Catherine und Phil sind Kalifornier, kommen uns aber vor wie von einem anderen Stern. Wir rumpeln im Kleinbus mit Allradantrieb über Geröllhöhen der chilenischen Atacama-Wüste, aber beide pokern seit zwei Stunden mit ihren iPhones. Bei El Tatio auf 4300 Metern, dem höchsten Geysirfeld der Erde, glauben wir, in Teufels Küche geraten zu sein. Es zischt, heißes Wasser schießt aus dem Boden und danach dampft und qualmt es. Aber die Mitreisenden spielen Jolly Joker und blicken nur kurz auf die Fontänen aus der Hölle. "Oh", sagt Phil. "That's okay." Es bleibt unklar, was er meint. Er zieht sich seine Baseballcap ins Gesicht, um nicht von einer seltsamen Naturerscheinung beim Daddeln gestört zu werden.

Die Oase Coyo ist ein 100 Quadratmeter großer grüner Fleck in der bis an den Horizont reichenden staubigen Ebene. Die plötzlich sich ins Bild schiebende karge Pflanzenpracht erscheint surreal. Catherine interessiert das nicht, sie hat sich mit ihrem Mann angelegt, weil der ihr beim Pokern nicht cool genug agiert. Er keilt zurück, beide streiten über Strategien auf dem Display.

Als unser Guide auf Ruinen hinweist, Reste der mehr als 3000 Jahre alten Siedlung Tulor, jault Catherine "great", meint aber nicht die menschlichen Hinterlassenschaften in der atemraubenden Höhe, sondern das Gehüpfe auf dem kleinen Bildschirm ihres flackernden elektronischen Geräts, das sie im Schoß gebettet hält und bei jedem Pling-Pling streichelt, als sei es der Schopf eines braven Kleinkinds. Nur Phil quengelt und wird mit einem Rippenstoß von Catherines Ellbogen zum Schweigen gebracht.

Während unser Wagen rackert, als kämpfe der Motor mit der Höhenluft, atmen die beiden heftiger und aus dem Nacken aufsteigende Röte kriecht in ihre Gesichter mit den großen fixierenden Pupillen.

Vor den Fenstern kriechen Schlagschatten durch den Staub und touchieren auch den Kleinbus. Rhomben und Polygone streichen über Sitze und Sitzende, Geröllformationen und erodierte Gesteinserhebungen schieben sich draußen vorbei, Gips, Ton und Sand regen das eigene Kopfkino an. Licht und Schatten halten Geometriestunde, aber unsere lustigen Amerikaner scheuchen die für sie lästigen Unterbrechungen mit Handbewegungen weg.

Als ich Catherine in einer Minute, in der sie sich kurz reckt, frage: "It's nice here, isn't it?", schaut sie mich an als sei ich ein Außerirdischer. Der Indio-Fahrer hatte gerade noch ein Lächeln, aber das kippt weg bei so viel Ignoranz. Ihm ist die Wüste heilig, aber die Pokerer steigen nicht mal aus dem Wagen, um sich die höchste Lagune der Welt anzuschauen. Nur zum Mittagessen lassen sie sich rauslocken, aber gefuttert wird nicht ohne iPhone. Als wir nach sechs Stunden zurück sind im Hotel, haben beide rote Augen und gähnen. Die Atacama-Wüste ist für sie abgehakt.