Es war vor einigen Jahren an der Costa del Sol. Zwischen Meer und Autobahn ein Wall von Betonblöcken, Ferienorte ohne Gesicht. Im Hotel lärmten junge Leute am Pool, später betrunken an der Bar, danach auf einem Zimmerbalkon. Plötzlich spitze Schreie junger Frauen und Männergebrüll. Dann ein Klatschen, kurze atemlose Stille, danach Hektik. Menschen am Pool, die sich um einen Bewusstlosen kümmerten, Jammern, Weinen, eine kreischende Mutter. Sanitäter kamen und luden einen jungen Mann auf ihre Trage, fuhren los mit Sirenengeheul. Später hieß es, der Engländer, 18 Jahre, habe den kühnen Sprung von einem Balkon im vierten Stock überlebt, sei aber querschnittsgelähmt. Er wollte in den Pool springen, hatte den Abstand zum Wasser falsch eingeschätzt, klatschte auf die Kacheln. Balconing, wie das Balkonspringen gemeinhin genannt wird, kann schmerzhaft und tödlich sein.

Heute kann man auf dem Internet-Videoportal YouTube Hunderte Videos solcher Szenen sehen, Balconing ist Teil der Party. Junge Männer balancieren aufgedreht an Balkongeländern herum, werfen sich vor Mädchen in die Brust, lassen sich von Freunden auf die Schulter klopfen, fassen Mut oder sind vom Alkohol enthemmt. Zwar landen die meisten Sprünge im Wasser, dann gibt es donnernden Applaus. Aber hin und wieder neben dem Pool. Es gibt keine weltweiten Zahlen, Hoteliers reden ungern über das Thema - aber Balconing fordert alljährlich Todesopfer.

Von Mallorca kommen erstmals Zahlen. Im April und Mai dieses Jahres flogen zwei britische Jugendliche aus dem Hotelzimmer in den Tod, im Juni stürzte ein 17-jähriger Portugiese vom Balkon, zwei Wochen später folgte ihm ein 19 Jahre alter Abiturient aus Hessen. Beide starben im Krankenhaus. Sechs junge Männer soll der riskante Sprung im ersten Halbjahr das Leben gekostet haben. Paul Abrey, britischer Konsul auf den Balearen, hat jetzt die Kampagne "Überlasst das Springen den Profis" gestartet. 2010 sind beim Balconing allein in Spanien mehr als 20 Touristen gestorben. Der Trend hält an, im Urlaub machen junge Männer verrückte Sachen aus Übermut und Selbstüberschätzung.

Balconing ist dumm. Ein Sprung ins Ungewisse. Abrey hat Hotels aufgefordert, das auf Schildern zu verbieten. Aber Hoteliers wollen "keine negativen Botschaften in ihren Hotels haben". Er will, dass Animateure und Mitarbeiter am Pool aufklären, vor allem im Südwesten Mallorcas (wo es wie in Lloret de Mar, einem Ort des Billigtourismus, die meisten Opfer gab). Der mallorquinische Hotelverband mauert. Abrey verlangt Alkoholeinschränkungen, verschärfte Drogenkontrollen, mehr Wachleute und gespannte Sicherheitsnetze. Das alles kostet Geld. Der Hotelierverband spricht von einzelnen "Unfällen". Der Konsul setzt weiter auf Aufklärung: Keine Mutproben als Party-Hotspots, keine Handy-Videos, kein Verharmlosen durch die Hotellerie mehr.