Vor 16 Jahren baute sich der Hamburger Ökonom Volker Bethke auf der Insel ein Haus - seit 2003 ist es ein Hotel

Ein schönerer Frühstücksplatz lässt sich auch auf der an landschaftlichen Überraschungen reichen Insel Sri Lanka kaum vorstellen: Von einer Art Garten-Balkon, der an einem Steilhang klebt, bietet sich ein Panoramablick über das Hinterland der alten Königsstadt Kandy. Tief unten, durch einen Canyon, fließt der Mahaweli, der größte Fluss der Insel, er mäandert durch dichten Regenwald, vorbei an Dörfern, aus denen der Rauch von Feuerstellen aufsteigt. Wie eine akustische Folie liegen die Stimmen exotischer Vögel und die sanften Klänge aus einen nahen Kloster über diesem tropischen Bühnenbild.

Der Freisitz ist eine der im doppelten Sinne herausragenden Besonderheiten der Villa Rosa, einem Hotel mit nur sechs Zimmern, aber einer ganz besonderen Atmosphäre. Dieses Hideaway für gestresste Seelen gehört dem Hamburger Wirtschaftsfachmann Volker Bethke, der es ursprünglich für sich gebaut hat - als Fluchtpunkt vor einer lauten und unruhigen Welt. Von dieser Philosophie profitieren seit acht Jahren Gäste aus aller Welt. Zusammen mit ihnen sitzt der Hotelier, der eigentlich nie einer sein wollte, an diesem Platz, genießt die Früchte aus den Gärten der Umgebung, trinkt den Tee, der hier wächst. Locker, humorvoll und kenntnisreich gibt er Anregungen für Ausflüge, für einen gemeinsamen Marktbummel und natürlich für das wohl bedeutendste Fest der buddhistischen Welt, das von diesem Wochenende an, wie jedes Jahr im Hochsommer, Tag und Nacht Hunderttausende Pilger und Besucher nach Kandy strömen lässt, in die Nähe eines Tempels, der nach uralter Überlieferung einen Eckzahn Buddhas birgt.

Esela Perahera heißt das Spektakel, bei dem zwischen Neumond und Vollmond Tausende Tänzer, Trommler, Gaukler, Feuerschlucker und jede Nacht ein paar Dutzend mehr festlich geschmückter Elefanten zu Ehren des Erleuchteten durch die Straßen prozessieren. Die mächtigen Tiere tragen dabei nicht nur bunte Decken und prunkvolle Hochsitze, sondern ein unglaubliches Geflecht aus Lichterketten, das von Generatoren gespeist wird, die die Tiere hinter sich herziehen. Es ist ein bewegendes, ein farbenprächtiges Fest, für die Einheimischen zudem der spirituelle Höhepunkt des Jahres. Klar, dass Bethke zu diesem Ereignis wieder rechtzeitig aus seinem alljährlichen Norddeutschland-Urlaub in seiner zweiten Heimat sein will.

Volker Bethke, 64, ist in Hamburg geboren, im Norden der Stadt aufgewachsen, Abitur an der Albert-Schweizer-Schule in Klein-Borstel. Nach Studium, Promotion und einer Managertätigkeit bei der alten AEG auf Steinwerder zog er als Berater für Regierungen und Hilfsorganisationen durch die Welt. Erster Auslandsjob: Sri Lanka. Fährt die Eisenbahn, die dort vor 150 Jahren von den englischen Kolonialherren gebaut wurde, um ihre Plantagenprodukte aus dem Hochland zu den Häfen bringen zu können, noch wirtschaftlich? Lohnt sich ihr Unterhalt, womöglich sogar ihr Ausbau? Das waren Fragen, die er beantworten sollte.

Bethke verliebte sich in das Land und in eine Einheimische namens Rosa, die wie er als Beraterin tätig war. Der Job dauerte anderthalb Jahre, der Hamburger war immer stärker fasziniert von der kulturellen und landschaftlichen Vielfalt der Insel, die seit alten Zeiten als Paradies galt, aber längst durch einen Bürgerkrieg zwischen Singhalesen und Tamilen zu einem zerrissenen Land geworden war.

Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs stromerte der Hamburger Ökonom vor allem durch Osteuropa, bis hin in die Mongolei. Aber auch Saudi-Arabien stand oft auf dem Zettel, und immer wieder Sri Lanka. Ende 1995 ließ er sich in Kandy nieder und baute die Villa Rosa für sich und seine neue Familie, zu der inzwischen Tochter Jasmin gehörte. Irgendwann wurde ihm aber das Haus über dem Fluss zu groß, zu einsam. Macht doch ein Hotel daraus, rieten Freunde, eine Unterkunft mit viel Flair, in der sich individuell gesinnte Gäste wohlfühlen könnten.

Anfang 2003, nach dem Waffenstillstand, der wieder einmal Hoffnung für einen Frieden auf der Insel keimen ließ, setzte Volker Bethke die Anregung um. Und es funktionierte: Interessante und interessierte Menschen trafen sich, ließen sich von der Umgebung und dem Haus verzaubern, von damals 15 Mitarbeitern verwöhnen und von dem bedächtigen, weltoffenen Hanseaten über Land und Leute informieren.

Marktbummel mit dem Hausherrn, Streifzüge in abgelegene Dörfer und durch Reisfelder zu Tempeln, die in keinem Reiseführer standen. Das Konzept kam gut an, es schien dauerhaften Erfolg zu sichern. Bis der Tsunami Ende 2004 nicht nur die Küsten überflutete, sondern die ganze Insel in eine Schockstarre versetzte, die lange anhielt. Und als der Bürgerkrieg wieder aufflammte, heftiger als zuvor, kamen noch weniger Gäste. Bethke musste seine Truppe auf acht Mitarbeiter reduzieren.

Der Albtraum, so scheint es, ist seit letztem Sommer vorbei. Sri Lanka ist "wieder da", die Villa Rosa wieder ein Treffpunkt für Reisende, die kein Pauschalprogramm brauchen. Die aber das Gästebuch demnächst wieder mit Lobeshymnen vollschreiben werden, nachdem der Chef sie tagsüber auf die große Perahera vorbereitet und nachts gemeinsam mit ihnen vor dem altehrwürdigen Hotel Queen's auf den großen Tusker gewartet hat, den imposantesten und am kräftigsten leuchtenden Elefantenbullen, der eine Kopie der Zahnreliquie trägt.