In grünbewegten Zeiten wie diesen muss die Natur locken, und zwar vorwiegend solche, die so “völlig unberührt“ ist.

Das Paradies zieht nicht mehr. Die himmlische Umschreibung, die noch bis vor ein paar Jahren für nahezu jede Ferienlandschaft herhalten musste, kommt neuerdings nicht mehr so oft vor im Vokabular der Reisebranche. Vielleicht liegt es daran, dass in manchen "Paradiesen" von gestern heute schnell mal die Hölle los ist.

In grünbewegten Zeiten wie diesen muss stattdessen die Natur locken, und zwar vorwiegend solche, die so "völlig unberührt" ist, wie es ja nicht mal der Garten Eden war. Egal ob es sich um die Südsee oder die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst handelt, vor der sich an jedem normalen Wochenende der Verkehr staut. Ungerührt schwärmen Verkehrsvereine und touristische Organisationen von ihrer angeblich sich selbst überlassenen Natur, zum Beispiel an der türkischen Riviera, einer Lieblingsbadewanne halb Europas, ja sogar auf Mallorca, dessen "Wanderreviere eine unberührte Landschaft" bieten, wie das InfoMallorca.net behauptet.

Gemeint ist wohl meistens eine halbwegs intakte Natur, wie sie sich ja in der Tat an manchen Orten überraschend widerständig zeigt. Aber aus der Sicht der Werbeprofis wollen die Leute ihre Natur halt lieber porentief rein genießen, keimfrei, aber mit Komfort. So wie man sie angeblich völlig unberührt in Ostfriesland vorfinden kann, kein Witz. Oder in jedermanns Lieblingsprovinz Toskana, wo ein Ferienhausvermittler ganz ungeniert Natur pur verspricht, direkt vor der Haustür. Oder in Sambia, wo ein Jagdreiseveranstalter ebenfalls ein besonderes Erlebnis unberührter Natur ankündigt, gar nicht weitab vom Schuss, nämlich gleich direkt "vor der Luxuslodge ..."

Schana in Südtirol steuert eine besonders kuriose Variante bei, nämlich "unberührte Lärchenwälder", erzählt aber im gleichen Absatz, dass genau diese Lärchen zu den "beliebtesten Baumaterialien" gehören und "ihr Harz vielfach Verwendung findet". Und wo jegliche Natur, egal, wie geschunden sie in Wahrheit ist, zumindest im Katalog unangetastet vor sich hindämmert, muss auch alles "endlos" sein: Meere, Strände, Küsten, Wälder, Seen, Wanderwege. So endlos wie die Fantasie der Reiseindustrie. Und so grenzenlos wie die Naivität - oder sagen wir lieber: der gute Glaube vieler Urlauber.