"Man sieht Ihnen Ihr Alter gar nicht an!" Damit wirbt eine Supermarktkette. Nicht etwa für Anti-Grau-Haartönungen oder Faltenstopp-Cremes. Nein, um Verständnis. Dafür, dass junge Erwachsene beim Kauf von Alkohol und Zigaretten den Personalausweis zeigen müssen. Im Zweifel ihres Angesichts.

Präventivmaßnahmen zum Schutze der Jugend. Dieses Thema habe ich vor gut einem Vierteljahrhundert abgehakt. Dachte ich. Bis ich nach New Mexico kam. Dort, in den USA, ist grundsätzlich jeder verdächtig - der Minderjährigkeit. Und die endet beim Kauf von Alkohol auch erst mit 21 Jahren. So weit so gut. Zum Bordgepäck im Wohnmobil, das durch den Bundesstaat rattern soll, gehört ein Sixpack mit Bier. Deshalb rein in einen Liquor Shop - so heißen die Fachgeschäfte für Getränke mit Umdrehungen. Ich entscheide mich für eine nationale Marke. Ein eher laues Gesöff, das bei einem deutschen Biertrinker gerade mal als Mineralwasser mit dem Geschmack feiner Kartoffelschalen durchgehen würde.

"Got ID?", fragt mich der Verkäufer. Ich bin so überrascht, dass ich zuerst "hast du eine Idee?" verstehe, er aber will meinen Ausweis sehen, wie sich herausstellt. Meine Identity Card (ID) weist mich der deutlichen Volljährigkeit aus.

Nun hört man ja so einiges über die USA. Gelegentlich auch Skurriles, zumindest aus europäischem Blickwinkel. Amerika hat seine eigenen Gesetze und jeder Bundesstaat noch einmal seine ganz speziellen. In Sachen Feuerwasser sind sie im Stammland von Winnetou offenbar besonders streng, wie ich nach dem weiteren Erwerb von Bier sowie einer Packung Zigaretten feststelle. Die Ausweisangelegenheit wird fast schon zur Gewohnheit - und fühlt sich für einen liberalen Deutschen im "land of the free" absonderlich an.

Während ich über die Straßen rolle, bin ich mit anderem beschäftigt. Ich genieße den Anblick der Rocky Mountains und das für mich schönste Städtchen der Welt: Santa Fe. Im Süden von New Mexico habe ich das große Glück, einen Nachfahren der Apachen zu treffen: Joe Saenz. Ein Mann mit Würde, stark und in sich ruhend. Joe Saenz ist so etwas wie der inoffizielle Anführer einer kleinen Apachengemeinde. Bei einem Ausritt zeigt er mir das heilige Land seiner Väter.

Ich möchte mich bei ihm bedanken und lade ihn zum Essen ein. Wir lassen uns in einem Restaurant nieder. Mir gegenüber sitzt mit Joe Saenz ein ausgewachsener Mann. Erhaben und aufrecht - und gewiss volljährig. Joe möchte ein Bier. "Got ID?", fragt ihn die Kellnerin. Joe zückt seine Papiere ohne mit der Wimper zu zucken. "Sie gehen immer auf Nummer sicher", erklärt er mir, "alle müssen sich ausweisen." Ein Glück, dass das Karl May nicht wusste. Die Passage mit Old Shatterhand und der qualmenden Friedenspfeife hätte umgeschrieben werden müssen: "Got ID?"