Die Städtereise zu Wasser ist nicht mehr nur für ältere Passagiere interessant. Auch jüngere Erholungssuchende kommen zunehmend an Bord.

"Ich weiß nicht, was soll das bedeuten, dass ich so tra-hau-rig bin ...", singt eine Passagierin voller Inbrunst und richtet den Blick nach oben zum Loreley-Felsen. Die jüngeren Passagiere an Bord der "TUI Allegra" grinsen, als die Seniorin an der Reling das "Märchen aus uralten Zeiten", das ihr nicht aus dem Sinn geht, weiter intoniert.

Alt in der Tat ist die Sage der Loreley, die mit ihrem güldenen Haar reihenweise die Rheinschiffer in den Untergang trieb. Neu ist die Mischung der Gäste auf Flussfahrten, die sich zum einen weiterhin aus sogenannten Best-Agern rekrutiert, zum anderen aber aus einer jüngeren Generation von Erholungssuchenden, die sich eine Auszeit nehmen will von der Hektik des Berufsalltags. Ideal zum Entschleunigen ist die komfortable Flusskreuzfahrt, bei der man entspannt das Breitwandpanorama abwechslungsreicher Uferstriche vorbeiziehen lassen kann, sich ab und zu mit einer Wellnessbehandlung verwöhnt, mit Fitness die Kalorien exzellenter Küche abarbeitet und beim Anlegen die Wahl zwischen organisierten Ausflügen oder Entdeckungen auf eigene Faust hat. Ausgedient hat die altbackene Rentnerreise. Stattdessen genügt die Ausstattung auf modernen Flussschiffen den gehobenen Ansprüchen der Neuzeit, mit der die meisten jederzeit und überall vernabelt und verkabelt bleiben möchten.

Diesen Anforderungen tragen bekannte Betreiber von Flusskreuzfahrten wie Arosa, TUI, Sea Cloud Cruises und Viking Rechnung und bieten Genussreisen auf dem Niveau luxuriöser Kreuzfahrten an, mit allen technischen Annehmlichkeiten. So bezeichnet TUI ihr Programm explizit als "FlussGenuss". WLAN ist zwar nur gegen eine Gebühr von fünf Euro pro Tag erhältlich, dafür wird auf vielen Routen kein Einzelkabinenzuschlag erhoben.

Am beliebtesten sind laut der Studie des DRV (Deutscher Reise-Verband) "Der Kreuzfahrtenmarkt Deutschland 2010" Flusskreuzfahrten auf der Donau. Hier war jeder dritte deutsche Flussfahrer unterwegs. Mit Abstand folgten der Rhein und seine Nebenflüsse sowie der Nil. Insgesamt steigerten die Veranstalter bei einem Umsatzplus von über elf Prozent (471,6 Millionen Euro) ihre Passagierzahlen um 9,3 Prozent auf insgesamt 432 766 Gäste gegenüber dem Vorjahr. Damit sind die Deutschen Weltmeister.

"Urlaub auf dem Wasser begeistert immer mehr Menschen", heißt es beim DRV. Dabei boomen auch die Flusskreuzfahrten. 164 Schiffe werden auf dem deutschen Markt angeboten.

Gründe für die Reize der Flusskreuzfahrt liegen auf der Hand: Man wird kaum seekrank, erlebt stressfrei den ständigen Wechsel zwischen eindrucksvollen Landschaften und interessanten Städten und genießt gleichzeitig die Bequemlichkeit, trotz aller neuen Eindrücke und Besichtigungen nie die Koffer neu packen zu müssen. Diesen Komfort ließen sich die Passagiere laut DRV-Studie 2010 bei einer Reisedauer von sieben bis acht Tagen im Schnitt rund 1090 Euro kosten.

Auch TUI-Kreuzfahrtexperte Andreas Casdorff sieht eine Verjüngung bei den Flusskreuzfahrern: "Es zieht jüngere und jung gebliebene Urlauber auf die Flüsse, die diese Reiseart als genussorientierte Städtereise wahrnehmen. Aktuell liegt der Altersdurchschnitt bei 56 Jahren, im vergangenen Jahr noch bei 59,4 Jahren. Insbesondere bei der Altersgruppe 41 bis 55 Jahre verzeichnen wir eine stetig steigende Nachfrage." Weniger Passagiere - dafür größere Kabinen, lautet die Devise auf den modernen Schiffen. Auf dem Donau-Kreuzer "MS Mozart" sind die Kabinen zum Beispiel 20 m² groß, die Suiten mit Balkon messen 40 m².

Das Image der Branche wird entstaubt. Außer der "Hardware" verjüngt sich auch die "Software", sprich, die Themen, unter denen die Reiserouten ausgeschrieben sind und die Angebote an Land. An Bord schlagen Golfer auf einem Putting Green ab, Krimi- und Filmabende, Humor-Experten des Hamburger Theaters Schmidt Tivoli oder rauschende Partynächte ersetzen biedere Bordunterhaltung.

Städte lassen sich auch per Segway (elektrisch angetriebener Stehroller) oder bordeigenem Fahrrad erkunden. In Amsterdam wird das Rotlichtviertel erkundet, Shopping-Kurztrips und Rundflüge machen sich neben reinen Kulturprogrammen stark.

Den Luxus der Langsamkeit gönnt sich auch Arosa. 64 Millionen Euro Umsatz hat die Reederei 2010 erwirtschaftet. Genau seit einem Jahrzehnt werden die Schiffe 2012 im Einsatz sein. Im März wird die "Arosa Silva" in Dienst gestellt. 10. Jahr mit 10. Schiff - ganz passend. Grund genug für die Rostocker Reederei, mit einigen Jubiläumsangeboten zu locken. Die Arosa Flussschiff GmbH ist auf die Donau sowie Rhone/Saone und Rhein spezialisiert und bietet Themenreisen zu Kultur, Golf und Genuss mit Meisterköchen an Bord. Neu sind die "Grand Tours", Reisen ab zehn Tage Dauer, wie die 19-tägige "Donau Delta Intensiv" von Frankfurt bis ans Schwarze Meer. Für Select-Kunden (vergleichbar mit Business Class) gibt es die neue Getränkepauschale von 29 Euro pro Nacht, mit über 100 Getränkeangeboten. Auch die Rostocker reichern ihre Landprogramme mit Shopping, Nightlife, Musicalbesuch oder Radtouren an. Auf drei Routen können die Passagiere direkt vom Anleger neben der Seilbahn die Bundesgartenschau 2011 besuchen. Oder zur Weihnachtszeit den berühmten Nürnberger Christkindlesmarkt.

Für viele Passagiere ist der Weg das Ziel. Einige gehen nie von Bord. Selbst in St. Goarshausen nicht, wo Ausflügler vom Rhein zum Felsplateau hinaufgefahren werden. Dort oben soll die schöne Verführerin ihr Haar gekämmt haben. Stattdessen genießen die Hardliner lieber den Blick von unten und vertrauen auf das Geschick ihres Kapitäns, die gefahrenvolle Klippe sicher zu umschiffen. Ob mit oder ohne Loreley.