Im Nordwesten der Insel liegt die Gebirgskette Tramuntana. Aufgrund ihrer Einzigartigkeit soll sie in diesem Monat Weltkulturerbe werden.

Pere Campins steht am Fuße des steil aufragenden Puig de sa Creu in der Serra de Tramuntana und schaut stolz über sein hügeliges Land. So weit er blickt, das ganze Gebirge scheint mit alten, knorrigen Olivenbäumen bewachsen zu sein. "Einige von ihnen sind mehr als 800 Jahre alt", sagt Pere. "Die Phönizier haben sie nach Mallorca gebracht. Und hier im Tramuntana wachsen die Oliven besonders gut."

Pere, 41, ist ein echter Mallorquiner. Und ein Mancori. So nennen sich die Ureinwohner des kleinen Gebirgsdorfes Mancor de la Vall. Es ist kein Ort für Touristen. Strand und Meer sind weit weg, in der Ferne taucht im Dunst die Nachbarinsel Menorca auf. Im Dorf gibt's nicht viel zu sehen: die Pfarrkirche Sant Joan Baptista, eine denkmalgeschützte Ölmühle, einige Herrenhäuser und wenige Kilometer weiter aufwärts in den Bergen die 200 Jahre alte Finca de Sa Font Garrover mit 100 000 Olivenbäumen. Peres Elternhaus.

Arbeit ohne Ende für Pere und seinen 71-jährigen Vater. Die Pflege des 60 Hektar großen Anwesens, die Ernte sowie das Pressen der Oliven fordern vollen Einsatz. Bis zu 40 000 Liter Öl erwirtschaften sie jedes Jahr. Die Campins lieben ihren Hof und das Gebirge. "Ich bin im Tramuntana groß geworden, kenne jeden Pfad, jeden Stein, jeden Strauch", sagt Pere.

Gespannt wartet er auf die nächsten Wochen. Noch in diesem Monat soll das Tramuntana-Gebirge von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt werden. Die Regierung erhofft sich einen Schub für den Naturtourismus. In der einmaligen Landschaft sind unzählige Spuren der Vergangenheit erhalten: archäologische Reste früherer Siedlungen, uralte Köhlerplätze, Terrassen zum Anbau von Oliven- und Mandelbäumen aus der Zeit der Araber und Überbleibsel ausgeklügelter Bewässerungssysteme. "Die Serra de Tramuntana ist ein seltenes Beispiel für intelligente landwirtschaftliche Nutzung im Mittelmeerraum in den vergangenen Jahrhunderten", sagt Begona Gonzalez vom zuständigen Planungsamt. Zwei Jahre hatte der Inselrat die Kandidatur vorbereitet. Sie wird von vielen Prominenten unterstützt, angeführt vom spanischen König Juan Carlos, Tennisweltstar Rafael Nadal, der gebürtiger Mallorquiner ist, und dem Schauspieler und Mallorca-Liebhaber Michael Douglas.

Wenn sein Gebirge Weltkulturerbe würde, wäre das für ihn das Größte, sagt Pere Campins und betont: "Aber für uns Bauern müsste auch etwas herausspringen, finanzielle Unterstützung für unsere Arbeit. Denn wir pflegen das Land und halten es in Ordnung."

Mit dem Tourismus kommt Pere immer dann in Berührung, wenn sich Wanderer auf seinem Landgut verlaufen. "Die meisten sind auf dem Weg zur Berghütte Tossals Verds. Dann zeige ich ihnen den Weg durchs Gebirge. Allerdings ist es ärgerlich, wenn sie das Tor zum Grundstück offen lassen. Dann laufen die Schafe weg und verirren sich im Gelände." Etwa 70 Prozent der Serra sind in Privatbesitz. Meist haben die Bergführer Schlüssel zu den verschlossenen Gattern.

Die Gebirgskette ist nach den Nord- und Westwinden Tramuntana benannt. Sie bildet eine Wetterscheide zum Inselinneren. So kommt Mallorca in den Genuss milderer Winter, aber auch regenärmerer Tage. Die Serra de Tramuntana macht etwa ein Drittel der Fläche Mallorcas aus. Sie erstreckt sich über 90 Kilometer an der Westküste und ist mit steilen Bergen und fruchtbaren Tälern von unschätzbarem ökologischen Wert. 19 Orte mit gesamt knapp 90 000 Einwohnern liegen im Tramuntana-Gebirge. Die bekanntesten sind Valldemossa, in dem einst Komponist Frederic Chopin mit seiner Lebensgefährtin Georg Sand einen Winter verbrachte, der Künstlerort Deia und die Städte Soller und Pollenca. Der kleinste Ort ist Orient mit 40 Einwohnern, die Gemeinde Fornalutx wurde vor Jahren zum schönsten Dorf Spaniens ernannt.

Der höchste Berg ist der Puig Major mit 1445 Metern. Doch kein Bergwanderer darf ihn erklimmen, er gehört zum militärischem Sperrgebiet. Der Puig de Massanella, Mallorcas zweithöchste Erhebung, ist dagegen regelmäßig Ziel vieler Bergwanderer.

Der Aufstieg zum Massanella gilt als Königs-Etappe. Wir machen uns mit Wanderführer Hermann Kuen, 50, von der Alpinschule Innsbruck (ASI) auf den Weg. Gleich hinterm Kloster Lluc geht's los. Wir kommen an einer Finca vorbei und tauchen ein in einen dichten Wald aus Steineichen. Der Weg wird steiler. Wir kommen an Schneehäusern vorbei, historische, einfache Bauten, die nicht mehr genutzt werden, in denen früher Eis hergestellt und bis in den Sommer gelagert wurde. Die Bauern brachten die Eisblöcke in die Täler, dort dienten sie zur Kühlung von Lebensmitteln. Es geht über karstiges Gelände bis hinauf zum Gipfel - 1367 Meter hoch. Drei Stunden dauert der Aufstieg. In der Ferne sehen wir die Bucht von Alcudia, die Lederstadt Inka und tief unter uns das glitzernde Wasser des Cuber Stausees. Beide Seen, der Cuber und der Gorg Blau, garantieren die Trinkwasserversorgung der Insel.

"Das Tramuntana-Gebirge ist eins der schönsten Wandergebiete der Welt. Mit dem Weltkulturerbe würde es geadelt", sagt Hermann Kuen. "Ich bin begeistert", schwärmt auch die Hamburgerin Sabine Mang, die oft auf die Insel kommt. "Ein einmaliges Gebiet mit gut ausgeschilderten Wanderwegen."

Von großem Reiz ist die Trockenmauerroute GR-221 durch die Serra, 272 Kilometer lang. An besonders schönen Punkten des Weges stehen Berghütten, in denen für etwa elf Euro übernachtet werden kann. Die Route gehört zum Netz der spanischen Fernwanderwege und ist mit dem Hinweis GR ausgeschildert, für Gran Recorrido (Fernwanderweg). Etwa 150 000 Wanderer und Naturfreunde durchstreifen jährlich die Serra de Tramuntana. Wenn sie Glück haben, können sie wilde Ziegen beim Klettern beobachten, kleine Eidechsen oder den Mönchsgeier, Europas zweitgrößten Greifvogel, auf der Insel vor dem Aussterben bewahrt.

Eine der schönsten Wandertouren verläuft durch das Tal der Finca Galatzó. Das Landgut ist seit fünf Jahren erschlossen. Vom Hauptgebäude führen vier Wanderwege über das 1400 Hektar große Gelände mit herrlichen Ausblicken auf die umliegenden Berge und den kahlen Gipfel des Puig de Galatzó. Wer hier wandert, bewegt sich auf historischem Boden. Die Erstbesiedelung des Tales geht wohl auf die Bronzezeit um 1500 vor Christus zurück.

Die Autofahrt zu Mallorcas höchstgelegenem Dorf Galilea ist ein kleines Abenteuer. Eine schmale Straße schlängelt sich in unzähligen Serpentinen den Berg hinauf. Neben der Kirche finden wir die "Bar Parroquial". Wie es heißt, gibt es hier die besten Tapas der Insel. Maria serviert uns ihr Kartoffelomelette "Tortilla espanola" und das leckere "Pa amb Oli Mixto", das berühmte mallorquinische Tomatenbrot in Öl. Am Nebentisch stärken sich einige Radfahrer aus Tirol, die nach der Tour über die Bergstraßen eine Pause genießen.

Weiter geht die Fahrt zum Terrassen-Dorf Banyalbufar. Hier steht der Wachturm "Torre de Ses Animes", von dem aus einst die Mallorquiner das Meer beobachteten, um rechtzeitig vor Piraten gewarnt zu sein. Heute gibt es den schönsten Ausblick auf einen spektakulären Sonnenuntergang.

Die wahre Faszination der Serra de Tramuntana jedoch genießen neben Olivenbauer Pere Campions auf seiner Finca noch weitere fünf Menschen. Eremiten, die oberhalb von Valldemossa in der Einsiedelei "Ermita de la Trinitat" sich der inneren Einkehr und dem Gebet widmen. Alle sind über 80 Jahre alt. Sie versorgen sich selbst, wollen von der Gesellschaft nichts wissen, meiden jeden Kontakt zur Außenwelt. Für sie, so haben sie einem Wanderer mal zu verstehen gegeben, sei die Serra de Tramuntana das Paradies auf Erden.