Im südlichen Teil Afrikas entsteht der weltweit größte grenzüberschreitende Naturschutzpark. Das Projekt fördert auch in weniger bekannten Regionen den Tourismus

Büffel, Elefanten, Flusspferde, Löwen und Leoparden - Wildtiere sind der Schatz Afrikas. Ein riesiges Naturreservat, ungefähr so groß wie Italien, soll den Tieren künftig besseren Schutz und mehr Freiheit gewähren. Das Kavango-Zambesi-Transfrontier-Schutzgebiet, kurz KaZa, erstreckt sich über fünf Staaten: Angola, Botswana, Namibia, Sambia sowie Simbabwe. Es bietet afrikanische Wildnis pur: Da gibt es den Chobe Nationalpark in Botswana - nirgendwo sonst in Afrika leben so viele Elefanten -, dann die Victoriafälle in Sambia, eines der sieben Weltwunder, oder auch das Okavango-Delta, die sattgrüne Wasserlandschaft des mehr als 16 000 Quadratkilometer großen Okavango-Flussdeltas. Ein Labyrinth aus Kanälen, Inseln und Lagunen, in dem sich einer der längsten Flüsse Afrikas verliert: Der Okavango mündet nicht, er versickert einfach im Sand der Kalahari-Wüste.

Der KaZa-Park liegt in einer der tierreichsten Regionen, ein Top-Ziel für Safari-Touristen, die Natur hautnah erleben möchten. Aber es gibt noch ein anderes Gesicht afrikanischer Wildnis, darüber täuscht die Weite der Buschlandschaften leicht hinweg: Vielerorts leben Menschen und Tiere im Dauerkonflikt, Staatsgrenzen und kilometerlange Zäune, die Wildtiere vom Vieh fernhalten sollen, zerteilen Ökosysteme. Sie schneiden die ursprünglichen Wanderrouten der Herden ab und führen dazu, dass in Dürrezeiten Tausende Gnus, Zebras und andere Tiere ihre angestammten Wasserstellen nicht erreichen. Sie verdursten. Und der verbliebene Lebensraum wird knapp. So verwüsten im botswanischen Chobe-Nationalpark Elefanten immer wieder die Felder der Dorfbewohner, "Es sind einfach zu viele", erklärt Philipp Göltenboth, KaZa-Projektleiter beim WWF. "Man möchte deshalb gerne ein paar der Elefanten loswerden, und gleichzeitig wäre man in Angola froh über die Tiere, um Touristen etwas zu bieten", fügt Philipp Göltenboth hinzu.

Abhilfe sollen jetzt "grüne Korridore" schaffen: Im KaZa-Schutzgebiet will man 36 Nationalparks, Reservate und Schutzzonen, die heute wie isolierte Inseln über mehrere afrikanische Staaten verteilt liegen, durch Korridore miteinander verbinden, um so wieder Tierwanderungen zu ermöglichen. Maßgeblich beteiligt am KaZa-Projekt ist der WWF, finanzielle Mittel fließen auch aus der deutschen KfW-Entwicklungsbank, zunächst in Höhe von sechs Millionen Euro. Die Ratifizierung der Abkommen durch die fünf beteiligten Länder soll noch in diesem Jahr über die Bühne gehen, das KaZa-Sekretariat wird in Botswana angesiedelt.

Ziel des Naturschutz-Projekts ist auch die Förderung des Tourismus, vor allem in bislang kaum touristisch entwickelten Gebieten und Grenzregionen. Dabei sollen Besucher möglichst ohne lästige Passkontrollen durch die Naturreservate reisen können, so jedenfalls sieht es der Plan vor.

Von Vorteil wäre das für den noch wenig bereisten Caprivi-Streifen im Nordosten Namibias. Der Landzipfel, der während der deutschen Kolonialherrschaft nach einem preußischen General benannt wurde, liegt im Grenzgebiet zu Sambia, Botswana und Angola.

Caprivi steht erst seit 2002 auf der touristischen Landkarte, nach dem Ende des Bürgerkriegs in Angola. Das Herz des nur 32 Kilometer breiten Landstreifens ist der Kwando-Fluss. Gemächlich fließt er dahin und verzweigt sich in kleine Seitenarme. Das ruhige Wasser lädt zu frühmorgendlichen Paddeltouren ein. Dann öffnen sich die blauen Seerosen, zur Freude der Safari-Touristen. Sie treiben in einem Boot nahe am Ufer, vorbei an dichtem Schilfgras und Papyrus. Zahlreiche Vogelarten finden darin Unterschlupf, zum Beispiel der Jacana-Vogel, der dem Rebhuhn ähnelt, mit braun-blau leuchtenden Farbtupfern am Kopf, oder der Sattelstorch, einer der größten Störche, die es gibt.

Doch die Fluss-Idylle ist trügerisch. Durch das erdfarbene Wasser schimmern helle Sandbänke, darauf dunkle Schatten: Krokodile. Und da taucht noch etwas auf: Glubschaugen. Sie gehören den Flusspferden, die sich den Kwando-Fluss mit Krokodilen teilen. Wehe, wenn sie sich gestört fühlen, dann heißt es Gas geben! Denn die Kolosse attackieren schon mal ein Boot. Und so gerät eine beschauliche Flusstour ganz schnell zu einer Flucht im Speedboot: Es flitzt über das Wasser, legt sich schnittig in die Kurve, und wer einen Blick zurück wagt - schaut in einen wahrhaft großen, tiefen Schlund.

Vom Nervenkitzel beflügelt, kehren die Gäste zurück in die Namushasha Country Lodge, sie liegt direkt am Fluss. Es gibt erst wenige Unterkünfte im Caprivi, mangels Nachfrage. "Viele Jahre war der Tierbestand gleich null, alles nahezu ausgerottet durch den Krieg, durch die Wilderei", erzählt Willem de Wet, Manager und Miteigentümer der Namushasha-Lodge. Doch allmählich kehren die Tiere zurück, in den neuen Bwabwata-Nationalpark im Caprivi-Streifen. Und mit ihnen kommen auch Touristen. Sie genießen die Abendstimmung am Kwando-Fluss: Pavian-Kids spielen am Ufer, ein Stück weiter steht eine gesellige Elefantenrunde, die Rüssel hängen im Wasser. Nach Sonnenuntergang ändert sich die Szenerie, dann streifen Schakale und Hyänen lautlos durchs hohe Gras. Und die wachsamen Augen der Impala-Antilopen blitzen wie Glühwürmchen durch die Nacht.

Mehr Ranger, mehr Guides werden künftig gebraucht, um Besuchern die afrikanische Wildnis näher zu bringen. Im Bwabwata-Nationalpark ist eine Ranger-Station entstanden, ein Besucherzentrum kommt hinzu. Auch in den Lodges werden neue Arbeitsplätze entstehen. Wenn alles nach Plan läuft, dann könnte, nach Einschätzung des WWF, das KaZa-Schutzgebiet bis zum Jahr 2015 vollendet sein. Vorausgesetzt, die beteiligten Staaten arbeiten Hand in Hand.

Einen ersten Erfolg gibt es schon: Ungefähr 100 Kilometer Tierzäune zwischen Botswana und der Caprivi-Region sind geöffnet worden, Satellitenaufnahmen zeigen Büffel und Elefanten unterwegs nach Angola. "Die Tiere haben das sehr schnell mitbekommen, sie nutzen fleißig das Schlupfloch", freut sich Philipp Göltenboth. Und auch die Bauern im Chobe Nationalpark dürften nun über ein paar Elefanten weniger froh sein.