Von Medizinern begleitete Reisen sind für immer mehr Veranstalter ein Thema. Ohne würden sich viele ältere Menschen nicht in den Urlaub trauen.

Als Dr. Franz Borsien das Hotelrestaurant im indischen Rajasthan betritt, traut er seinen Augen kaum. Zufrieden sitzt sein Patient am Tisch, vor sich zwei Spiegeleier - triefend vor Fett -, daneben eine Flasche Bier. Zum Frühstück, wohlgemerkt! Immerhin musste der verblüffte Doktor am Abend zuvor den Mitte 60-Jährigen noch wegen einer fieberhaften Magen-Darm-Infektion behandeln, die sich mit Durchfall und Erbrechen geäußert hatte. "Diese Unvernunft am nächsten Morgen konnte ich einfach nicht mit ansehen. Also habe ich das Gedeck sofort abräumen lassen. Unter Murren und Knurren hat es der ziemlich uneinsichtige Reiseteilnehmer schließlich akzeptiert."

Die Magen-Malesche war nur einer von vielen Fällen, die der Facharzt für Allgemeinmedizin - mit Schwerpunkt Reisemedizin - auf insgesamt vier Gruppentouren behandeln musste. Die Reisen führten ihn nach Vietnam/Kambodscha/Laos, Indien und zweimal nach Israel - im Auftrag des Bonner Spezialveranstalters Mediplus, der 120 ärztlich begleitete Reisen in 18 Länder aufgelegt hat. Mediplus-Geschäftsführer Ralf Baumbach ist zufrieden: "Als Deutschlands Marktführer für Best-Ager-Reisen haben wir wegen des gu-ten Preis-Leistungs-Verhältnisses viele Stammkunden. Im Reisepreis ist auch die World Medical Card enthalten, von der weltweit Ärzte alle angegebenen Indikationen ablesen können."

Längst hat die Tourismusbranche erkannt, dass die Zahl mobiler Menschen höheren Alters immer stärker wächst und diese Gruppe meist auch mit viel Zeit und einem soliden finanziellen Polster ausgestattet ist. So ergab eine aktuelle Studie des Internet-Medienunternehmens "Travelzoo", dass zwei Drittel der befragten Generation 50plus einmal pro Jahr eine lange Reise und mehrere Kurztrips unternimmt. Dafür geben 39 Prozent insgesamt zwischen 1500 und 3000 Euro aus.

Ein wichtiger Aspekt bei Art und Ziel der Reise ist für diese Altersgruppe die Sicherheit - auch was die Gesundheit anbelangt. Ärztlich begleitete Reisen für einen zunehmend interessant werdenden Markt - auf diesen Zug sind inzwischen auch weitere Reiseveranstalter gesprungen. Im August hat Thomas Cook den Spezialveranstalter Tour Vital übernommen. Ab der Wintersaison bieten beide gemeinsam mit "Rundreisen der sorglosen Art" 40 ärztlich betreute Pauschalreisen in 39 Länder an. "Es sind Angebote für Urlauber, die noch mal exotische Ziele erleben wollen und sich einfach im Beisein eines Arztes sicherer fühlen. Je unbekannter ein Ziel, desto stärker das Sicherheitsbedürfnis", erklärt Björn Walther, Leiter Spezialprodukte bei Thomas Cook. "Wir steuern die Destinationen weitestgehend mit Direktflügen an. Der Arzt ist bereits ab Deutschland mit an Bord. Die Tagesetappen im Bus sind in leicht verdauliche Happen unterteilt. Außerdem sind die Busse nie voll besetzt."

Auch die TUI spricht seit dem vergangenen Jahr Kunden an, "die sich sonst nicht trauen, in Länder mit anderen Klimazonen zu reisen", sagt Mehdi Langanke, TUI-Experte für Gesundheitsreisen. "Ohne ärztliche Begleitung würden sich Menschen mit Bluthochdruck oder Diabetes nicht in die Ferne wagen."

Der TUI-Direktvermarkter Berge & Meer Touristik hat festgestellt, dass sich so mancher Urlauber mit einem Arzt an seiner Seite deutlich besser fühlt, und zwar nicht nur die Best-Ager. Im Angebot sind sieben Rund- und Kombinationsreisen nach Asien und ins Baltikum. Spezialveranstalter FIT Reisen hat seit September Brasilien, Indien, Tibet/China mit einem Arzt im Programm, Gebeco nimmt ab Januar 2012 manchmal einen Mediziner mit, z. B. nach Australien, China oder Mexiko. "ServicePlus" heißt das Programm bei Studiosus, bei dem zu bestimmten Terminen einige der weltweiten Studienreisen von einem Arzt begleitet werden.

Einer der ersten auf dem Markt, die ihren Passagieren einen deutschen Arzt zur Seite stellten, war Hapag Lloyd auf seinen Kreuzflügen. Bei der exklusiven "Kreuzfahrt zur Luft" sind die 42 Fluggäste per Privatjet fast jeden Tag an einem neuen Ort. Dazwischen liegen vier bis fünf Stunden Flug. Zur festen Crew, die aus Piloten, Flugbegleitern, Reiseleiter, Lektoren und Gepäckmaster besteht, gehört auch der Mediziner. "Die Kreuzflüge sind sehr, sehr gefragt", bestätigt Negar Etminan, Sprecherin Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, "acht bis neun führen wir im Jahr durch". Trotz des stattlichen Preises. So kostet die Kreuzfahrt über den Wolken vom 29.12. bis 8.1. nach Indien, Muscat, ab/bis Hamburg, mit Landarrangements und "all inclusive auf hohem Niveau" ab 28 790 Euro - pro Person im Doppelzimmer.

Dr. Borsien nimmt generell zwei Wochen vor Abflug Kontakt mit den Reisenden auf, um sich nach Impfungen und Dauermedikamenten zu erkundigen. Er fragt nach Vorerkrankungen, ob Bypass-Operationen durchgeführt oder Stents gesetzt wurden und gibt Tipps für die individuelle Reiseapotheke. Zu Beginn der Reise hält er gleich einen Vortrag über die richtige Verhaltensweise in den Tropen hinsichtlich Sonne, Wasser, Essen und Kleidung. "Die häufigsten Erkrankungen unterwegs haben mit dem Magen-Darm-Trakt zu tun", sagt Dr. Borsien. "Gefolgt von orthopädischen Krankheiten und Hautleiden. Aber es gibt auch immer wieder Unfälle mit Prellungen oder offenen Wunden, die chirurgisch versorgt werden müssen."

"300 bis 350 Reisegruppen im Jahr erfordern natürlich eine heftige Logistik", sagt Mediplus-Geschäftsführer Ralf Baumbach. "Wir müssen immer genügend Ärzte auf Vorrat haben, die auf gepackten Koffern sitzen."