugnisse der Liebe sind den Wanderern egal. Denn der Blick wandert hinunter auf das einladende Blau eines Stausees. Doch von einem kühlen Bad können die Touristen jetzt nur träumen. Schließlich erfordert ein weiterer Programmpunkt, den Zeitplan einzuhalten. Beim Besuch einer kleinen Olivenfarm empfängt die Dame des Hauses die Gäste mit iberischem Schinken, Ziegenkäse und hauseigenem Weißwein. Gänsegeier kreisen in der Hitze über den mit Olivenbäumen gesäumten Hainen, während sich die Gruppe im Schatten über die lokalen Köstlichkeiten hermacht.

Zwei Tage später in Sevilla begegnet den Singles dann doch noch die Liebe - zumindest die Hoffnung darauf. In der Kathedrale von Sevilla, wo auch die Gebeine von Christoph Kolumbus ruhen, verweist Fremdenführerin Estella auf die Kapelle von San Antonio. Zu ihm beten Alleinstehende seit Jahrhunderten, er möge ihnen den Segen der Liebe zuteil werden lassen. Bei Estellas Großmutter habe dies wunderbar funktioniert, wie sie uns versichert. Sie selbst sei allerdings noch nicht erhört worden. Wenn San Antonio alle Gebete erhören würde, müsste Adamare wohl auch das Konzept ändern.