Am nächsten Wochenende kommt die “Queen Mary 2“ wieder zurück zum Terminal am Grasbrook. Wie Passagiere die Fahrt auf dem Luxusliner erleben.

Mein Herz geht an Bord

und fort muss die Reise geh'n ...

Von der Reling sieht diese Stadt noch schöner aus als sie es ohnehin schon ist: der Michel, die Landungsbrücken, der Fischmarkt und Blankenese gleiten vorbei. Und von Land sieht dieses Schiff mindestens so schön aus wie es tatsächlich ist: eine Lady von unaufdringlicher Eleganz, majestätisch, trotz ihrer Größe eben ein richtiges Schiff, keine schwimmende Fabrik. Und so sind beide Seiten gerührt, wenn die "Queen Mary 2" wieder einmal die Elbe abwärts zieht.

"Gänsehaut pur", sagt an Deck eine Dame neben mir, die sich mit dieser Nordlandreise einen Traum erfüllt. "Zum Niederknien", sagen die Freunde, die drüben bei Jacob auf der Hotelterrasse stehen, Wunderkerzen und weiße Tücher schwenken und mir ihre Emotionen übers Handy mitteilen. Hans Albers ist irgendwie auch immer mit von der Partie, hier wie dort, La Paloma oheee ...

Es ist das vertraute Ritual, seit sieben Jahren schon. Aber es nutzt sich nicht ab: Auch am nächsten Wochenende, wenn die Queen zum 20. Mal Hamburg anläuft, werden wieder Tausend und Abertausend Menschen den Hafenrand säumen und der Königin der Herzen ihre Reverenz erweisen. Und die an Bord, die eben noch die Naturwunder Norwegens bestaunt haben, werden wieder feuchten Auges auf alle Türme schauen. Und sich freuen, dass sie diese Stadt durch ihr schönstes Tor passieren, auf diesem Schiff.

Mich trägt die Sehnsucht

fort in die blaue Ferne ...

Kurs auf Bergen, 441 Seemeilen von Hamburg entfernt. Einen Abend, eine Nacht, einen Tag Zeit, das Schiff von innen zu entdecken, sich zu orientieren, Backbord von Steuerbord zu unterscheiden - gar nicht so leicht auf einem so großen Dampfer in Fahrt. Gut 2000 Passagiere (von 2620 möglichen) verlaufen und verlieren sich auf 13 Decks; zwischen Kunstgalerie und Läden wie Chopard, Hermès oder Swarovski stehen sie plötzlich vor noblen Bars oder im coolen Internetzentrum, im Spa oder im Kasino.

Es ist der zweite Abend an Bord, und wir sitzen im Golden Lion Pub, trinken Guinness, werfen Darts und planen die Nacht. Das Dinner im Restaurant "Britannia", benannt nach dem ersten Dampfschiff, das der alte Cunard 1840 von England aus über den Atlantik geschickt hat, war von solider Qualität: Rinderrückenstück mit Wurzelgemüse und Yorkshire-Pudding, locker serviert von Kumar, Hamish und Kollegen. Das Frühstück hingegen, heute morgen im King's Court auf Deck 7 eingenommen, weil das "Britannia" überfüllt war, ließ manchen Erstpassagier staunen.

Das hatten sie nicht erwartet, nicht auf diesem Schiff: Selbstbedienung, alles aus der Kühltheke holen und dann das Tablett gegen den Wellenschlag balancieren, bis ein Plätzchen gefunden war. Aber den "Repeaters" an Bord, den alten Hasen, die bereits zum fünften oder zehnten Mal mitschwimmen, scheint das zu gefallen. Jedenfalls ist dieses "Alternative Dining" auch mittags mehr als gut besucht, besonders Fish and Chips, die britische Version der Pommesbude, findet reichlich Zuspruch bei den Gästen. Es muss halt auch auf der "Queen Mary 2" nicht immer Kaviar sein.

Fast alles und vieles sogar gleichzeitig ist möglich auf diesem Schiff. Wer rechtzeitig Bescheid sagt, kann koscher essen oder vegan, Pommes Schranke bestellen und gern auch einen Rotwein der Marke Petrus, Jahrgang 1994, die Flasche zu 2100 Dollar oder so. Wer den ordert, sagt Kumar, fragt nicht nach dem Preis. Das gilt auch für Kaviar, die mittlere Dose Malossol (1,8 Kilo) kostet 3500 Dollar.

Herr über alle Vorräte, verantwortlich für Einkauf, Lagerhaltung und letztlich für die Qualität jeglicher Produkte ist Stefan Engl aus Graz, ein gemütlicher Genussmensch. Für zwei Millionen Euro kauft er vor jeder Transatlantikreise ein, bei Kreuzfahrten darf es etwas mehr sein. In Bergen zum Beispiel lässt Engl 300 Kilo frische Garnelen auffüllen. Und in Hamburg, wo doch die meisten deutschen Passagiere zusteigen? "Wir bunkern dort nur Bratwürste für das bayerische Büfett. Und Jacobs Krönung, Kaffee also, wie ihn besonders unsere deutschen Gäste gerne mögen."

Küchenchef Karl Winkler stammt aus dem Salzburger Land. Er ist Herr über 230 Mitarbeiter, reist und kocht seit 1975 weltweit auf Cunardschiffen. Nur zu gern lässt er seiner Fantasie kreativen Lauf und spricht, etwa im "Todd English", dem Gourmet-Restaurant" auf Deck 8, Zuzahlung 30 Dollar, alle Sinne seiner Gäste an - mit Maine-Krabbenkuchen auf feuriger Tomatensauce zum Beispiel. Aber generell gilt an Bord: "Konservativ geht am besten, Beef Wellington, Ente à l'orange, Chateaubriand..." Der Meister hat damit keine Probleme. Für ihn ist sowieso ein Wiener Schnitzel das Größte: "Die Brösel bringe ich mir immer aus Österreich mit!" Kein Wunder, dass er sich gut mit dem Kollegen Johann Lafer versteht, der auf dieser Reise als eine Art Stargast dabei ist. Auch der liebt seine Klassiker und zeigt dem Publikum fröhlich, wie man seine Bratkartoffeln zuhause wirklich kross bekommt.

Für Winkler und seine Brigade ist neben der Qualität die Logistik immens wichtig: "Gut 2000 Hauptgerichte innerhalb einer halben Stunde an die Tische zu bringen, das ist eine Herausforderung, die jeden Tag aufs Neue bewältigt werden will." Auch sein Patisserie-Chef Roberto Lemboy trägt dazu bei. Er ist einer der vielen Filipinos an Bord, einer, der sich nach oben gearbeitet hat. Neun Monate werkelt er in der Küche, fast zehn Stunden am Tag. Dann fliegt er für zwei oder drei Monate nach Hause und schaut, wie es den Kindern bei ihrem Studium ergeht, das er durch seine Arbeit auf der "Queen Mary 2" finanzieren kann. Denn den größten Teil der 2000 Dollar Monatslohn schickt er an seine Familie.

Von einer solchen Karriere ist sein Landsmann Ricky jedoch noch weit entfernt. Er schuftet tief unten in der Wäscherei, stopft von morgens bis abends ein paar tausend Kissen in die Maschinen, bügelt Bettbezüge und faltet, zusammen mit seinen Kollegen, jeden Tag an die 10 000 Servietten. 500 Dollar bekommt er dafür monatlich, und auch davon lebt seine Familie auf der fernen Insel Negros nicht schlecht, wie er glaubhaft versichert.

Unter mir Meer

und über mir Nacht und Sterne...

Der Polarkreis ist passiert. Morgen wird das Nordkap angesteuert. Und heute Abend steht auf dem Programm unter anderem "Showtime, ein Feuerwerk auf vier Saiten", Kino, Bar- oder Pub-Bummel. Aber der Höhepunkt, jedenfalls für viele Damen, deren Gatten schon lange verstorben sind oder zumindest das Tanzen aufgegeben haben, wird "Strict Tempo" im Queens Room sein. Die strengen Regeln gelten dabei nicht nur für Foxtrott oder langsamen Walzer, sondern erst recht für jene legendären Gentlemen, die von der Reederei engagiert werden, damit sie die Ladies an Bord angemessen betanzen.

Diese Herren, zumeist in Ehren ergraut, müssen gut führen und sich nett unterhalten können. Flirten - und erst recht, was darüber hinausgehen könnte - dürfen sie nicht. Und doch, so haben wir es uns im Vertrauen von einem der Gentlemen Host in Churchill's Cigar Lounge erzählen lassen, soll es doch zuweilen prickelnde Situationen geben, bei ihm sogar eines Nachts an der Reling, als er einer Dame die Gestirne erklären wollte.

Dreimal, bis sich endlich die Sonne zeigt, umrundet der Kapitän am nächsten Morgen das Nordkap, dann haben alle ihr Foto im Kasten. Der Hafen Honningsvang, in dem wir vor Anker gehen, gibt sich trist, grau und kalt. Der Ausflug zur Nordspitze ist teuer und nicht wirklich lohnend. Aber mit dem Kap ist es wie mit dem Schiff. Beides ist ein Mythos, und es ist dort nicht dasselbe, nur vorbei zu fahren, wie es hier nicht dasselbe ist, die Königin der Meere nur vom Ufer aus zu sehen. Man muss, so sagt es ein Pensionär aus Hamburg, ein Technikfreak, dessen Großvater auf der Deutschen Werft gearbeitet hat, man muss an Deck gestanden und unter sich die Kraft von 117 000 PS gespürt haben.

Nach vorn geht mein Blick,

zurück darf kein Seemann schau'n ...

Südwärts, heimwärts. Noch ein paar reizvolle Schönwetterhäfen, Tromsø, Ålesund. Immer öfter werden jetzt tagsüber die Liegestühle draußen genutzt. Auch von Anja Tabarelli, die wir an ihrem Lieblingsplatz auf Deck 7 treffen. Ein Dutzend Mal ist die blonde Hamburgerin, Verkaufs- und Marketingchefin von Cunard, schon mitgefahren: "Und noch jedes Mal genieße ich dieses Erlebnis, das immer wieder neue Facetten bietet". Der alte Samuel Cunard, dessen Bild in einem der Treppenhäuser hängt, würde staunen, wenn er sehen könnte, was aus seinen Schiffen geworden ist.

Elbaufwärts, Hamburg entgegen. Der Zufall will es, dass ich neben der Dame vom ersten Abend an der Reling stehe, als die Türme der Stadt in Sicht kommen. Und, na klar: Tränen an Bord, Gänsehaut an Land, wie vor zehn Tagen. Meine Nachbarin schaut nach vorn: "Norwegen war wunderschön, aber nun habe ich schon wieder einen Traum: einmal über den großen Teich schippern, einmal von diesem Schiff aus die Wolkenkratzer von New York aus dem Dunst auftauchen sehen ..."