Die Pfalz gilt als die Toskana Deutschlands. Oder ist die Toskana die Pfalz Italiens? Eine Autotour zur Weinlesezeit entlang der Deutschen Weinstraße.

Der Pfälzer an sich ist ein herzlicher, ein lebensfroher Mensch, sein Naturell eine Mischung aus französischer Genussfähigkeit und bayerischer Deftigkeit. Und die Pfalz selbst ist bekannt für ihr mildes Klima. Mit 1800 Sonnenstunden im Jahr lässt sie die Wärme nicht so schnell los. Nichts aber hat die Region so geprägt wie Wein und Reben. Deshalb muss eine Pfalz-Tour im Weinberg enden, beim Winzer.

Wir starten in Deidesheim. Hier stehen mit Abstand die meisten Fünf-Sterne-Hotels pro Einwohner in der Region. Die Restaurants, selbst die gutbürgerlichen, sind vorzüglich. Und Weingüter gibt es beinahe an jeder Straßenecke. Viele sind seit Generationen erfolgreich.

Im 160 Jahre alten Weingut Dr. Deinhard in Deidesheim warten zur Weinprobe im schattigen Gutshof feine Rieslinge und Spätlesen. Mit Namen, die Geschichten versprechen: "Ruppertsberger Linsenbusch", "Deidesheimer Mäushöhle", "Deidesheimer Herrgottsacker", "Deidesheimer Grainhübel". Unser Favorit: "Forster Ungeheuer". Der gefiel schon Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck: "Dieses Ungeheuer schmeckt mir ungeheuer." Oder ging es ihm mehr um das Wortspiel?

Es heißt ja oft, die Pfalz sei die Toskana Deutschlands. Oder ist die Toskana die Pfalz Italiens? Wer weiß ... Der September ist jedenfalls ein guter Monat, dieser Frage nachzugehen. Auf unserer Tour fahren wir entlang der Deutschen Weinstraße zu den Winzerorten Deidesheim, Neustadt, Maikammer, St. Martin und Edenkoben bis in die alte Domstadt Speyer mit dem größten romanischen Kirchenbau nördlich der Alpen. In und um Neustadt begegnen uns Palmen und Pinien, in der Südpfalz Störche auf feuchten Wiesen, in Gärten Zitronen, Kiwis und Feigen.

Wir kurven von Winzer zu Winzer, von Weindorf zu Weindorf. Auf unserer Fahrt sehen wir eine Familie im Weinberg picknicken. Da darf ein Gläschen Winzerwein nicht fehlen. Denn zwischen Pfälzerwald und Rheinebene wächst nun mal ein Meer von Reben. Die Pfälzer sagen auch: unsere Lebensader - 85 Kilometer ist die Deutsche Weinstraße lang. Die zusammenhängende Route führt von Bockenheim im Norden bis nach Schweigen an der französischen Grenze. Sie ist das älteste und zweitgrößte Weingebiet des Landes. Der meiste Rotwein mit deutschem Etikett wird hier angebaut.

Kellermeister Kurt Rathgeber vom Weingut Dr. Deinhard erklärt, dass der Wein ein Kind des Bodens sei, in dem er seine Wurzeln schlägt: "Die Böden sorgen für die feinen Geschmacksnuancen. Verwitterter Buntsandstein, Basaltgeröll, Kalk und Schichten aus Löss und Lehm sind beste Grundlagen für Wein mit Charakter." Außerdem mag Riesling Sonnenschein und Regenschatten - die Kombination existiert am Rande des Haardtgebirges. Und der Preis? "Ein guter Riesling beginnt bei sechs Euro", sagt der Kellermeister. Die Spätlese bei zehn Euro. Lage, Klima und Böden machen Deidesheim und Umgebung zu Top-Lagen für "König Riesling", die edelste deutsche Weißweinsorte.

Direkt an der Weinstraße liegt Neustadt. In dieser Kleinstadt findet alljährlich im Oktober das Deutsche Weinlesefest statt, auf dem die Pfälzische und die Deutsche Weinkönigin gekrönt werden. In Neustadt gab es im Pfälzischen Erbfolgekrieg kaum Beschädigungen, alles ist noch alt und verwinkelt. Nicht nur kulinarisch sehr zu empfehlen: die Eselsburg. In diesem Wirtshaus in Neustadt-Mussbach wird gute Pfälzer Küche serviert, von der Schlachtplatte bis zum Zehn-Gänge-Menü. Zwischen den Speisen können Besucher an den Wänden die Werke wechselnder Künstler bewundern.

Bald nähern wir uns dem Stolz der Pfalz: dem Hambacher Schloss. In Hambach, einem Stadtteil Neustadts, spielte sich einst große Geschichte ab: 30 000 junge Burschen, Liberale und Demokraten, zogen 1832 mit wehenden Fahnen in Schwarz-Rot-Gold dorthin. Am Berg feierten sie vier Tage ein rauschendes Fest. Ihre Forderung: ein geeintes, demokratisches Deutschland - wie wir es heute kennen. Noch immer flattert die Fahne über der "Wiege der Demokratie". Durch einen Kiefernwald erreichen wir den Gipfel der 673 Meter hohen Kalmit, den höchsten Punkt des Pfälzerwalds, der mit 1771 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands ist.

Eher Symbol feindlicher Übernahme ist Edenkoben. Dort steht Villa Ludwigshöhe, ehemaliger Sommersitz von König Ludwig I. von Bayern. Sie erinnert daran, dass nach dem Wiener Kongress 1815 die Pfalz Bayern zugeschlagen wurde und bis zum Versailler Vertrag 1919 dort verblieb. Die Villa beherbergt heute eine sehenswerte Dauerausstellung mit Werken des Impressionisten Max Slevogt, den die Pfalz inspirierte. Auch der bayerische König nannte die Pfalz "schönste Quadratmeile meines Reiches". Alpen hat die Pfalz zwar nicht zu bieten, dafür aber mit dem Elsass einen charmanten Nachbarn: Hinter Schweigen, wo die Weinstraße endet, beginnt mit Wissembourg bereits Frankreich. Hüben wie drüben sehen die Fachwerkhäuser ähnlich aus, die Weinberge, Kirchen und Klöster. Und wenn ein Elsässer und ein Pfälzer in ihrem Dialekt "babbeln" ("isch prowier's emol annersch"), verstehen sie sich bestens.

Beim Ortsschild St. Martin setzen wir den Blinker. Der denkmalgeschützte Ort ist einer der schönsten der Südpfalz. Die Sonne wärmt, als wäre es noch Sommer. Unser Glück ist fast perfekt. Einzig die Speisekarten im Ort irritieren uns: "Lewwerknepp" ist als Gericht gelistet, "Fleschknepp", "Schwartenmagen". Kann das mal einer übersetzen? Im Restaurant Castell bestellen wir Saumagen. Hauchdünn, in Butter angebraten, schmeckt er richtig gut. Zum Nachtisch serviert Küchenchef Werner Mücke Zwetschgenparfait.

Je später es wird, desto mehr rücken die Gäste zusammen. Überall "Hallo", "Ach widder do"-Rufe. Der Auswärtigen erbarmt man sich: "Kummen Se her, do isch noch was frei." Wie auf einer Dorfhochzeit, so geht es zu. Schnell sind wir fast bilingual: "Grumbeere" sind Kartoffeln, "Weck" Brötchen und "Woi" der Wein, lernen wir. Lebensfreude geht hier durch Bauch und Kehle. Wie war das noch mal? "Wein saufen ist Sünde. Wein trinken aber ist Beten." Die Pfälzer scheinen ein sehr frommes Volk zu sein.