Die kleinste der drei Bay Islands in der Karibik vor Honduras lockt mit Walhaien, schwarzen Leguanen und einem Flair wie vor 50 Jahren.

Schwebt er oder schwimmt er? Überall ist Ozean, dennoch gleicht der Walhai einem Luftschiff, so ruhig, wie er durchs Wasser gleitet. Nur ab und zu bewegt er sich wie in Zeitlupe seitwärts, um voranzukommen. Seinen massigen Körper bedecken Bambiflecken, sein Maul ist leicht geöffnet, als wolle er signalisieren: Ich tue niemandem etwas, obwohl ich Flossen wie ein Hai habe, denn ich fresse nur Plankton und kleine Fische.

"Manchmal sehen sie uns an, als ob sie mit uns kommunizieren wollen", erzählt Jessica Engel von der Utila Lodge auf der Insel Utila; das seien dann die großen magischen Momente beim Tauchen. In die Kunst des Walhaitauchens wies sie noch ihr Vater Jim ein. Utila hat dem vor ein paar Jahren verstorbenen US-Amerikaner viel zu verdanken. Er professionalisierte das Tauchangebot und schaffte die erste Druckkammer an, vor allem aber machte er die drittgrößte der Bay Islands vor Honduras zum Zentrum der Walhaiforschung - bis heute dem einzigen in der Karibik. Denn in ihren Gewässern kann man die sanften, bis zu zwölf Meter langen und 20 Tonnen schweren Riesen ziemlich oft von Februar bis April und August bis September sichten, mitunter sogar in den übrigen Monaten. Den größten je gesichteten Walhai tauften die Fischer Old Tom. Und wenn die Alten von ihm erzählen, wird er jedes Mal größer.

Das Whale Shark & Oceanic Research Center (WSORC) befindet sich direkt vor der Utila Lodge an der einzigen Hauptstraße von East Harbour. Drum herum: Restaurants in bunten Bretterbuden, Pensionen in pastellfarbenen Gingerbread-Häusern mit Blumentöpfen auf den Veranden, Palmen und blühenden Hibiskussträuchern in den Vorgärten, Bars, Tauchschulen und Krämerläden mit herausquellenden Getränkekästen und Obstkisten. East Harbour ist nicht nur ein Dorf, es ist überhaupt der einzige Ort der nur elf Kilometer langen und vier Kilometer breiten Insel. An beiden Enden eingefasst von kleinen Stränden, biegt es sich um eine schöne natürliche Hafenbucht. Fast alle 2500 Insulaner, ein buntes Völkergemisch aus Paya-Indianern, Garifuna, Spaniern und Engländern mit viel Piratenblut, leben hier. Den Rest der Insel bedecken Mangroven.

An der Fassade des WSORC prangt ein aufgemalter Walhai. Drinnen nimmt Helder Pérez, ein junger Meeresbiologe aus der Hauptstadt Tegucigalpa, mit freundlichem Latinolächeln Buchungen für Tauchgänge entgegen und beantwortet Fragen. Auf seinem Schreibtisch sieht es nach Arbeit aus, im Raum stapeln sich Informationsbroschüren. Er spricht fließend Englisch, erläutert die Walhai-Identifizierungsmethode (die Flecken an der Vorderflosse sind bei jedem Walhai anders angeordnet) und wie Freiwillige helfen können (indem sie Fotos von Flecken für die Photo-ID Library ECOCEAN machen). Er erklärt auch, was an diesem größten Fisch der Welt so geheimnisvoll ist ("Niemand hat je eine Paarung oder eine Geburt dieser Einzelgänger gesehen"). Dann sieht er auf die Uhr und sagt: "Lust auf einen Spaziergang?"

Es geht kurz hinauf auf den Stewarts Hill und dann in die Iguana Road. Triumphierend öffnet Helder das Tor zur Iguana Station: "Hier wird mit ei-ner deutschen Gesellschaft gearbeitet!" Die Begrüßung mit der jungen Biologin Andrea Martinez ist herzlich - Jungwissenschaftler unter sich. Im Hintergrund werkeln zwei Männer an hohen Käfigen. "Freiwillige Helfer", erklärt Andrea, "sie qualifizieren sich hier für ihr Biologiestudium - auch Deutsche kommen immer wieder."

In der Station dreht sich alles um eine nur in den Mangrovensümpfen Utilas heimische Leguanart: den Ctebosaura bakeri oder Utila-Leguan. Bei den Einheimischen Wishiwilli genannt, gehörte er so lange zu ihren Leibspeisen, bis er als verschollen galt. Doch 1994 fand der Deutsche Gunther Köhler, damals Doktorand der Universität Frankfurt, in den Mangroven ein Männchen. Noch im gleichen Jahr konnte er die Regierung von Honduras dazu bewegen, den Leguan unter Naturschutz zu stellen. Und begann ein paar Jahre später mit Unterstützung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt mit der Nachzucht.

Mit beachtlichem Erfolg. Die fingerlangen Jungleguane sind voller Energie. Wer es bei der Fütterung nicht gleich bis zum Trog schafft, verbeißt sich kurzerhand in seinen Nachbarn. Nur mit Mühe gelingt es Andrea, sie zu trennen. Die Nachzucht klappt so gut, dass sich manchmal zu viele der kleinen Leguane einen Käfig teilen müssen, bevor die Auswilderung ansteht. Dabei geht ohne die freiwilligen Helfer fast nichts. Sie machen sich bei der Tierpflege und Forschung nützlich, bei der Gartenarbeit, bei Reparaturen, sogar bei der Werbung. "Selbst Lehrer können wir brauchen", sagt Andrea, "für die Umwelterziehung an Utilas Schulen."

Geschenkt wird den Helfern nichts. Die Reise muss selbst bezahlt werden, Unterkunft gibt es in der Station. Bei einer Aufenthaltsdauer von vier bis zwölf Wochen kostet sie pro Woche 55 Euro; wer länger bleibt, zahlt etwas weniger. Viel Komfort darf dafür nicht erwartet werden. Aber Luxus passt ohnehin nicht zu Utila - es sei denn der Luxus der Tropen wie reichlich Sonne, blühende (Unterwasser-)Gärten und ein familiäres Flair. Damit ist Utila reichlich gesegnet. Und wer seine Ruhe will, setzt mit dem Wassertaxi über zu einer der vorgelagerten Palmeninseln, zum Beispiel nach Water Cay. Es sollte nur nicht gerade das erste Wochenende im August sein, denn dann findet dort das Sun Jam statt, das größte Techno-Musikfestival der Karibik.