Ein Seufzer von Franz Lerchenmüller

Und nun, sagte Paco, nachdem wir uns eine Stunde über das Schafehüten und die Wölfe in der Extremadura unterhalten hatten, nun müssten wir seinen Onkel und seine Tante besuchen. Über die mageren Weiden lenkten wir den Peugeot hoch zu dem kleinen Haus, das schmutzig weiß und ganz allein auf dem Hügel thronte.

Man hatte uns kommen sehen. Der Onkel mit grauen Stoppeln, gelben Zahnstummeln und einem nie ausgehenden Lächeln. Die Tante, ganz in Schwarz, straffer Haarknoten, mächtiger Busen. Zwei heiratsfähige Töchter. Sowie Antonio, der Vogelfänger, den jeder mochte, aber keiner ernst nahm. Paco, knapp 20, war stolz. Stolz auf die Familie, die er liebte, und auf die fremden Gäste, von denen es hier noch nie welche gegeben hatte.

Machen wir einen Rundgang, schlug der Onkel vor. In einer kleinen Prozession zogen alle von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit: ein neugeborenes Lamm; zwei Kühe; der Pfau. Der Onkel zeigte, wie er in kürzester Zeit einen Pferch einzäunte, die Tante beschrieb detailliert die Herstellung von Ziegenkäse. Und Antonio präsentierte lachend seine Kastenfallen. Es wurde Abend und schnell kühl. Zwei Öllampen erleuchteten die kleine Stube, Schatten flackerten über den Steinfußboden. Im Kamin entzündete die Tante ein Reisigfeuer. Der Onkel schenkte uns Wein in einen verbeulten Zinnbecher, alle anderen tranken aus Tassen. Rot vor Anstrengung brachte eine der Töchter eine irdene Schüssel aus der Küche. Es gab Lammgulasch mit Kartoffeln und wenigen Stücken Fleisch. Die verteilte die Tante ganz selbstverständlich auf unser beider Teller. Protest war sinnlos. Die Brühe schmeckte, das Fleisch bestand aus Knorpeln. Alle sahen uns zu, zwölf Augen leuchteten im Halbdunkel. Strahlend fragte die Tante, ob es schmeckte. Wir kauten tapfer und bejahten nicht weniger strahlend.

Die Männer rauchten. Die Tante fischte Spielkarten aus ihrer unergründlichen Schürze, aus der vorhin schon eine Knoblauchknolle, Streichhölzer und ein Wischlappen aufgetaucht waren. Paco und Antonio spielten kurz. Dann gab der Onkel ein Zeichen. Aus einer Kiste holten die Töchter einen kleinen Fernsehapparat. Großes Erstaunen: Fernsehen hier, wo es doch nicht einmal elektrisches Licht ...? Alle schmunzelten, in stolzer Erwartung der Lösung. Aha! - die zweite Kiste enthielt eine Autobatterie. Verschwommen flimmerte der Anfang eines Westerns, "Los dos musqueteros", über den Bildschirm, während die Blicke der Familie zwischen ihm und uns hin- und hergingen. Nach fünf Minuten ordnete der Onkel an, abzuschalten: Die Batterie musste geschont werden. Die Tante ging schon einmal daran, zwei Feldbetten aufzuschlagen ...

Man nannte es "Reisen". Es war, bevor der Tourismus erfunden wurde.