Eine Glosse von Dagmar Gehm

"Man sieht nur mit dem Herzen gut", sagt der Fuchs zu dem kleinen Prinzen in dem gleichnamigen Roman von Antoine de Saint-Exupéry. Wie oft Prinz William Arthur Philip Louis Mountbatten-Windsor angesichts der Flut seltsamer Auswüchse zu seiner Hochzeit mit Catherine Elizabeth Middleton am 29. April seine Augen verschließt, um lieber nur mit dem Herzen zu sehen, ist nicht bekannt.

Als mich neulich ein Freund aus London fragte, was ich mir zum Geburtstag wünsche, sagte ich: Kitsch as Kitsch can! Ein gnadenlos schreckliches Geschenk bitte, das Scheußlichste, was er an Kate/William-Hochzeitssouvenirs auftreiben kann.

John wurde fündig. Schwierig sei es nicht gewesen, versicherte er, denn die Andenkenindustrie hätte nicht an kreativem Wildwuchs gespart. Der Engländer breitete seine Schätze aus: ein Geschirrhandtuch mit lebensgroßen Köpfen von William und Kate, embedded in zwei ineinander verflochtene Goldringe, flankiert von zwei britischen Flaggen, umrandet mit einem blauen Band und güldenen Kronen. Aus dem Geschenkesack zauberte John noch einen Becher mit rotem Herz, in dem sich die Verlobten inniglich anstrahlen, einen Aschenbecher mit dem immer gleichen Motiv im königsblauen Kranz und passende, ziemlich grässliche Untersetzer. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Das waren die kitschigsten Kate-William-Hochzeits-Andenken der Welt!

Kaum traute ich mich, die Präsente ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Erschien es mir doch wie ein Sakrileg, nach dem Abwasch mit des nassen Küchenmessers Schneide durchs Konterfei von Kate-noch-Middleton auf dem Geschirrtuch zu fahren. Gar mit der Nasenspitze des Prinzen in ein Bierglas zu tunken, um letzte Wassertropfen aufzusaugen. Auch brach es mir fast das Herz, als jemand seine Zigarette im Dekolleté der Prinzessin in spe ausdrückte. Ich beschloss, den royalen Aschenbecher nur noch als Dekoration zu nutzen.

Derart gut gerüstet, spare ich mir die Reise zur Hochzeit des Jahres nach England. Ich werde mich mit Königskinderbecher voll Windsor Castle Tea vor den Fernseher setzen, auf die grausigen Untersetzer Butter Cookies verteilen, den Aschenbecher dazustellen - näher kann man nicht dran sein.