Die Färöer sind eine “gleichberechtigte Nation“ innerhalb des Königreichs. Sie haben eine eigene Sprache und auch manch eigene Traditionen - wie Walfang.

Nie habe ich eine so weiße Katze gesehen, die nicht grau am Schwanz war", heißt ein altes Sprichwort der Färinger. "Aldri sá eg so hvítan ein katt, hann var ikki gráur um halan", lautet es in Färöisch, diesem kantigen skandinavischen Mischmasch aus Isländisch und Dänisch - und bedeutet kurzum: Nichts ist perfekt.

Für die Färöer, eine mitten in die Weiten des Ozeans getupfte dänische Inselgruppen- Exklave, heißt das: Besucher sollten Abstriche bei den Erwartungen an das Wetter machen. Nass und kalt ist es, im Winter genauso wie im Sommer selten wärmer als zehn Grad - als rau ließe sich das Klima bezeichnen, allerdings sorgt es gleichzeitig für ganz ungeheuerliche Schönheiten. In einer Minute verhüllt Nebel die Inseln, dann lässt die Sonne im kühlen Licht der nördlichen Breitengrade das Grün der Hügel, das Weiß der Schafe und das Blau des Meeres leuchten. Kein Wunder also, dass das Magazin "National Geographic" die Färöer im Jahr 2007 auf Platz 1 der schönsten Inseln der Welt wählte - und umso besser, dass sie trotzdem noch weit entfernt sind vom Massentourismus.

Hamburgs nördliche Nachbarn: Kopenhagen+++

17 der 18 Inseln sind ständig bewohnt - mit insgesamt rund 48 000 Einwohnern, von denen ein knappes Viertel in Tórshavn (gesprochen Torschaun), Europas kleinster Hauptstadt, lebt. Es ist der urbanste Fleck der Inseln mit einer Handvoll Restaurants entlang der Hafenmeile, einem kleinen Einkaufszentrum, einem Krankenhaus, einem Naturkundemuseum, einer Kunstgalerie, einer Touristeninformation und - angesichts der Temperaturen fast erstaunlich - einem Eis-Laden. Morten Overgaard bedient hier, ein zugereister Däne aus Kopenhagen, Mittzwanziger und ein bisschen Typ "Aussteiger". Es ist nicht viel los, draußen ist es kalt und regnerisch, Morten serviert heiße Schokolade und beginnt zu erzählen: Seit vier Jahren sei er hier, gekommen mit seinem Fußball-Team, geblieben wegen der Liebe - und weil ihm das Lebenstempo hier gefällt. "Die Menschen sind freundlich, es gibt kaum Kriminalität, und in der Kneipe kann man sogar auf dem Tisch seine Kreditkarte liegen lassen, ohne dass sie gestohlen wird."

Den Ruf des Lamm-Frommen haben die Insulaner in Kreisen europäischer Tierschützer allerdings nicht - Walfang ist bis heute eine, will man es nicht abschreckend formulieren, gepflegte Tradition. Als Nahrungserwerb gilt der Mehrzahl der Bewohner die Hetzjagd auf Grindwale, eine Delfinart, die im Hochsommer hier ihre Jungen aufzieht. Mit Booten werden die Tiere in die Buchten getrieben und, begleitet von großem Zuschauerspektakel, per Hand getötet, bis sich die See blutrot färbt. Der Widerstand gegen die Jagd wächst jedoch, zumal der Verzehr des Walfleischs ob seines hohen Quecksilbergehalts und seiner Dioxinbelastungen längst in die Kritik geraten ist. Selbst die färöische Gesundheitsbehörde rät inzwischen von dem Verzehr ab. Dennoch: In Supermärkten gibt es das Fleisch in den Tiefkühltruhen, auch in Restaurants ist es zu haben, wenngleich in aller Regel erst auf Nachfrage.

+++Walfleisch ist mit Schadstoffen belastet +++

Die Färinger können allerdings auch naturverbunden sein. Einer, der die heimische Fauna besonders achtet, schätzt und kennt, ist Jens Kjeld Jensen. Eigentlich ist der Mann gelernter Koch, doch in vogelkundlichen Fachkreisen hat er sich über die Jahrzehnte ein internationales Renommee erarbeitet. Einige seiner vielen Bücher über die färöische Vogelwelt sind in jedem Museum der Insel zu bekommen.

Jensen wohnt auf Nolsoy, einer 250-Seelen-Insel mit Fährverbindung nach Tórshavn. Am Dorfrand hat Jensen ein winziges Haus. Ein Museum hat er hier eingerichtet, durch seinen Wohnflur geht es vorbei an Gummistiefeln und dicken Jacken direkt hinein bis in die kuriose Sammlung aus ausgestopften Vögeln, Knochensammlungen, Federn und manch lebendem Getier. "Meine Frau sagt, ich arbeite nicht, ich gehe nur meinem Hobby nach", erzählt Jensen und stimmt seiner Gattin schmunzelnd zu. Er verdient sein Geld mit Führungen zu Vogelnistplätzen, besonders jene nächtlichen zu der weltgrößten Sturmschwalbenkolonie sind legendär.

Es gibt allerdings eine Sache, die Jensen noch mehr interessiert als die Welt der Vögel, wenngleich sie auch in direktem Zusammenhang mit ihnen steht: Flöhe. "Es gibt viel mehr Floharten als Vogelarten", erklärt er, "allerdings sind sie nicht ganz so einfach zu finden." 239 Floharten seien insgesamt nachgewiesen, zwei neue Spezies habe er entdeckt. Irgendwie stolz klingt es, wie Jensen das erzählt und schließlich auch noch die entsprechenden Sammlungsartefakte - Flohpräparate für die Mikroskopbetrachtung - in säuberlich sortierten Ordnern entsprechend präsentiert. "Es ist ein kleines Tier, aber die Art hat eine riesige Vielfalt. Wenn man ins Mikroskop schaut, sieht man die Unterschiede." Die einen haben "große Augen" oder eine "lange Nase" - und besonders am Geschlechtsteil würde man die Rassenunterschiede erkennen.

+++Freiwillig als "Vogelpieper" auf der Insel im Wattenmeer+++

Leicht lässt sich mit Jensen ins Plaudern kommen wie überhaupt mit den Menschen auf den Inseln, für die Begegnungen mit Fremden Seltenheitswert haben. Auch Högni Thomsen ist einer dieser sturmerprobten Insulaner; einst Fischer, heute Rentner. Tages- und Jahreszeiten ordnen seinen Tag - und die Kirche auf Nolsoy. Jeden Sonntag liest er für die Gemeinde aus der Bibel, nur einmal im Monat kommt der Pastor. Immer sitzt Högni in Reihe 15 in der weißen Kirche von 1863, immerhin wohnt er auch in Haus Nr. 15.

Eine Kirche, ein Hotel, eine Teestube, ein kleines Museum, ein Kiosk - das ist die Infrastruktur Nolsoys, wo bis vor 20 Jahren noch eine Fischfabrik das Leben bestimmte. Tourismus ist die Haupteinnahmequelle - wenngleich auch das ein überschaubares Spektakel ist: Etwa 1000 Gäste sind eingetragen im akribisch geführten und für jeden einsehbaren Gästeprotokoll im familiär geführten - und einzigen - Hotel Kaffistovan. Viele Schweden und Dänen kommen, aber auch Briten und US-Amerikaner. Häufig führt Bára Traustadóttur die wenigen Gäste. Eigentlich ist sie Lehrerin, aber sie mag es, anderen Geschichten ihrer Insel zu erzählen: von Piraten am "Hausberg" Eggjarklettur, von den großen Blauwal-Zähnen, die als Portal des Ortes die Besucher begrüßen, oder vom Volksfest "Ovastevna", aus dessen Anlass seit Jahren Geld für den Bau eines lokalen Schwimmbades gesammelt wird - die Kinder Nolsoys sind bis heute allesamt Nichtschwimmer.

Viele der kleinen Inseln eignen sich für kurze oder längere Besuche. Inselhopping, bei dem zwei Programmpunkte keinesfalls ausgelassen werden dürfen: ein Ausflug nach Vestmanna und die Insel Mykines. Eine Tour zu den zerklüfteten Felsen von Vestmanna ist wie eine Reise in eine tolkiensche Welt. Das Boot ruckelt sich durch die wilde See, mit Feingefühl und nautischem Geschick lassen die Bootsführer ihre Gefährte zwischen die spitzen Felsen gleiten - und geben den Blick auf Höhlen frei, in denen Abertausende von Vögeln brüten und sich der Schall des ohrenbetäubenden Gurrens und Flügelschlagens an den Felswänden bricht.

Mykines ist für viele Besucher die schönste der 18 Inseln. Schon die Anfahrt mit der Fähre ist spektakulär: Sie führt durch die aufgewühlte See, vorbei an Felsformationen und Leuchttürmen. Eine steile Felstreppe lotst Besucher in den Ort, nur ein karges Gasthaus mit Jugendherbergskomfort gibt es und nicht einmal 20 Einwohner. Es ist eine mehrteilige Insel, an deren Holm ein Leuchtturm trotzt, der über eine etwa zweistündige Wandertour zu erreichen ist - vorbei an Schafen und auf einer frei schwingenden Brücke über eine Schlucht hinweg, in der Papageientaucher, der färöische Nationalvogel, in bunten Scharen brüten.

Wer nach Mykines kommt, muss sich selbst genug sein. Delia Cicarelli ist so ein Mensch. Schon zum zweiten Mal ist die italienische Illustratorin hergekommen. Mit Block und Malutensilien stapft die junge Frau bei Wind und Wetter vor die Tür, immer wieder geht sie zu den Vogelfelsen, um Papageientaucher zu studieren: ihren Flügelschlag, die Bewegungen der Wellen, das Licht auf Gras und Meer. "Diese Ruhe finde ich sonst nirgendwo", erzählt sie beim Abendessen, "und auch die Inspiration, die mir diese Insel schenkt, ist das Beste, was mir passieren kann." Ihre Augen blitzen: "Dafür nehme ich auch in Kauf, dass ich seit Tagen mit einer schlimmen Erkältung ob der Kälte zu kämpfen habe". Und es klingt, als sage sie: "Nie habe ich eine so weiße Katze gesehen, die nicht grau am Schwanz war."