Eine Glosse von Bernd Schiller

Reisen bildet, und Sport verbindet. Zum Beispiel in Chinchoro, einem sehr abgelegenen Dorf im peruanischen Hochland. Es liegt zwischen dem Heiligen Tal des Urubamba und der Inkafestung Machu Picchu.

Dort haben wir ein paar Jungen beim Fußball zugeschaut. Der Platz war staubig und der Ball so zerschlissen wie die Kleidung der Knirpse. Irgendwann fanden sie es wohl spannender, sich die Fremden näher anzuschauen. Mit der Verständigung lief es anfangs etwas mühsam. Die Dorfjugend in den Anden spricht zwar Spanisch, auch ein paar Brocken Englisch, am liebsten aber Quechua, die alte Inkasprache. Doch die anfängliche Schüchternheit der Indios war schnell kindlicher Neugier gewichen: "De dónde ... woher?" Aaah, Alemania ... muy bien! "Oooh, Hamburgo, fantastico, magnifico ... großartig, toll", mit einem Wort: "Guerrero!"

Für die kleinen Hochland-Dribbler war Hamburg bis vor Kurzem ein so unbekannter Ort wie für uns Chinchoro. Aber spätestens seit der Copa America vor ein paar Wochen, bei dem Paolo Guerrero sein Heimatland auf den dritten Platz schoss, wird im peruanischen Fernsehen immer wieder erwähnt, dass der Torschützenkönig des Turniers in Hamburgo, Alemania spielt (wenn er denn spielt ...). Flugangst, immer neue Verletzungen, sogar ein Flaschenwurf - geschenkt! Der "Krieger" - dies ist die Bedeutung von Guerrero - wird auch in Peru gern mal seinem Namen gerecht. Seinem Ruhm als Nationalheld aber hat das nie wirklich geschadet.

Ein besonders talentierter Junge in Chinchoro brachte schließlich die Schnelllebigkeit im Fußballgeschäft auf den Punkt: "Ballack yesterday, Guerrero today!" Sí, mein Freund, so ist es. Unser Ballack-Abräumer hieß übrigens Oreco Nurarranca, ein Name wie eine Siegergirlande. Irgendwann, wenn er es tatsächlich mit dem Fußball hinaus in die Welt geschafft hat, der Traum eines jedes Jungen in Südamerika, irgendwann wird man ihn nur noch respektvoll Oreco nennen. Man wird ihn feiern, womöglich in Manchester oder Hamburgo, in Peru sowieso. Er wird sich ein paar Kapriolen leisten können, man wird ihn, den Sohn eines Landarbeiters, lieben und auf Schultern tragen. Und jeder wird dann wissen, wo Chinchoro liegt.