In seiner Welt ist alles ein bisschen kleiner. Die Masse macht's. Allmorgendlich scheppert er mit dem Servierwagen voller Schrumpf-Schnäpse, Mini-Whiskeys und Zwergenwein durch die Hotelkorridore, um Dutzende Zimmerkühlschränke in Werkzeugkofferformat auf Verluste durchzusehen und neu zu befüllen. Regelmäßig taucht er in aller Frühe auf, um rechtzeitig vorm Check-out der Gäste nachzuzählen, wie viel von dem Zeug aus dem kleinen, lauten Kühlschrank unter der Schreibtischplatte seit Einzug gebührenpflichtig verdunstet ist.

"Bitte nicht stören"-Türschilder sind ihm bei der Verrichtung seines Jobs herzlich egal. Scheinbar arglos klopft er, donnert "Housekeeping!!" gegen die furnierte Pressholzplatte, während er seine Karre so dynamisch gegen eine unerwartet stabile Korridorwand rangiert, dass es gewaltig klirrt und spätestens jetzt auch in den nächsten acht Zimmern alle senkrecht im Bett stehen und vorgewarnt sind.

Der Minibar-Mann ist von der Attitüde her so etwas wie der Zöllner unter den Kellnern. Denn grundsätzlich geht er davon aus, dass jeder Gast ein potenzieller Zechpreller ist und im Schnitt eine Batterie Mini-Korn oder eine halbe Palette Mikro-Förstergesellen-Magenbitter heimlich eingeatmet haben dürfte und diesen Umstand gegenüber dem Rezeptionisten ganz aus Versehen verschweigen würde.

Ginge es nach ihm, dürfte er dafür Verhaftungen noch am Tatort durchführen. Weil das aber nach Einschätzung des Direktors schlecht fürs Folgegeschäft mit dem betreffenden Gast ist, hat man den Minibar-Mann in einer Reihe von Schulungen eindringlich aufgefordert, doch bitte davon besser abzusehen. Mit einigem Widerwillen hält er sich zumeist an diese Direktive - um den aufgescheuchten, in den Bademantel gewickelten Gast dann doch mit langatmigen Vorträgen zu behelligen, wem er schon alles auf die Schliche gekommen sei. Dass fast die Hälfte der Minibar-Konsumenten die leeren Fläschchen mit Leitungswasser wiederauffüllen und zurückstellen. Dass die Cleversten den Schraubverschluss mit eigens mitgeführtem klaren Nagellack überpinseln, damit es einen Drehwiderstand gibt, als sei das Ding noch nie geöffnet gewesen. Und dass er das alles natürlich weiß und sofort durchschaut. "Mit mir nicht", sagt er dazu. Und: "Ich kenne meine Pappenheimer!" Mancher Gast fasst sich spätestens dann ein Herz, faucht auf einmal: "Raus jetzt", schiebt den Störenfried mitsamt der Klirr-Karre in den Gang zurück, knallt die Kühlschranktür zu. Und geht wieder zu Bett. Eine durch und durch unverdächtige Reaktion. Die einzig richtige sogar.