Eine gemächliche Fahrt durch Myanmar mit dem Teakholzschiff “Amara“ auf dem Strom Ayeyarwarda ist wie eine Zeitreise zurück in das alte Burma

Vorweg muss die Frage beantwortet werden, ob man denn inzwischen guten Gewissens nach Myanmar reisen darf, in dieses traumhaft schöne buddhistische Land im Herzen Südoastasiens, das fast 50 Jahre lang von einer Militärjunta beherrscht und geknechtet wurde und noch immer nicht zur Demokratie gefunden hat. Man darf nicht nur, man sollte sogar, sagen längst auch die meisten Anhänger der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die im November 2010 aus 15-jährigem Hausarrest entlassen wurde.

Kontakte mit gut vorbereiteten Reisenden helfen den Menschen vor Ort - moralisch, weil sie sich sonst noch mehr von der Welt abgeschrieben fühlen würden; wirtschaftlich, weil vor allem die "kleinen Leute" wie Kellner, Köche und Taxifahrer sonst um ihre Existenzgrundlage fürchten müssten. Eine langsame Reise durch Myanmar, zum Beispiel auf dem Strom, der das Leben dieses Landes prägt, bietet jedenfalls genügend Zeit für Begegnungen und respektvolle Annäherung.

Später Nachmittag in Zentralburma auf der "Amara", einem kleinen, feinen Teakholzschiff. Einige Passagiere träumen auf Bambusliegen vor sich hin, heben die Köpfe und die Ferngläser, wenn ein Floß in Sicht kommt, auf dem Essen über Kohleöfen gekocht wird und Wäsche im Fahrtwind trocknet. Die goldenen Kuppeln der Pagoden an Backbord und Steuerbord blinken aus dem dunstigen Tropengrün, hundertfach, tausendfach. Vom Ufer winken Kinder herüber, sanfter Klang von Tempelglöckchen von irgendwoher macht schläfrig und glücklich.

+++Birma - Ursprung der Welt+++

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Die Stunden an Deck fließen so träge dahin wie der breite Fluss Ayeyarwarda. Früher war er unter dem Namen Irrawaddy bekannt. Er ist Lebensader eines Landes, das 1989 auch seine offizielle Bezeichnung gewechselt hat. Über 2000 Kilometer mäandert der Strom durch Myanmar, ehemalig Burma - von den Götterbergen im Himalaja durch Schluchten und Reisland, bis er südwestlich der Hauptstadt Yangon, früher Rangun, in die Andamanensee mündet.

Jetzt, kurz bevor die Nacht fast ohne Übergang beginnt, verwandelt die grelle Sonne wie jeden Tag das Wasser noch einmal in flüssiges Gold. Kapitän Win U, der sein ganzen Leben auf diesem Fluss verbracht hat, lässt ein Beiboot zu Wasser. Zwei Matrosen staken voraus; die ständig wandernden Sandbänke entziehen sich jeglicher Kartografie. Ruhig und gelassen hält Win U die "Amara" auf Kurs.

Zeit für einen Sundowner. Hinter der Bar mixt Mi Mi, den sie alle nur "Mister Smith" rufen, heute eine "Ayeyarwady Queen": viel Gin, etwas Cointreau, Grenadine, Angostura, einen Spritzer Orange. Mi Mi steht kurz vor einem Wirtschaftsexamen, aber in den Semesterferien verdient er sich sein Studium an Bord. Englische Passagiere haben ihm aus einer Sektlaune heraus den "neuen" Namen verpasst, seither trägt er ihn sogar auf dem Schild an seiner blütenweißen Servicejacke. Ob er stolz auf den Nickname ist? Seine Antwort ist ein schüchternes Lächeln

Vor zwei Tagen sind wir in Mandalay, der letzten Königsstadt des alten Burma, an Bord gegangen, über eine schwankende Planke, an deren Seiten zwei Matrosen Bambusstangen als Halt anboten: sieben Österreicher aus einer Familie, ein amerikanisches Ehepaar, wissbegierig und bestens vorbereitet, und wir. Nur sieben Kabinen hat die 30 Meter lange "Amara", sechs davon mit neun Quadratmetern Fläche, eine, die am Bug, ist etwas geräumiger (12 m²). Gegessen wird an Deck, die Bar im Rücken und den Fluss vor Augen, auf dem das Leben wie in einem schönen, stillen Film abläuft.

Gerald Schreiber, ein Münchner Betriebswirt, der mit einer Burmesin verheiratet ist, hatte vor 15 Jahren die Idee, Reisende wie früher auf dem Wasserweg durch das Heimatland seiner Frau bummeln zu lassen: langsam, genüsslich, mit einer gesunden Brise an Deck und auch in den komfortablen Kabinen ohne Klimaanlage. Oft nutzen große Familien oder Freundeskreise alle Kabinen für eine gemeinsame Annäherung an ein Land, das mit Legenden, Klischees und Vorurteilen belastet ist.

"Dies ist Burma, und es wird wie kein anderes Land sein ...", lässt Rudyard Kipling, der Barde des britischen Empire, 1889 einen Freund sagen, als der zum ersten Mal nach Rangun kommt, geblendet von der Schönheit und Erhabenheit der buddhistischen Pagoden. Und auch heute noch ist Burma sehr anders: fremder als alle Nachbarstaaten, dabei traumhaft schön, ein Sehnsuchtsziel für viele - aber noch liegt es im touristischen Abseits. Politische Beobachter gehen davon aus, dass sich das schnell ändern wird, sobald eine politische Öffnung in Sicht ist.

Morgenstimmung, ein erster Kaffee an Deck. Wasservögel huschen über den Strom, ein Fischer lässt sich neben der "Amara" auf seinem Einbaum treiben, das Netz in der einen Hand, mit der anderen winkt er uns. Wieder glitzern an Land die Pagoden in der Sonne. Es duftet nach Spiegeleiern mit Speck und Pfannkuchen. Zum Lunch wird Ko My, der Koch aus Mandalay, etwas Leichtes vorbereiten: Kürbissuppe und Kartoffelcurry. Das Abendmenü: Spinatsuppe, gebratener Tintenfisch, vielleicht auch Butterfisch, den ein Helfer vorhin gefangen hat, und Früchte. Manchmal wird ein Barbecue auf einer Sandbank zelebriert, im Schein vieler Fackeln.

Tagsüber, zwischen diesen kulinarischen Abenteuern: Ausflüge mit Pferde- und Ochsenkarren zu Tempeln und Klöstern, Spaziergänge durch Dörfer, die kein Reisebus anfahren könnte, behutsame Besuche in Schulen, Werkstätten, Webereien, Tabakmanufakturen. Langsame Annäherung mit viel Hintergrund, für den Mr. Tin Tin sorgt. Er ist Reiseleiter, Problemlöser, "Cruise Director", ein gebildeter junger Mann, der mit viel Erfolg für Wohlbefinden in allen Bereichen sorgt.

Längst haben sich die Passagiere über die Abenteuer und Höhepunkte vor der Schiffsreise ausgetauscht, haben sich gegenseitig von den Eindrücken auf der großen Pagode von Yangon, der Shwedagon, vorgeschwärmt, auf der tatsächlich alles Gold ist, was da glänzt. Fast alle haben auch den mühsamen Aufstieg zum Golden Rock bewältigt, einem Felsen, der über einem Abhang ragt und nach dem Glauben der Einheimischen nur durch ein Haar des Buddhas vor dem Absturz bewahrt wird.

Ein anderer Tag, und wieder berührende Begegnungen. Diesmal warten Pferdekutschen auf die "Amara"-Truppe. Eine Stunde Rumpeln über Sandwege, die von Tamarinden, Regenbäumen und Talipot-Palmen gesäumt sind. Und dann eine Schule im Kloster Bagaya: Der Abt und Rektor heißt U Week Sa Ra, er unterrichtet an diesem Morgen 40 Jungen und Mädchen, die sich nur zu gern vom Besuch ablenken lassen.

Letzter Abend. Wir liegen vor Anker, vor uns die Lichter von Bagan, der heiligen Stadt Alt-Burmas. 2000 Pagoden, die meisten nur noch Ruinen, sollen es sein, die aus der Ebene neben der kleinen Stadt von heute ragen, ein melancholisches Paradies für Reisende, die das Staunen noch nicht verlernt haben. Die Passagiere lesen in ihren Reiseführern und bereiten sich auf das Weltkulturerbe vor. Jemand raucht eine Zigarre, wie wir sie in den Dörfern alte Frauen haben paffen sehen. Zu dieser Stunde wirkt sie auch gegen die Moskitos.

Mr. Mi Mi alias Smith empfiehlt zum Abschied einen "Mandalay Old Fashion", Whisky mit Honig, Limonen und Angostura. Starke Scheinwerfer lassen die große Pagode auf dem Berg Tant Gyi, auf der anderen Seite des Flusses, sogar jetzt in der Tropennacht, in goldenem Licht erstrahlen. Aus Bagan, aus der Nähe, wehen Mönchsgesänge an Deck. Und Mr. Tin Tin schlägt den Gong zum Dinner, ganz sanft.