Die Kolumne von Uwe Bahn

Ich komme gerade zurück aus Spitzbergen, diesem eisigen Eiland ganz im Norden. Von dort ist es näher zum Nordpol als nach Oslo. Auf Spitzbergen wohnen knapp 3000 eingemummte Einwohner. Und - das macht Spitzbergen so spannend - 3500 Eisbären (Lateinischer Name: Ursus maritimus). Mit den Tieren ist nicht zu spaßen. Vergessen Sie Kuschel-Knut, der Eisbär will nicht kuscheln, wenn er Sie trifft. Ein Eisbär, der sich aufrichtet, ist 2,50 Meter groß. Also einen Kopf größer als Dirk Nowitzki. Der will nur spielen, der Eisbär nicht.

So wurden wir für unseren Spitzbergen-Besuch gebrieft. Wenn der Eisbär vor einem steht, nicht weglaufen. Er ist eh schneller, hätte beim olympischen Massensprint große Medaillenchancen. Und: Ein Eisbär schlägt immer mit der linken Tatze zu, Eisbären sind Linkspfoter. Gut zu wissen. Außerdem gilt für Eisbären dasselbe wie für Panther: Schauen Sie ihnen nicht in die Augen. Es bringt auch rein gar nichts, den Eisbären mit seinem lateinischen Namen anzusprechen; das empfindet er in der Regel als anmaßend. Und hoffen Sie nicht, dass es seltene Eisbär-Exemplare gibt, die Vegetarier sind. Das kommt nicht vor. Diese Bären fressen keine Beeren.

Begleitet wurde unsere Reisegruppe von einem Eisbärenwächter. Er eskortierte uns mit einem geschulterten Gewehr, einem Bärentöter wie bei Lederstrumpf. Allerdings darf ein Eisbär erst geschossen werden, wenn er näher als 50 Meter ist. Dann ist es Notwehr, sonst ist es Mord, und der Schütze kommt in Iglu-Isolationshaft. Was ich erst hinterher erfuhr: Der Wächter hat nur einen Schuss. Und der muss den Eisbären zwischen die Augen treffen. Zum Nachladen ist keine Zeit mehr. Bei einem Fehltreffer geht es nicht wie beim Biathlon in die Strafrunde, sondern direkt in die ewigen Jagdgründe. Und was ist, wenn zwei Eisbären auftauchen? Dann kann man nur hoffen, dass Sie beim Schuss direkt hintereinander stehen.

Was nicht wirklich beruhigt: Auf Spitzbergen leben die kleinsten Eisbären. Damit die Gefahr nicht unterschätzt wird, stehen überall Verkehrsschilder: Achtung Eisbären. Die Bären auf den Schildern sind jedoch schwarz, weil weißer Eisbär auf weißem Grund schwer zu erkennen ist. Eine Gruppe bietet mehr Schutz, als wenn Sie allein durch die Tundra stapfen. Weiterhin empfehle ich den Anschluss an eine Gruppe mit korpulenten Mitgliedern. Wenn der Eisbär Hunger hat, bevorzugt er Schweinshaxe statt Bockwurst. Auch wenn der Eisbär sich in erster Linie von Robben ernährt, wir geben eine gute Vor- bzw. Nachspeise ab. Jüngst hat ein Eisbär auf Spitzbergen einen jungen Briten gerissen. Also, ganz ernsthaft: Vorsicht!

Allerdings: Gäbe es auf Spitzbergen keine Eisbären, sondern nur Schneehasen - die Insel hätte keine Touristen. Jeder hofft insgeheim, einen Eisbären zu sehen. Im Hauptstädtchen Longyearbyn steht der nördlichste Supermarkt der Welt. Die Regale sind voll mit Maskottchen. Eisbär-Tassen, Eisbär-T-Shirts, Eisbär-Teddys. Es sieht fast aus wie im Fanshop eines Fußballklubs. Und da fällt mir zum Schluss ein: Sollte der FC Bayern im Europacup auf Spitzbergen antreten, dann ist einer besonders gefährdet: Arjen Robben.