Für ein paar Tage ein Boot chartern, ohne einen Führerschein zu besitzen? Das ist kein Problem, denn kleine Jollenkreuzer kann jeder mieten.

Die Sonne wirft ihre letzten milden Strahlen über den See, leise und mit dichtgeholtem Vorsegel gurgelt der kleine Jollenkreuzer durch die trichterförmige Enge. Eine schwache Brise kräuselt das Wasser. In der Luft kreisen Fischadler. Flaches, grün bewaldetes Land steigt rechts und links aus dem See. Ich steuere mit unserer "Marina" den Wasserwanderrastplatz von Rechlin an, taste mich langsam dem Ufer entgegen, bis Nora irgendwann "hier wird es flach!", ruft. Okay, denke ich, probieren wir es. Ich lasse den Anker ins Wasser gleiten, die Mädchen waten mit einer Leine an Land und knoten eine Schlinge um einen Baum - dann schaukelt unser Kleinkreuzer sicher und fest in der kleinen Bucht.

Mit einem Jollenkreuzer auf der Müritz segeln - das kann jeder, der Lust darauf hat, ein Führerschein ist für Schiffchen wie die "First 210" nicht nötig. "Natürlich sollte man Lust auf Wasser und Wind mitbringen", sagt Eva Mühleck von Kuhnle-Tours, "und ein bisschen Sportlichkeit kann auch nicht schaden, schließlich sind diese Jollen vergleichsweise klein und wackelig. Aber das, gepaart mit einer gehörigen Portion Neugierde auf ein zauberhaftes Binnenrevier, ist wirklich alles an Voraussetzungen." Und das klappt? Man kann einfach aufsteigen und lossegeln? "Bisher hat es immer geklappt!", wischt Mühleck meine Bedenken weg.

+++Stille Wasser sind schön+++

Neugierig sind wir - meine Tochter Nora, 10, ihre Freundin Johanna, 11, und ich. Doch zuerst einmal stellen wir fest: Das Leben auf diesem winzigen Boot namens "Marina" ist durchaus eine kleine Herausforderung. Jeder Schritt über Deck bringt das Schiffchen in Schräglage. Unter Deck ist das Raumangebot - vorsichtig formuliert - begrenzt. Abgetrennte Kabinen, Küchenzeile, Badezimmer? Fehlanzeige. Den Abwasch absolviert man im Cockpit. Die vorhandene Chemietoilette muss vor jeder Benutzung umständlich unter dem Niedergang hervorgeholt werden. Und ein 20-Liter-Kanister ist unsere Wasserquelle. Das soll Urlaub sein?

Ich schiebe meine Bedenken beiseite und blicke mich erst einmal um. Schilf wuchert bis ins Müritzwasser hinein. Es gurgelt und zwitschert. Nora und Johanna haben bereits Shorts und T-Shirts abgestreift und prüfen mit spitzem Zeh die Wassertemperatur. "Wunderbar warm!", jubeln die beiden. Und springen kurz darauf von Bord ins Wasser, dass das kleine Schiff nur so schaukelt.

Am nächsten Morgen tuckern wir los, angetrieben von unserem 4,5-PS-Außenbordmotor, am Stechliner Seglerhafen vorbei, an den hölzernen Stegen, den gepflegten Wiesen, dem kleinen Badestrand. Hier schaukeln überwiegend Kleinkreuzer im Müritzwasser, von den hier sonst weitverbreiteten Motor- und Hausbooten keine Spur. "Lass uns endlich segeln!", drängeln Nora und Johanna. Dann treiben wir hinaus auf die Müritz, das größte und bekannteste Gewässer der Mecklenburgischen Seenplatte.

+++Unter Segeln mehr erleben als das Meer+++

Wie war das noch?, fragen wir uns und starren auf die verschiedenfarbigen Leinen, die ordentlich aufgewickelt im Cockpit liegen. War die blaue für das Großsegel oder die rote? Wir probieren, erwischen die falsche, ziehen erneut. Zerren an der Leine am Mast - bis sich irgendwann das Großsegel der "Marina" im Wind aufbauscht und sie ganz allmählich Fahrt aufnimmt. Wir nehmen Kurs auf Röbel, das 1000 Jahre alt und eines der beiden touristischen Zentren der Müritz ist.

Im Kielwasser bleiben meine Bedenken zurück. Unsere "Marina" gleitet vorwärts, die Mädchen haben die Pinne übernommen, was "voll einfach" ist, wie sie behaupten. "Da lang geht's", dirigiere ich sie, "zwischen den zwei Tonnen hindurch." Auch zum Thema Navigation hat man uns glücklicherweise vor Törnbeginn eine kleine Lektion erteilt. Ich vertiefe mich in den Törnatlas und studiere das Revier.

Von der Binnenmüritz im Süden bis zur Kleinen Müritz im Norden sind es gerade einmal zwölf Seemeilen. Kein großes Revier. "Kann man sich hier dennoch lange herumtreiben?", frage ich später in Röbel meinen Stegnachbarn. Man kann, klärt dieser mich auf. Neben Rechlin existieren noch drei weitere Hafenorte, dazu gibt es ein gutes Dutzend kleinere Anlegestellen und reichlich Platz zum Ankern. "Und wem das nicht reicht", sagt der alte Weißhaarige, der jeden Sommer wochenlang auf der Müritz unterwegs ist, "kann ja auch noch die anderen Seen ansteuern: den Kölpinsee, den Fleesensee und den Plauer See."

+++Brücke zwischen Jolle und Yacht+++

"Richtig was los aber ist nur in Waren", erzählt er. Der mit 22 000 Einwohnern größte Ort des Reviers ist so etwas wie das St. Tropez der Müritz und das Mekka aller Haus- und Motorbootfahrer. Die 245 Liegeplätze des Stadthafens sind bei unserer Ankunft dort an Tag vier der Reise bis auf wenige Ausnahmen von PS-Booten besetzt. Urlauber flanieren über die Promenade, Angler starren auf ihre im Wasser wippenden Schwimmer. "Hier ist es fast ein wenig wie in Italien oder Spanien", sagen Nora und Johanna.

Dass unser Schiff keine abgetrennten Kabinen, keinen Toilettenraum und keine Küchenzeile hat, macht den Mädchen nichts aus. Den morgendlichen Abwasch absolvieren sie im Cockpit und heute mit Blick auf Waren. Ohnehin scheint diese Schiffsgröße für Kinder geradezu ideal zu sein, stelle ich immer wieder fest. Die beiden Mädchen können inzwischen eigenständig Segel setzen und steuern, meist wissen sie sogar, wo es langgeht. Und das Beste ist: Auf einem Schiffchen wie der First 210 kann man in der Hochsaison für nur 660 Euro pro Woche segeln gehen.

Bei der Durchfahrt durch den Reeckkanal in den Kölpinsee ist jedoch erst mal Schluss mit Segeln. Voraus versperrt eine Brücke die Weiterfahrt, der Mast muss gelegt werden. Wie war das noch? Die Einweisung in das Boot hatte gerade einmal zehn Minuten gedauert, ungefähr zwei davon handelten vom Legen des Mastes. Nun muss sich beweisen, dass die lapidare Aussage, "ihr werdet sehen, das ist ganz einfach" auch wirklich stimmt.

Also: Zuerst das Stahlseil am Mast lösen, Kippbügel öffnen, dann lockerlassen. Und tatsächlich: Keine 30 Sekunden später kippt der Mast waagerecht hinunter und landet im Auffangbügel. Tatsächlich ein Kinderspiel, das sogar Nora und Johanna am Ende der Reise beherrschen werden.

Hinter der Brücke am Steg der Marina Eldenburg wird die "Marina" wieder zum Segelboot. An einem kleinen Kiosk ordern wir Lachsforelle im Brötchen. Danach parken wir routiniert unser Schiffchen im Reeckkanal, mit dem Bug nur wenige Meter vom dicht bewaldeten Ufer entfernt und mutterseelenallein. Und dann? Gehen wir im Wald spazieren und schwimmen. Beobachten Biber und Kormorane. Und die Mädchen singen irgendwann laut und übermütig ihr neuestes Lieblingslied: "Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön ..."