Döntjes und etwas Jägerlatein: Kutscher Alfred Kayserling aus Prerow schlägt auf seinen Fahrten mit den Kaltblütern Pauline und Hansi muntere Töne an.

Pauline und Hansi sind Kaltblüter nach mecklenburger Art, "leichtfüßig und arbeitswillig", wie es im Fachjargon heißt. Und tatsächlich setzen sie sich sofort in Trab, wenn Alfred Kayserling sie auf Plattdeutsch anspornt: "So, nu mol 'n lütten Draff ..." Mit vier Gästen ist er heute Morgen unterwegs im Darßer Wald, nach langen Regenwochen endlich mal wieder zum Leuchtturm hin. Den kennt er gut, zehn Jahre lang hat der gelernte Elektriker da oben die Lampen gewartet.

Zur See ist er gefahren, Jäger ist der Förstersohn noch immer, Hornbläser auch. Und Kutscher sowieso, wohl der beliebteste auf der Halbinsel Darß an der Ostsee. Keiner erzählt so spannend und so anschaulich von der Küstendynamik, keiner würzt seine Geschichten so genüsslich mit Jägerlatein über die Politprominenz früherer Zeiten.

Alfred Kayserling, der Postillon vom Darß, beginnt jede Tour mit dem Signal "Ihr Jägersleut, versammelt euch, ich hab euch was zu sagen ..." Und ob: Er berichtet vom Alt- und vom Neudarß, die durch eine Art Steilküste mitten im Wald voneinander getrennt sind: Im Süden der eiszeitliche Kern, im Norden, gut zehn Meter tiefer gelegen, das Neuland, vor gerade mal 2500 Jahren entstanden.

Jedes Jahr zur Zeit der Herbststürme holt sich die Ostsee am Weststrand ein Stück Land, ein bis zwei Meter. Ein paar Monate später schwemmt das Meer den Sand mit allen Sedimenten wieder an. Ein schmetterndes Hornsignal zwischendurch, alles schon in jungen Jahren vom Vater in der Prerower Försterei gelernt, dann heißt es wieder, zu Pauline und Hansi gewandt "Slopt nich in, nu mol wedder 'n lütten Draff ..." Und weiter geht es, dem rotbraunen Leuchtturm entgegen, dem dienstältesten an der Küste von Mecklenburg-Vorpommern, der allerdings schon seit Langem ferngesteuert wird.

Augenzwinkernd erzählt Kayserling, wie sich Urlauber und Darßer zu DDR-Zeiten auf dem Zeltplatz am Darßer Ort Freiheiten herausnahmen, von denen die Funktionäre lieber keine Einzelheiten wissen wollten. Noch immer geht es dort, wo keine Kurverwaltung kassieren kommt, urig zu.

Die Gäule zuckeln jetzt über wellig-weichen Boden. Hier erläutert der Kutscher die Entstehung der Moore, dort den wachsenden Sumpfwald, hier weist er auf seltene Pflanzen hin, dort entdeckt er merkwürdig geformtes Totholz. Beides hätten wir ohne ihn nicht wahrgenommen.

Ein Stopp unter alten Bäumen, ein schönes Hornsignal in den Wald hinein, und nun schallen die Anekdoten heraus: Vom Vater, Großvater und von den Nachbarn aus Prerow weiß Kayserling, wie einst Hermann Göring zu seinen Trophäen gekommen ist, wie man dem geltungssüchtigen Marschall das Rotwild und auch mal einen Keiler vor die Flinte getrieben hat. Später, bei den Bonzen in der roten Diktatur, war es wohl nicht anders. Und selbst Fidel Castro, obwohl angeblich alles andere als nüchtern, soll zum Finalschuss gekommen sein. Solche Döntjes sind allerdings nur Beiwerk auf Kayserlings Kutschfahrten. Es ist die Natur, die ihm am Herzen liegt, seine Liebe zum Wald, die der 66-Jährige so kenntnisreich weitergibt.

Jedes Mal, nach den Abenteuern auf dem Kutschbock, wird am Ende das Halali geblasen, von Stammgästen wie Neulingen gleichermaßen erwartet. Kayserling, der Postillon vom Darß, hat noch niemanden enttäuscht.