Zwischen Norderney und Neuguinea: Schiffsarzt Dr. Rainer Edelhoff behandelt Passagiere der “Hanseatic“ - und während der Landgänge auch Fischer und Bauern

Seit dem frühen Morgen driftet das Expeditionsschiff in der Salomonsee, dem alten Bismarck-Archipel. Zum Ankern ist das Wasser hier vor der Küste Neuguineas zu tief, eine Pier gibt es vor dem Inselchen Tuam nicht. Dr. Rainer Edelhoff, an Bord stets nur der "Doc" genannt, packt seine Arzttasche und bereitet sich auf den Landgang vor. Die Reederei hat einen großen Karton voller Medikamente gestiftet, Antibiotika, Brandsalben, Augentropfen, Tabletten gegen Malaria, alles apothekenfrisch. Der Doc wird die Heilmittel nachher im Dorf mit einer einheimischen Krankenschwester ordnen und besprechen.

Rainer Edelhoff stammt aus Hannover. Die Liebe zum Meer war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Aber schon als junger Mann drängte es ihn zur See. Fernweh war der wesentliche Grund, als er vor Jahrzehnten auf den inzwischen legendär gewordenen Hapag-Frachtern der Westfalia-Klasse anheuerte. Gleich die erste Fahrt ging nach Indonesien. Vor ein paar Monaten war er nun einmal wieder unterwegs im größten Inselreich der Welt, dies-mal als 56-jähriger Bordarzt auf der "Hanseatic", zum dritten Mal auf Expeditionskurs. Klar hat er Vergleiche gezogen - und gestaunt, wie wenig sich in den entlegenen Häfen der Kleinen Sunda-Inseln und in Papua-Neuguinea verändert hat.

Auch nach dem Medizinstudium und einer langjährigen Tätigkeit im Krankenhaus - unter anderem als Chefarzt der Nordseeklinik auf Norderney - hat ihn die Sehnsucht nach dem Meer nicht losgelassen. Er war schon Ende 40, als er für vier Jahre zur Marine ging. Auf den Fregatten "Brandenburg" und "Niedersachsen" konnte er seine Seetauglichkeit noch einmal gründlich beweisen. In den engen Kajüten dieser schlanken Schiffe hat er alle Variationen der Seekrankheit studieren können. Nur er selber blieb bis heute davon verschont.

Nicht nur Passagiere, die sich zu viel Sonne in Äquatornähe zugemutet haben, die alle Warnungen beim Baden in einem Korallenrevier ignoriert, bei einem Imbiss an Land die Regeln außer Acht gelassen, sich beim Tanzen den Fuß verstaucht oder schlicht "nur" Zahnschmerzen haben, kommen in seine gut ausgestattete Praxis im untersten Deck. Der Doc ist auch eine wichtige Vertrauensperson für die Matrosen und Deckshelfer von den Philippinen, für die Österreicher und Italiener aus der Küche und dem Service. Wenn er hin und wieder ihre Brandwunden oder Knochenbrüche behandeln muss, erzählen sie ihm von zu Hause. Manchmal schütten sie ihm auch ihr Herz aus, wenn es in der Beziehung kriselt. Rainer Edelhoff hat eine Gabe, die ihm immer wieder die Sympathie von Passagieren, Mannschaften und Dorfbewohnern in entlegenen Welten sichert: Der Mann kann zuhören.

Nichts Menschliches ist ihm über die Jahre fremd geblieben. Er hat Schlaganfälle und Oberschenkelfrakturen erlebt, die den Transport mit einem Hubschrauber ins nächstgelegene Krankenhaus notwendig machten, eine Entscheidung, die er stets vertrauensvoll mit dem Kapitän bespricht. Und er weiß, wann die Tabletten gegen Seekrankheit, die an der Rezeption für alle bereit liegen, womöglich nicht mehr ausreichen, wann er Pflaster kleben oder womöglich noch weiter reichende Maßnahmen ergreifen muss.

Entspannung findet der leidenschaftliche Zodiacfahrer, wenn er "sein" Schlauchboot rasant über die Wellen hüpfen lassen kann. Liebste Ziele sind dem Doc dabei abgelegene Inseln, auf denen er während der Landgänge auch Fischer und Bauern verarztet. So wie auf Tuam im ehemaligen Deutsch-Neuguinea bespricht er dabei mit Krankenschwestern vor Ort die Medikamente, die das Schiff als Gastgeschenk mitbringt. Von Neukaledonien, der letzten Station auf der Indonesien-Papua-Reise, war Rainer Edelhoff für ein paar Monate nach Hause geflogen. Bilder im Computer ordnen, durchatmen in der Nordseeluft, auf die nächste Reise vorbereiten.

Zum Beispiel nach Südamerika, vor ein paar Wochen erst. Zunächst durch den Beaglekanal und die Magellanstraße, wo es viel wert ist, nicht seekrank zu werden, danach durch die chilenischen Fjorde, weiter über Kolumbien und durch den Panamakanal in die Karibik. Auch einen alten Traum aus Jugendzeiten hat sich der Doc inzwischen erfüllen können: endlich mal den Amazonas in voller Länge zu befahren, von Iquitos in Peru bis an die brasilianische Küste und weiter in die Karibik. Den Kontakt zu seiner Frau, Lehrerin auf Norderney, und den beiden Töchtern hat er dabei wieder wochenlang, wie schon auf seinen längeren Touren in Asien und in der Südsee, nur übers Internet pflegen können.