Der Hamburger Stefan Soennichsen leitet das One Aldwych, ein Fünf-Sterne-Hotel im Londoner Stadtteil Covent Garden

Eine Hotelbar kann ein deprimierender Ort sein, wenn einsame Reisende stumm in ihrem Martini rühren. Es kann aber auch ein sehr demokratischer Ort sein, an dem vollkommen unterschiedliche Menschen zusammenkommen und plötzlich eine große Gemeinsamkeit feststellen: Sie haben Spaß. Die Bar des Hotels One Aldwych in London ist so ein Ort. Eine Familie aus Amerika erzählt der Kellnerin begeistert von dem Theaterstück, in dem sie gerade war. Zwei Damen aus Tokio halten immer wieder einen Ausstellungskatalog in die Höhe und kommentieren die Exponate mit großer Freude. Drei Banker aus Deutschland haben ihre iPads zur Seite gelegt, um ein paar Spiele mitzumachen, die eine Gruppe von jungen Londonern als Junggesellenabschied an der Bar veranstaltet.

Daneben sitzt an einem Tisch Stefan Soennichsen und lächelt. Der 45-jährige Hamburger ist der General Manager des One Aldwych, und genau diese Stimmung liebt er. "Niemand soll sich so fühlen, als wenn er nicht dazugehört. Unser Hotel steht jedem offen. Wenn der Gast zum Frühstück Krawatte tragen muss, läuft was falsch." Soennichsen selbst trägt natürlich Krawatte und Anzug, denn als Repräsentant eines der besten Hotels der Stadt braucht er eine gute Rüstung für die hochkarätigen Gäste, die hier täglich einziehen oder auf einen Drink an der Bar vorbeischauen. Darunter Prominente wie Jude Law und viele andere Theaterschauspieler, die in der Nähe arbeiten.

Das One Aldwych liegt in Covent Garden, einer Gegend, in der die Queen niemals behaupten könnte, sie sei "not amused". An jeder Ecke Kultur und Unterhaltung. Allein 18 Theater liegen in der Umgebung des Hotels, dazu treten viele Künstler und Artisten kostenlos rund um den Apple Market auf. In der U-Bahn wird man auf Schildern gebeten, am Wochenende nicht direkt in Covent Garden auszusteigen, sondern eine Station davor oder danach, weil immer mehr Leute das Viertel besuchen. "So viel Bewegung wie hier gibt es sonst nirgends", sagt Stefan Soennichsen, den sein Job um die ganze Welt geführt hat. Nach einer Lehre als Koch in der Lüneburger Heide ("eine harsche Schule") und ersten Stationen im Hotel Atlantic und auf Sylt ging es für den in Winterhude aufgewachsenen Soennichsen unter anderem nach Südafrika, Singapur und Dubai. Die Arbeitszeiten als Koch waren brutal. "Meine Frau und ich konnten nur nachts um 1 Uhr gemeinsam zu Abend essen, das war nicht gerade familienfreundlich."

Soennichsen wechselte ins Management, baute Restaurants auf, suchte die richtigen Mitarbeiter aus und wurde 2005 schließlich selbst ausgesucht, das Savoy in London zu führen. Das Hotel ist so altehrwürdig und traditionsbewusst, dass es sich sogar einen Geist leistete. "Er kam nachts in ein bestimmtes Zimmer im 9. Stock, niemand wollte dort mehr schlafen", erzählt Stefan Soennichsen und lacht.

Im One Aldwych, wo er seit 2008 ist, gibt es nur Hausgeister hinter den Kulissen, die zum Beispiel ein Egg Benedict zaubern, dass man den Rest seines Lebens nur noch Frühstücken möchte. "Vor 15 Jahren bin ich schreiend aus den Restaurants hier gelaufen", sagt der General Manager. "Aber inzwischen können die Londoner richtig gut kochen." Die Hamburger allerdings auch, fügt er hinzu. Alle paar Monate kommt er noch in die Heimat, um seine Familie zu besuchen, eine Currywurst an der Mönckebergstraße zu essen - und auf der Autobahn ordentlich Gas zu geben. Soennichsen ist Hobbyrennfahrer. "Die Deutschen können auch bei hohen Geschwindigkeiten noch richtig gut Autofahren, hier in England herrscht schon bei Tempo 80 Chaos." Auf der anderen Seite hätten Londoner und Hamburger viele Gemeinsamkeiten wie den trockenen Humor und die Liebe zum Wasser. Als Jugendlicher war Soennichsen oft zum Strandsegeln in St. Peter-Ording, heute fährt er gern mit seiner Frau und seinem dreijährigen Sohn Maximilian nach Devon ans Meer.

Die Krawalle neulich in Tottenham machen Stefan Soennichsen keine Sorgen: "In Covent Garden sind wir davon über eine Stunde entfernt, aber Londons weiße Weste hat dadurch ein paar Flecken bekommen. Sicher kann man sich hier dennoch fühlen."

Was nicht bedeutet, dass nicht auch im One Aldwych unerwartete Dinge passieren. Neben der Rezeption steht eine knallbunte Hundeskulptur eines Künstlers. Sie heißt "Spencer" und ist um die 20 000 Euro wert. Nach einer zu spaßigen Nacht an der Bar wollten zwei Gäste mit dem Hund Gassi gehen und ließen ihn an einer Bushaltestelle stehen - wo, daran konnten sie sich verkatert am nächsten Morgen leider nicht mehr erinnern. Soennichsen musste einen neuen "Spencer" besorgen. Der hat nun ein teures Tiffany-Halsband, spendiert von einem amerikanischen Paar, dessen Tochter großer Fan der Hundeskulptur ist. Wann immer die Familie jetzt im One Aldwych eincheckt, wird "Spencer" der Tiffany-Schmuck angelegt. Soennichsen grinst. Bei ihm fühlt sich jeder dazugehörig. Sogar ein bunter Hund.