Mit starkem Akzent auf Kunst und Kultur geht das Emirat Sharjah seinen eigenen Weg. Und gewinnt dabei auch an touristischer Attraktivität.

Nur gut 20 Minuten braucht das Taxi vom Flughafen in Dubai bis an die Corniche von Sharjah. Und auch gefühlt scheinen sich die beiden arabischen Brüder ziemlich nah zu sein. Auf den ersten noch flugmüden Vorfrühstücksblick jedenfalls.

Denn schaut man ausgeschlafen genauer hin, entdeckt man schnell, dass die hübsch um eine Lagune gruppierten Hochhäuser in Sharjah deutlich weniger hoch in den Himmel ragen als in Dubai. Dass man hier statt sündhaft teurer Zuckerguss-Luftschlösser eher solide finanzierte Brötchen backt. Dass man lieber bodenständig kleckert als arrogant klotzt. Kurzum - dass man mit beiden Beinen ziemlich fest auf dem Boden steht.

Dr. Scheich Sultan bin Mohammed al-Quasimi nämlich hat einen Plan für die Zukunft. Einen Masterplan. Sharjahs Herrscher inszeniert sein kleines Reich keineswegs als "Zukunftsstadt des Nahen Ostens" wie der Nachbar. Anstelle von Gigantomanie, Größenwahn und Kommerz setzt er bewusst auf eine ausgewogene Mischung aus Kultur und Moderne. Auf Kunst und Bildung. Auf Tradition und Bewahrung der arabischen Identität.

Durchaus mit Erfolg. Auf dem Weg zur islamischen Kulturhauptstadt 2014 arbeitet man beispielsweise mit Hochdruck an der Auferstehung der Heritage Area, einem Ensemble alter Gassen und Gebäude im Zentrum. So wurde das fast verfallene Fort al-Hisn wieder aufgebaut. Das Haus einer Perlentaucherfamilie von 1845 mit traditionellen Baustoffen wie Korallengestein, Mangrovenholz und Palmfasern originalgetreu restauriert, der alte Souk mit seinen Läden sorgsam hergerichtet und zu neuem Leben erweckt - auch wenn das Ganze nun für einen arabischen Basar einen Tick zu klinisch wirkt.

Ein Geniestreich gelang dem Scheich, als er eine 200 Meter lange Markthalle an der Uferstraße nicht abreißen, sondern aufwendig restaurieren ließ und zum Museum für islamische Zivilisationen umfunktionierte. Unter einer imposanten Goldkuppel mit tiefblauem Himmel- und Sternbilder-Mosaik erzählen nun Weltkugeln, Himmelsscheiben, Karten und Uhren von den Leistungen der arabischen Welt in Astronomie, Geografie, Mathematik und Medizin. Eine eigene Abteilung widmet sich dem Islam, seinen Anfängen, seiner Entwicklung und seinen Heiligtümern.

Allein 20 moderne und gut ausgestattete Museen machen das Emirat zu einem besonderen Kulturstandort. Das Museum für Kalligrafie zum Beispiel ist einzigartig in der arabischen Welt. Ebenso das Science Center mit allerlei interaktiven Erlebniswelten, in denen insbesondere Kinder spielerisch Wissenschaften und Technologien erforschen können.

Haie, Rochen, Schildkröten, Quallen, Fische, Korallen - so gut wie alles, was die Gewässer am Golf an maritimem Leben hervorbringen, lässt sich im Aquarium am Stadtrand bestaunen. Das nicht minder sehenswerte Pendant etwas weiter entfernt in der Wüste heißt Desert Park. Mit Stars wie dem vom Aussterben bedrohten Arabischen Leoparden, mit Hyänen und Oryx-Antilopen, mit Schlangen und Leguanen. Der Clou: Zum Schutz vor der Hitze sehen Besucher viele fliegende, kreuchende und laufende Wüstenbewohner in Landschaften, die in großen Hallen nachgebaut wurden.

Auch die Universität von Sharjah darf auf keiner Besichtigungstour fehlen. Am südlichen Stadtrand der Wüste abgetrotzt, gleicht die 6,5 Quadratkilometer große Oase weit mehr der weitläufigen Residenz eines Herrschers als einer Bildungsstätte, so elitär diese auch sein mag. Eröffnet von einem mächtigen Triumphbogen, führt eine fünf Kilometer lange begrünte Straße durch das Gelände. Links und rechts davon reihen sich die Fakultäten - allesamt in arabischem Stil und mit Kuppeln, was sie aussehen lässt wie Paläste aus Tausendundeiner Nacht. Ein Beweis für den Stellenwert, den der promovierte Landesvater der Bildung beimisst - eine von Sharjahs wichtigsten Investitionen in die Zukunft.

Eine bedeutende Rolle im Masterplan spielt auch das im Februar erstmals abgehaltene Sharjah Light Festival. Namhafte Lichtdesign-, Computer-, Laserprojektions- und Multimediaspezialisten haben dabei ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und eine Woche lang Paläste, Moscheen, Museen, historische Gebäude, Parks und sogar einen riesigen Kreisverkehr märchenhaft verzaubert - ein im wahrsten Wortsinn illustrer Kraftakt, das kleine Emirat als Kulturreiseziel auf der touristischen Landkarte nachhaltig zu positionieren. Eine Fortsetzung wird bereits im Februar 2012 folgen.

Wenn laut Prognosen in zehn Jahren die ohnehin spärlichen Erdöl- und Erdgasquellen endgültig versiegen, scheinen also allerlei Weichen bereits gut gestellt zu sein. Wie man jedenfalls Moderne und Traditionen miteinander verbindet und damit auch dem Tourismus deutliche Impulse verleiht, dafür ist nicht nur das Lichter-Festival ein überzeugendes Beispiel.