Der 65-jährige Tarmo tritt seit 45 Jahren in Surakarta auf Java in die Pedale. Er kutschiert Touristen, aber auch Ganove durch die Stadt.

Viele Indonesien-Reisende kennen Yogyakarta, das Tor zum großen Buddha-Heiligtum Borobodur. Kaum einer kennt dagegen Surakarta, nur 60 Kilometer weiter nördlich. Dabei gilt diese Halbmillionenstadt, die von ihren Bewohnern meist Solo genannt wird, als ein Kulturzentrum, das die Traditionen der alten islamischen Königreiche auf Java besonders liebevoll hütet. In Solo, so heißt es, schlägt das klassische Herz der Insel. Auch der Alltag läuft hier gemächlicher ab, aus der Sicht der Besucher authentischer als im hektischen Yogyakarta.

Aber dieser Alltag in Solo ist nicht leicht. Von der großen Vergangenheit leben allenfalls die Museen und ein paar Touristenführer. Ansonsten schlägt man sich so durch, als Kleinhändler auf dem Basar, als Wirt einer rollenden Garküche, als Lastenträger, Tagelöhner, Trödler - oder auch als Becakfahrer, als Besitzer einer Fahrradrikscha wie der alte Tarmo.

Der 65-Jährige gehört zu den Veteranen seiner Zunft, spricht nur wenige Worte Englisch und muss deshalb weitaus häufiger schwergewichtige Hausfrauen mit Taschen und Tüten und drei Kindern vom Markt nach Hause schleppen als, für das Zehnfache des Tarifs, einen jungen Rucksacktouristen einmal um den Kraton, den alten Sultanspalast, zu kutschieren.

Seit über 45 Jahren tritt Tarmo in die Pedale. Das Vehikel, das ihm den bescheidenen Lebensunterhalt sichert, ist noch immer dasselbe, das ihm damals ein Onkel vorfinanziert hat. Seither transportiert er Ganoven, Großfamilien und Korangelehrte, Schränke für einen Tischler und Gemüse für die Marktfrau von gegenüber. Er hat Arbeiter, Handwerker und die Besitzer berühmter Kampfhähne samt ihrer besten Tiere zu den Arenen gefahren, den Ertrag einer Woche auf den todsicheren Tipp gesetzt und natürlich verloren.

Manchmal nimmt sich Tarmo für ein, zwei Stunden eine Auszeit, geht auf ein Zwiegespräch mit Allah in eine Mushala, eine kleine Stadtteil-Moschee. Er fühlt sich danach gestärkt und sieht allenfalls seufzend den beiden dicken Kaufleuten entgegen, die sich gleich auf den zerschlissenen Sitz seiner Rikscha quetschen werden. Seinen Sattel hat er schon oft austauschen müssen, die Plane über dem Sitz jeweils nach zwei oder drei Monsunsommern.

Tarmo wohnt im Dorf Wonogiri, 40 Kilometer entfernt von Solo. Alle zwei Wochen strampelt er nach Hause zu Frau und fünf Kindern. Das sind in der Regel Leerfahrten, nur manchmal kann er Nachbarn zu einem Freundschaftspreis mitnehmen. Etwa zwölf Nächte schläft er in der Stadt, und zwar auf seiner Rikscha. Eine alte Frau aus der Nachbarschaft reibt ihm zu Hause die dünnen Beine mit einer Tinktur an, deren Zutaten Tarmo nicht kennt. Aber, so sagt er, diese Massage hilft ihm. Zwei bis drei Tage lang schaut er auf das kleine Feld hinter seiner Hütte. Mais baut er dort an, Reis und Maniok. Dann radelt er zurück zu seiner Arbeitsstätte, oft genug über verschlammte Wege in den langen Monaten der Regenzeit. Während seine Frau sich wieder um das Gemüse kümmert, wartet Tarmo in Solo auf Kunden, öfter tagelang, denn die Konkurrenz ist groß.

Tarmos Freund Tattat, 30 Jahre jünger, hat den Aufstieg geschafft. Er hat passables Englisch gelernt, mithilfe eines zerfledderten Lehrbuches und junger Rucksacktouristen aus Australien oder Amerika, die es hin und wieder nach Solo verschlägt. Tattat bietet jetzt sogar seine Dienste als "Guide" an; er kennt zwar die Geschichte seiner Heimat nicht so gut, dafür aber andere gute Geschichten. Und er weiß, wo es das beste Nasi Goreng gibt, echten antiken Silberschmuck und die feinsten Batiktücher. Die beiden sind Freunde, keine Konkurrenten. Es kommt vor, dass Tattat dem Alten eine Fuhre vermittelt.

Tarmo wird wohl noch fünf, sechs Jahre strampeln müssen, bis er sich jeden Tag vor sein Haus setzen kann.