Bei Dunkelheit im Hotelzimmer hat sie ihren großen Auftritt: die röhrende Minibar.

Es ist, als ob sie nur darauf gewartet hat, dass es endlich dunkel wird im Hotelzimmer. Dann ist die Zeit für ihren Auftritt gekommen. Erst macht sie dieses spotzende Geräusch, das so klingt, als hätte sich ein Rasenmäher-Motor verschluckt. Dann rumpelt sie, läuft gleichmäßiger, kommt in Schwung - und klingt sofort mächtiger, hört sich plötzlich nach designter Karosserie an, nach Rennwagen-Spoiler und breiten Reifen. Wie in der Formel 1 beim Herausrollen aus der Boxengasse zur Startlinie: Die schmächtige Minibar unter dem Schreibtisch ist nun startbereit.

Bei Dunkelheit scheint sie auf Touren zu kommen, das Kühl-Aggregat zu spülen und anschließend richtig Power zu geben - in jedem Hotelzimmer der Welt, jedes Modell jeden Herstellers. Sie wird dann aktiv, wenn es am meisten stört. Weil sie die Bühne dann endlich für sich alleine hat. Weil alles andere schweigt und der kleine Kühlschrank mit Schnäpsen, Säften und überteuertem Piccolo-Sekt zu Höchstform auflaufen kann. Manchmal macht sie vor lauter Rütteln sogar einen kleinen Satz nach vorne. Den Schreibtisch lässt sie mitvibrieren und als Schallverstärker fungieren, wenn sie sich zu nah an dessen Furnier herangeruckelt hat. Drinnen zittern die vielen teuren Drinks mit. Und irgendwann wackelt, brummt und rotiert das ganze Zimmer scheinbar um die Minibar herum.

Für den ersehnten Schlaf bedeutet das nichts Gutes. Zwei Möglichkeiten gibt es: All das hinnehmen, selber an Rennwagen denken und ein bisschen Mitleid mit der kleinen Minibar haben, die noch nie rausgekommen ist und nichts von der Welt gesehen hat. Die andere Möglichkeit ist: Einmal tief durchatmen, wieder aufstehen und der zur Startlinie strebenden Minibar eiskalt den Stecker ziehen. Zwei-, dreimal ruckelt sie dann noch traurig nach und muss zurück in die Boxengasse - wegen technischer Probleme.

Letztlich empfiehlt sich diese konsequente, aber herzlose Methode nicht. Denn andere fahren das Rennen trotzdem weiter. Die Klimaanlage zum Beispiel. Kaum ist der klangintensive kleine Kühlschrank erledigt, rumpelt und röhrt und knattert die Klimaanlage wie aufs Stichwort, als wittere sie nun ihrerseits eine Chance, den großen Preis im Mitternachtsrennen zu gewinnen. Sie zittert hinter ihrer Metall-Lamelle unterhalb der Zimmerdecke, ist zentral gesteuert und sowieso nicht abzuschalten. Deshalb sollte auch die Minibar mitrumpeln dürfen.

Um das Beste aus der nächtlichen Klangbelästigung zu machen, sollte man künftig eine schwarz-weiß karierte Fahne im Koffer mitführen, sie kurz vor dem Schlafengehen schwenken und damit allen elektrischen Zimmergenossen das offizielle Startzeichen geben. Dann fühlt es sich wenigstens so an, als hielte man das Zepter in der Hand.