Das schönste Reiseziel ist für fast jeden Menschen das Gleiche: die Heimat. Nirgendwo ist man so willkommen, nirgendwo kennt man sich schon so gut aus, nirgendwo zahlt man so wenig für eine Unterkunft. Meistens reicht ein Blumenstrauß für Mama. Der darf sogar an der Tankstelle gekauft werden; Hauptsache, der Check-in erfolgt nicht erst mitten in der Nacht.

In meinem Fall lautet die Traum-Destination Dinklage. Ein schnuckeliger Ort in Niedersachsen. Es gibt dort zwar weder Kino noch Gymnasium, dafür aber riesige Gärten, erstklassige Reiter und ein Schützenfest, das selbst das letzte Mauerblümchen in einen brennenden Dornbusch verwandelt. Ja, ein Kloster gibt es vor Ort auch.

Früher lag Dinklage knapp zwei Stunden von Hamburg entfernt; seit der Mutation der A 1 in eine nahezu lückenlose Baustelle sollte man mindestens drei einrechnen. Vorausgesetzt, es stellt sich nicht noch ein Schweinetransporter, die in dieser Region Deutschlands sehr häufig unterwegs sind, direkt vor einem quer auf die Strecke.

Aber egal, wie lange die Anreise dauert. Einer wartet garantiert und geduldig auf einen: der Klatsch. Zu Hause gibt es stets jede Menge neue Geschichten. Das ist ein Animationsservice, den selbst der beste Ferienklub nicht leisten kann. Ob an der Supermarktkasse, beim Friseur oder sogar im Klostercafé - die dort erzählten Storys ersetzen jeden Urlaubsroman. Sie handelten bereits von Männern, die zu früh von einer Dienstreise heimkehrten. Von Arzthelferinnen, die ihren Kittel nicht erst zu Hause ausziehen. Von Verlassenen, die mit einer Zeitungsanzeige über eine angebliche Schwangerschaft Rache üben wollten. Sogar ein Mörder, der über den Balkon kam, war schon dabei.

In der aktuellsten Geschichte spielt ebenfalls die Polizei eine Rolle. Den örtlichen Metallbauer erinnerte sein Dinklage immer mehr an den Petersplatz. Zu viele Tauben. Und weil ihm das Venedig-Gefühl in der niedersächsischen Tiefebene nicht gefiel, griff er zum Luftgewehr. Seine Trefferquote war erwartungsgemäß enorm (Schützenfest!), jedoch landete eine Taube im Garten des Nachbarn. Und nicht nur in dessen Garten, sondern auf seiner Terrasse. Korrekter gesagt nicht nur auf der Terrasse, sondern direkt in der Schwarzwälder Kirschtorte. Das Geschrei war groß; in den Augen des Nachbarn hatte der Metallbauer damit wirklich den Vogel abgeschossen, und so rief er die Polizei. Die konfiszierte das Luftgewehr, über dessen Verbleib nun verschiedene Geschichten kursieren. Angeblich besitzt es inzwischen der Ferrari-Sammler, der zum Zeitungskaufen gerne in das 50 Kilometer entfernte Osnabrück rast, um seine Autos zu bewegen.

Ja, in der Heimat haben manche Leute einen Vogel, aber sie ist unterhaltungsmäßig ein Schlaraffenland. Ein Ort, wo einem die Tauben in den Mund fliegen. Sogar mit Sahne.