Der unberührte Norden Griechenlands ist durch eine neu gebaute Autobahn jetzt besser erschlossen und erwartet ausländische Touristen. Die treffen dort auf schwebende Felsenklöster, charmante Bewohner - und im Geiste auf den Vater aller Götter

Es geht bergauf in Griechenland. Zumindest das ist sicher, wenn der Wanderer den Aufstieg von Litochoro auf den Olymp, das höchste Gebirge Griechenlands, beginnt - um dort vielleicht Zeus, den Göttervater, nach einer Erklärung für die Tragödie seines Landes zu fragen. Der alte Mann auf seinem Thron wird nur weise sein Haupt schütteln und den Kopf wieder in den Wolken vergraben. Der Wanderer geht also zurück ins Tal, um sich das anzuschauen, was den Norden dieses Landes ausmacht, denn wer Griechenland und seine Menschen besser verstehen will, fährt hierher. Im Norden, fernab von Stränden und dem glitzernden Meer gelingt die Konzentration auf das Wesentliche viel besser. Man sieht schöne Landschaften, trifft auf Menschen, die noch nicht an Touristen gewöhnt sind. Die Reise wird zu einem Theaterstück mit einer einmaligen Kulisse und engagierten Darstellern.

Doch die Aufführung beginnt leider gleich im ersten Akt mit einer wahren Tragödie: Wir sind in der Provinz Makedonien unterwegs, einem Gebiet mit einer Fläche von 34 000 Quadratkilometern und damit der größten geografischen Region Griechenlands. Der Urlauber stellt sich die Frage, was denn nun eigentlich der Unterschied zwischen Makedonien und Mazedonien ist. Und trifft damit sogleich zielsicher in die erste griechische Wunde.

Seit es 1991 zur Gründung der Republik Mazedonien im ehemaligen Jugoslawien kam, beharren beide Länder darauf, das wahrhafte Mazedonien zu sein. Als dann The Former Yugoslavian Republic of Macedonia (F.Y.R.O.M.) von den Vereinten Nationen anerkannt wurde und für seine Flagge den mazedonischen Stern - nach Auffassung Griechenlands eindeutig ein griechisches Symbol - verwenden wollte, kam es zum Eklat. Bis heute verhandeln beide Länder unter Beteiligung der Uno, wer sich nun warum oder warum nicht Mazedonien nennen darf.

Zweiter Akt und ein Kulissenwechsel: Der Reisende begibt sich vom Olymp zur archäologischen Stätte Dion - in der Antike die heilige Stadt des Zeus und seiner Götter. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es auf der neu gebauten Eginatea-Autobahn weiter zu den Meteora-Klöstern. Die 24 Klöster, von denen heute noch sechs bewohnt sind, stehen im Osten des Pindos-Gebirges. Besonders ist ihre Lage: Sie wurden auf einem hohen Felsen gebaut, steil fallen die Flanken in eine tiefe, dunkle Schlucht. Bei diesiger Luft sieht es manchmal sogar so aus, als würden sie schweben.

Das erste Kloster ist seit dem 11. Jahrhundert in Betrieb. Sobald die Tür hinter einem ins Schloss fällt, kommt das Gefühl auf, als wäre man in einer anderen Welt. Besucher wandeln zwischen Ikonen und Weihrauchgeruch durch die engen Räume. Für fünf Minuten könnte man sich sogar vorstellen, hier auch mal Nonne oder Mönch zu sein, weil es so schön ist und überraschend weltlich: "Natürlich haben wir hier Internet", sagt Schwester Fotini und muss lachen.

Halbe Stunde Pause und dritter Akt: Essen kann man gut in Makedonien. Wenn man auf dem Weg zum nächsten Schauplatz irgendwo vor dem Dorf Ziakas Rast macht, steht da mit Sicherheit auch eine Taverne, wie ein Adlerhorst auf den Gipfel geworfen. Das Holz im Kamin prasselt, es gibt frische Kräuter zu Fleisch vom Grill, und gastfreundliche Menschen verleiten einen auf ihre charmante Art und Weise dazu, noch mindestens zwei Ouzo zu trinken.

Doch Makedonien ist groß, und wir müssen weiter. Nach Kastoria, einer byzantinischen Stadt, die auf einer Halbinsel in den Orestidasee hineinragt, an dessen Ufer man eine Flamingokolonie entdeckt. Wer halb um den See herumfährt, landet in Mavriotissa, einem winzigen Kloster, das bis weit in die 1960er-Jahre nur mit dem Boot erreichbar war. Pater Gavrill ist dort täglich anzutreffen und erklärt anhand der drei miteinander verbundenen Kirchen aus dem 13. Jahrhundert in einem beeindruckenden Abriss das Drama des Christentums. Der knapp 70-Jährige ist in dritter Generation Priester und führt die Gäste mit blitzenden Augen durch sein Reich.

Vierter Akt und großes Finale: Wenn man in Makedonien ist, stolpert man über zahlreiche historische Stätten. Die bekannteste ist ohne Zweifel Vergina. In der Nähe war vermutlich die antike Stadt Aigai, bis 410 v. Chr. die Hauptstadt des Königreiches Makedonien und als Begräbnisstätte der makedonischen Könige bekannt. Die Ausgrabungen begannen 1866 und dauern bis heute an. Den bedeutendsten Fund machte 1977 Manolis Andronikos, als er vier Grabstätten entdeckte - eines davon ist das Grab Philipps II., des Vaters von Alexander dem Großen. Die außerordentlich gut erhaltenen Grabkammern geben einen gut aufbereiteten Überblick über die makedonisch-griechische Historie.

Den beeindruckenden Schlussakt bekommt der Besucher auf seinem Weg Richtung Grevena in Milia zu sehen. Der kleine Ort hat es 2009 ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. Denn in dem 300-Seelen-Dorf steht ein Museum, das den 5,2 Meter langen und 500 Kilogramm schweren Stoßzahn eines Mastodonten ausstellt. Zufällig entdeckt von Herrn Thanassis, einem Bauern aus dem Ort. Während der heute 84-Jährige den Museumsraum in einer ehemaligen Schule aufschließt, stolz, wie es nur die Griechen sein können, denkt man an Alexander den Großen. An Zeus und an die besonderen Menschen, die man in Makedonien trifft - und denen es hilft, wenn man noch weitere Aufführungen ihres großartigen Theaterstückes besucht.