Kleine Fluchten: Das Hotel Hitthim in Kloster auf Hiddensee hat denselben Namensgeber wie die Ostseeinsel - einen stolzen König der Nordmänner

Kloster. Fraglos gehört Hiddensee zu den schönsten Inseln in Deutschland. Abgeschiedenheit und Ruhe locken viele Besucher hierher. "Wenn ich in Schaprode die Fähre besteige, beginnt für mich der Urlaub", höre ich einen Gast sagen. Und tatsächlich geht es mir genauso. Ich habe das Gefühl, dass der Alltag auf Rügen geblieben ist, und freue mich auf zwei Tage Muße. Schon bei der Anfahrt auf Kloster sehe ich von der Fähre aus meine Unterkunft, das Hotel Hitthim, benannt nach einem Wikingerkönig. Der markante Fachwerkbau mit seinen Spitzgiebeln ragt deutlich hervor. Die Lage am idyllischen Hafen des kleinen Ortes ist wunderschön. Erbaut wurde es im Jahre 1910 als Pension auf dem alten Grund eines ehemaligen Zisterzensierklosters, das sich an dieser Stelle befand.

Das Hotel war die Antwort auf die steigende Gästezahl. Die Erbauerin war Clara Haeckermann, eine eigenwillige Frau ihrer Zeit. Als junge Dame war sie Haus- und Hofmeisterin beim Fürsten von Putbus. Als sie den Wunsch äußerte, sich selbstständig zu machen, schlug der Fürst vor, ihr ein Hotel für Feriengäste zu bauen. Doch ihr Bruder Heinrich, ein Justizrat in Greifswald, riet ihr davon ab, sich auf diese Weise wieder in Abhängigkeit zu bringen, und schlug stattdessen vor: "Ich baue dir ein Hotel, such dir einen schönen Platz." Und den hat sie an diesem Ort gefunden. Man erzählt sich, die Inhaberin habe oft selbst auf der Veranda gesessen und dabei Zigarre oder auch Pfeife geraucht.

Zu DDR-Zeiten wurde das Haus als Erholungsheim genutzt. Allerdings war die schöne Fassade mit Putz verkleidet worden, und sein Charakter verloren gegangen. Heute ist das Hotel mit den weiß verputzten Ausfachungen wieder ein Blickfang im Hafen von Kloster. Geschäftsführer ist der Rüganer Thomas Meinhof. Nach seiner Ausbildung drängte es ihn in die Selbstständigkeit, weshalb er 1983 begann, auf Hiddensee als Kellner zu arbeiten. Hier ansässig, machte er eine Ausbildung im Gastronomiebereich. Als ihm nach der Wende Claras Erben das Hitthim anboten, machte sich Meinhof zusammen mit einem Freund und Geschäftspartner, dem Rechtsanwalt Jens Schellknecht, und anderen Investoren mit viel Enthusiasmus an die Arbeit. Sie sanierten das Gebäude und gaben ihm sein heutiges Gesicht.

Abgesehen vom schönen Leuchtturm mit seiner roten Mütze auf dem Dornbusch ist die Kultur ein Wahrzeichen der beschaulichen Insel. Schon immer fühlten sich Künstler von dem Eiland angezogen, die Liste berühmter Zeitgenossen ist lang: Stummfilmstar Asta Nielsen, der Kabarettist Joachim Ringelnatz, die Puppenmacherin Käthe Kruse, Albert Einstein, Ernst Barlach, Sigmund Freud und Gerhard Hauptmann, sie alle waren hier, Letzterer ist auch hier begraben. Künstler, Intellektuelle, Neureiche und Naturfreunde ließen die unverbaute Insel auf sich wirken. Daran hat sich bis heute nichts geändert, sieht man vom Touristenstrom im Hochsommer einmal ab.

Alle Zimmer im Hotel Hitthim sind gemütlich im Laura-Ashley-Stil eingerichtet. Dazu gehören Blümchentapete mit Bordüre ebenso wie Rattanmöbel und bequeme Ledersessel. Stilgemäß wurde alles wie zur vorletzten Jahrhundertwende hergerichtet. Sogar das Nostalgietelefon mit Wählscheibe und schwerem Hörer funktioniert. Der Jugendstil ist im gesamten Haus wiederbelebt worden und kommt an verzierten Zimmertüren, Treppengeländern und Wandlampen zur Geltung. All dies lässt die Atmosphäre damaliger Zeit aufleben, und der Blick von den oberen Zimmern auf den Schaproder Bodden ist nach wie vor wunderschön.

Das Restaurant besteht aus drei unterschiedlich ausgestatteten Räumen, der Tresenbereich ist der urigste. Die Einrichtung ähnelt sehr stark einer alten Kneipe - mit viel Holz und witzigen nostalgischen Utensilien wie einem alten Friseurstuhl. Die Gerichte sind gutbürgerlich. Zum Beispiel Pommerscher Rippenrollbraten mit Backpflaumen und Aprikosen, dazu hausgemachtes Apfelrotkraut und Petersilienkartoffeln oder der gedünstete Ostseedorsch in Grauburgunder mit feinen Wurzelgemüsestreifen an Kräuterrahm, dazu Reistimbale. Als Nachspeise ist die hausgemachte Sanddorncreme unbedingt zu empfehlen. Die Auswahl an offenen Weinen ist groß, darunter befinden sich auch Weiß- und Spätburgunder vom Ihringer Winklerberg, die Gerhard Hauptmann angeblich sehr zu schätzen wusste. Als "Verteiler" sollte man den Hiddenseer Sanddorngeist probieren, der brennend serviert wird.

Gut und reichhaltig ist auch das Frühstücksbuffet. Es stärkt ausgiebig für einen Rundgang um das Hügelland Dornbusch - der ist für Flachländer ganz schön anstrengend.

"Kleine Fluchten" gibt es auch als Buchreihe. Jeder der fünf Bände kostet 12,95 Euro, erhältlich im Buchhandel oder übers Internet: www.abendblatt.de/shop