Die russische Metropole, eine der vermögendsten Städte der Welt, bietet Superreichen exklusive Vergnügungsplätze. Alle anderen dürfen zuschauen

Sie kaufen europäische Fußballklubs, retten englische Zeitungshäuser und bescheren der deutschen Yachtindustrie Höchstumsätze. Die Oligarchen (Herrscher) sind eine kleine Gruppe von Menschen mit großem Vermögen aus dem Erdöl- und Stahlgeschäft oder aus Spekulationen. Die meisten von ihnen leben in Moskau, das wirtschaftlich so stark ist wie ganz Südafrika oder Thailand. 21 Prozent des russischen Bruttoinlandprodukts oder 280 Milliarden Dollar werden hier erwirtschaftet. Aber wo leben die Wendegewinner in Moskau?

Eigentlich nicht im Zentrum, pompöse Villen und Datschen haben sie außerhalb der Stadtgrenzen. Deshalb sorgen sie täglich für grotesken Stau. Wenn Wladimir Putin und Dmitri Medwedew, die in unterschiedlichen Kreml-Gebäuden residieren, morgens und abends durch die Stadt chauffiert werden, sind in der Innenstadt so viele Straßen für ihre Trosse gesperrt, dass halb Moskau bis zu einer Stunde lahmgelegt ist. Alle fluchen, aber das stört die Macht nicht.

Weil das Verkehrsdesaster auch Reiche lästig finden, haben sich immer mehr von ihnen eine Stadtwohnung zugelegt. Gern über zwei, drei Etagen mit Pool auf dem Dach und vielen dienstbaren Geistern auf 200 bis 1000 Quadratmetern, sicher bewacht von einem Bataillon an Security-Personal. Der Berliner Architekt Peter Knoch, mit einer Russin verheiratet, mischt seit zwölf Jahren im Moskauer Bauboom mit, er weiß, wo Betuchte leben: rund um die ulica Ostoschenka nahe der Innenstadt, zwischen dem Fluss Moskwa und den Straßen Preschistenka, Zubovskij und dem Borovikaja-Platz. Ein überschaubares und das am meisten geschlossene Viertel Moskaus, von der Metrostation Park Kultury aus gut zu erlaufen.

Einige Künstler entdeckten das Quartier Ostoschenka wieder

1935 sollte das Viertel laut Stalinplan zum Zentrum der Welthauptstadt des Kommunismus werden. Der größenwahnsinnige Diktator hatte den Bau einer Leninskulptur angeordnet, die 400 Meter emporragen sollte. Die Statiker verzweifelten am Denkmalmonstrum und dem ebenso geplanten Palast der Sowjets, der eines der größten Gebäude der Welt werden sollte. Als Hitlerdeutschland die Sowjetunion angriff, wurden aber alle Kräfte in den Großen Vaterländischen Krieg geworfen.

So blieben Adelspalais und Jugendstilhäuser aus der Zarenzeit erhalten und sogar das Satschatjewski-Frauenkloster, das derzeit aufwendig saniert wird. 1917 hatte man es geschlossen, denn die Russen sollten nicht mehr zottelbärtigen Popen anhängen. 1924 wurde daraus ein Gefängnis gemacht, später eine Möbelfabrik. Nun hat man die abgerissene Kirche wieder aufgebaut, finanziert aus Spenden, der Großteil davon von Oligarchen.

Auch die alten Häuser um den Hügel, auf dem die Kirche steht, sind straßenzügeweit erneuert worden, manche Fassaden kehrten als perfekte Kopien zurück. "Das Viertel wird wieder bespielt, es ist das exklusivste Moskaus", erklärt Peter Knoch. "Nirgendwo in der Zwölfmillionenstadt kann man so idyllisch wohnen, in Sichtweite des Kreml und direkt am Fluss." Zu verdanken ist das einigen Künstlern, die sich nach der Wende hier niederließen und den Wert der Ostoschenka-Gegend medienwirksam steigerten. Das blieb den neuen Reichen nicht verborgen, die mit dem Auto durch das Viertel kurvten, das an den Stadtbezirk Prenzlauer Berg in Berlin erinnert. Die Immobilienbranche griff beherzt zu.

Auch Kultureinrichtungen profitieren von der Vitalisierung des Viertels

"2004 war der Durchbruch", erinnert sich Knoch. "Plötzlich kostete der Quadratmeter 1000 Dollar." Da waren Häuser aus Granit und Stahl, Marmor und Glas mit Kupferfassaden in Lücken zwischen historischen Gebäuden eingeklinkt worden, mit üppigen Schwimmbädern und Tiefgaragen für private Fuhrparks. Die Zimmer sind vier Meter hoch, statt Balkonen gibt es verglaste Loggien - Balkone haben ein schlechtes Image, weil sie wabenartig an riesigen Plattenbauten hängen -, es gibt Cafés mit Bechstein-Flügeln, auf denen Pianisten klimpern, beheizte Toilettensitze, damit die Damen im harten russischen Winter nicht frieren, und Fassaden, die einander an Protz überbieten. "In Russland ist man stolz auf Reichtum und zeigt ihn", sagt Peter Knoch.

Vorzeige-Boulevard für den neuen Metropolitan Style ist der Butikovskij pereulok, die Häuser auf der Südseite bieten Riesenfensterblick auf die Moskwa. Zum Quartier Ostoschenka gehören auch exzentrische Häuser wie das Copper House, Molotschnyj 1. Kalter Prunk, aus edlem Gestein errichtet, wie an New Yorks Upper East Side. Innen mit allem ausgestattet, was nobel und teuer ist. Entlang der Gehwege eine Armada von Luxuslimousinen. Goldbehängte Oligarchen-Gattinnen schlürfen Tee oder georgischen Wein in der Brasserie Chez Géraldine an der Ostoschenka 27, diskret eskortiert von Leibwächtern, und plaudern über Shopping-Adressen in London, Paris oder Baden-Baden. Ihre Kinder stochern gelangweilt im Kuchen herum. Es ist nicht leicht, alles bis zum Überdruss zu haben. Das Servicepersonal, sonst in Moskau defensiv, steht stets bereit, diesen Gästen jeden Wunsch zu erfüllen.

Von der Vitalisierung des Viertels profitieren auch Kultureinrichtungen wie ein kleines Holzhaus im klassizistischen Stil gegenüber vom In-Restaurant Tiflis in der Ostoschenka, in dem von 1839 bis 1851 der Schriftsteller Iwan Turgenjew lebte. Die Straße bildete den Hintergrund seiner sozialkritischen Romane "Adelsnest" und "Am Vorabend". Das Moskauer Haus der Fotografie an der Ostoschenka 18 präsentiert neben russischen auch internationale Fotokünstler.

In den Klubs werden Klischees bedient, langweilig ist es nie - eher anstrengend

Vor dem Nachtleben begeben sich jene, die es sich leisten können, ins Ritz Carlton an der ulica Tverskaja in Kremlnähe. Auf das historische Gebäude wurde ein gewölbtes Glasdach gesetzt, Spotlights irren über Glas, darunter fläzt sich die neue Moskauer Elite in die O-Lounge und schnabuliert Kaviar, Sushi und Austern, schlürft Champagner und Wodka, mit Blick auf den Kreml. Eine unvergleichliche Lage. Fisch lässt Chefkoch Seiji Kusano, ein Japaner, aus Fernost einfliegen, Lamm aus Australien, Steaks aus Argentinien. Lampen und Glasdesign stammen aber aus Tschechien, und der DJ ist Russe, hat aber sein Handwerk in New York gelernt. Die jungen Frauen im Raum sind tatsächlich so langbeinig, langhaarig und puppenhaft schön, bevorzugt wasserstoffblond und oft im Goldpailettendress, wie das Klischee es will. Sie laufen graziös durch den Raum, sitzen in den Couches, warten auf das, was geschieht. Es geschieht immer etwas.

Um Mitternacht gehen die arrivierten Russen gruppenweise in die Nachtklubs. Den Klub Soho Rooms besuchen alle, die auf Amouröses aus sind, es ist ein stadtbekannter Jagdgrund (für Söhne von Oligarchen oder diese selbst) und Angelgrund (für junge Frauen, die ins Beuteraster der Reichen passen). Ungehemmt wird abgerastert, ein paar Sätze fallen - dann hockt man zusammen oder die Wege trennen sich gleich wieder. Designer Dmitri Braude hat den Klub in eine entkernte Seidenfabrik implantiert und mit einer Erlebnis-Innenarchitektur ausgestattet. Swarovski-Glitzerkugeln drehen sich an der Decke, die Treppen zur Bar sind aus Marmor, auf der Dachterrasse gibt es einen Pool.

Auch im Cinema Lounge Dome, ebenfalls in einer einstigen Fabrikanlage, geht man zum Jagen und frau zum Angeln. Die Reviere sind klar abgesteckt. Frauen in auffälligen Outfits, oft rüschigen Kleidern, drehen ihre lasziven Pirouetten, die Zigarrenraucher schauen zu, dann schnippen sie mit den Fingern oder wenden sich müde ab. Am Wochenende geht das bis zum Morgengrauen. Es ist anstrengend, ein Oligarch zu sein - oder dessen Teilzeitgefährtin.