Mit der “ABN Charaidew“ geht es auf dem Brahmaputra sieben Tage lang stromaufwärts. Nur 24 Gäste finden auf dem Flusskreuzfahrtschiff Platz.

Saftiges Grün schimmert durch die Wolkenfetzen, als das Flugzeug zur Landung ansetzt. Von hier also stammt der Tee, den man in Europa im English Breakfast Tea oder in der Ostfriesen-Mischung wiederfindet. Aber bevor es in die Plantage geht, dauert es noch ein paar Tage. Denn erst mal geht es aufs Schiff.

Ankunft in Guwahati, der größten Stadt des indischen Bundesstaates Assam, ganz im Nordosten Indiens, eine Flugstunde von Kolkata (Kalkutta) entfernt. Am Ufer des Brahmaputra ankert die "ABN Charaidew". 1973 gebaut, transportierte sie bis 1994 Kohle, Holz und Tee auf dem braunen Strom. 2003 wurde das dem Kolonialstil nachempfundene Schiff renoviert und befördert seitdem nur noch Kreuzfahrtpassagiere zwischen Guwahati und Dibrugarh. Fast 2900 Kilometer fließt der Brahmaputra durch China, Indien und Bangladesch. Er entspringt im Himalaja in Tibet. Im bengalischen Tiefland vereinigt er sich mit dem heiligsten aller indischen Flüsse, dem Ganges, und mündet schließlich in den Golf von Bengalen.

Es ist die erste Fahrt in dieser Saison. Die Monsunzeit ist gerade erst vorüber. Nur fünf Passagiere aus Deutschland, Japan und Australien sind an Bord. Die "Charaidew" lichtet den Anker. Von Guwahati gleitet sie mit gemütlichen fünf Knoten, das sind etwa zehn Stundenkilometer, stromaufwärts. Zwölf Doppelaußenkabinen mit Dusche/WC und Klimaanlage stehen auf dem Oberdeck zur Verfügung. Mit elf Quadratmetern wirken sie geräumig. Wandverkleidung und Mobiliar sind aus Bambus und geben den Zimmern eine "tropische" Atmosphäre.

Nach der Regenzeit bilden sich im Strom kleine fruchtbare Inseln. Fischer staken ihre Boote durch den Fluss oder werfen von kleinen Flößen aus Netze ins Wasser. Die kleine Touristengruppe tuckert mit dem knallblauen Beiboot ans Ufer, um zu Fuß ein Dorf zu besichtigen. Über einen schmalen Pfad stapft sie durch grüne, meterhohe Reisfelder. "In wenigen Wochen ändert sich der Anblick", sagt Reiseleiter Udit, "dann werden die Felder ockergelb, und der Reis kann geerntet werden." Er bildet die Lebensgrundlage der meisten Dorfbewohner. Strom für einige Stunden am Tag gibt es bisher nur für die Häuser einer Straßenseite. Und Wasser holt man immer noch aus dem Ziehbrunnen in der Dorfmitte.

Tezpur ist das nächste Ziel. Die "ABN Charaidew" ankert am Rande der Stadt. Dieses Mal kann man zu Fuß an Land gehen. Im Brahmaputra nehmen an diesem späten Vormittag einige Inder ein religiöses Bad. Andächtig tauchen sie ein paar Mal unter, schäumen ihren Körper mit Seife ein. "Durch die Reinheit möchte man dem Kreislauf der Wiedergeburten entgehen und direkt zur Erlösung gelangen", erklärt Reiseleiter Udit, bevor er mit Blick auf seine Uhr zur Besichtigung der Tempelruine Dah Parbatia und des Shiva-Tempels Maha Bhairab drängt.

Auf den Straßen lärmen Tuktuks (Motoradrikschas) und Mopeds, quietschen Fahrradrikschas. Heilige Kühe wühlen unbeeindruckt davon im Abfall. Viele Häuser sind von Abgasen geschwärzt und häufig notdürftig geflickt. Ein Gewirr aus Kabeln durchzieht die Gassen, dort sitzt ein Schuhputzer, hier ein Schneider. An der nächsten Hausecke wird Zuckerrohr zu Saft verarbeitet. Mit all diesen Eindrücken und einer schaukelnden Fahrradrikscha geht es schließlich zurück zum Schiff.

Am nächsten Tag startet ein Kleinbus Richtung Highway Nummer 37 zum Kaziranga Nationalpark. Links und rechts des Weges sind Teegärten, so weit das Auge reicht. Am Horizont stehen einige Pflückerinnen mit großen, runden Sonnenhüten und Körben. Ansonsten wiegen sich nur grüne Teesträucher, Akazien und Schwarzpfefferbäume im Wind. Ein paar Kühe streifen durch die Anlagen. Zwei Lastenelefanten transportieren Bananenbaumäste. Naturführer Polash gibt eine kleine Teekunde: "Die Sträucher in den Plantagen sind auf Hüfthöhe heruntergestutzt, damit leichter geerntet werden kann. Gepflückt werden nur die jüngsten hellgrünen Blätter und Blattknospen der neuen Triebe."

Im offenen Jeep fährt die Gruppe weiter in den Kaziranga Nationalpark. Er gehört zum Weltnaturerbe der Unesco und umfasst 430 Quadratkilometer. Im Norden wird er vom Brahmaputra begrenzt. Gleich am Eingang grast fast wie bestellt das Wahrzeichen des Parks, das einhornige weiße Nashorn. 1800 soll es im gesamten Areal geben. Eine Elefantenwaschung im Teich und ein kurzer, schaukeliger Ritt auf seinem Rücken sorgen selbst im heftigen Nieselregen für Erheiterung bei den noch wenigen Besuchern. Berühmt ist Assam aber nicht nur für Tee, sondern auch für die goldfarbene Naturseide "Muga". In Kaziranga Haat betreibt Rupjyoti Saikia Gogoi eine Weberei. "Village Weaves" nennt sich die Firma der jungen Unternehmerin.

Auf riesigen Bambuswebrahmen fertigen zehn Frauen des Dorfes Tischdecken, Sets, Wandbehänge, Kleidung und Gamosas, weiße Schals mit eingewebten roten Motiven. Sie werden zu religiösen Anlässen getragen, und Gäste bekommen sie zur Begrüßung umgehängt. In der Nähe der Weberei befindet sich ein Kali-Tempel. An diesem Spätnachmittag ist er voll mit Kindern, Frauen in ihren schönsten Saris und Männern, die in ihren Händen Bambuskäfige mit Hühnern, Enten und Gänsen halten. Die Tiere sollen der Göttin Kali geopfert werden. Auch einige Ziegen harren bereits ihrem Schicksal. Besonders in Ostindien ist es ein Ritual, an dem die Bevölkerung von Kindesbeinen an teilnimmt. Zartbesaitete Nichthindus sollten sich von diesen Schlachtfesten lieber fernhalten.

180 Kilometer hat die "ABN Charaidew" in einer Woche zurückgelegt. Am letzten Abend ankert das Schiff noch einmal mitten in der Natur. Früh am Morgen bringt das Beiboot die Passagiere zum Anleger Silghat. Von Jorhat fliegen sie zurück nach Kolkata. Erste Sonnenstrahlen zeigen sich in weiter Ferne über dem heiligen Fluss Brahmaputra. Ein neuer Tag beginnt.