Er ist das größte Schlitzohr von allen. Ihm gelingt es sogar, Urlaubern für die kurze Fahrt vom Flughafen zum Hotel am Vormittag 10,50 Euro und Abend-Ankömmlingen für dieselbe Tour 22,30 Euro abzuknöpfen, indem er energisch genug mit dem Zeigefingerknöchel auf die roten Leuchtzeichen der Digitaluhr über dem Autoradio klopft. Der Taxifahrer ist um keinen Trick verlegen - und entscheidet stets nach genauem Vergleich, ob es gerade mehr bringt, die Anzeige des Chrono- oder des etwas abseits und von hinten schwerer sichtbaren Taxameters abzurechnen. Seine Erfahrungswerte zeigen weltweit: Die meisten Passagiere zahlen so oder so widerspruchsfrei - sofern sie in der jeweiligen Stadt nicht ausgerechnet zu Hause sind.

Und gleichzeitig gilt diese Faustregel: Je größer die Stadt, desto unfreundlicher der Taxifahrer - weil er wahrscheinlich denkt, dass man sich sowieso kein zweites Mal im Leben begegnen wird. Meistens hat er damit ja auch recht - es sei denn, der Fahrgast ist insgeheim Verkehrspolizist, Unfallarzt, arbeitet beim TÜV oder als ADAC-Helfer. Oder er merkt sich die Taxi-Nummer und bestellt bei der Zentrale das nächste Mal "bitte ausdrücklich das unfreundliche Arschloch vom letzten Mal mit Wagen Nummer soundso". Das könnte sogar heilsam sein. Und am Ende könnte man sich vielleicht noch anfreunden und regelmäßig aufgestaute Aggressionen aneinander abarbeiten.

Als Profi bringt der gute Taxifahrer Fremdenführer-Qualitäten mit, kann in elf Sprachen "Moin" oder "anschnallen jetzt" sagen und redet so lange und so viel über vermeintliche Attraktionen erst links und dann rechts der Wagenfenster, dass keiner der ortsunkundigen Insassen bemerkt, dass er ständig nur um denselben Block gefahren wird. Im Schnitt schlägt der Taxifahrer so 20 Minuten mehr heraus, um die Tour finanziell für sich noch ein wenig attraktiver zu gestalten.

Trotz seiner gewissen Abgebrühtheit ist der Taxifahrer an einer Stelle aber ausgesprochen dünnhäutig: Er fürchtet, spätestens nach der Hälfte seiner Schicht und mancher schweißtreibender Vollbremsung, unangenehmen Eigengeruch auszuströmen - oder den seiner Insassen wahrzunehmen. Deshalb baumelt unter dem Rückspiegel ein aus einer Spanplatte ausgesägter Mini-Tannenbaum, der im Großhandel ganz nach individueller Vorliebe in unterschiedlichen Farben und vor allem Duftnoten erhältlich ist - von Eukalyptus bis Hühnchen süß-sauer, von Meeresbrise bis Mango-Kokosnuss. Konservative Taxifahrer verzichten auf das sichtbehindernde Sperrholz-Bäumchen und machen stattdessen einfach das Fenster auf - praktisch in der Karibik, auf Island dagegen die meiste Zeit des Jahres ein übermäßig erfrischendes Ärgernis. Für alle Beteiligten.